Den S25 in diesem Jahr musste ich leider alleine laufen, alle sonstigen 25-km-Mitläufer waren verletzungsbedingt ausgefallen. Aber zumindest konnte ich mit Manuela, Otto (10-km-Distanz) und Markus (Halbmarathon) anreisen und ein wenig über das bevorstehende Laufevent plaudern, bevor wir uns auf dem Gelände des Olympiastadions verabschiedeten. Kurz bevor es losging habe ich dann auch noch zufällig Lisa und Jakob getroffen, die über 25 und 10 Kilometer starten wollten. Wir wünschten uns einen guten Lauf und wenig später stand ich dann schon im Startblock…
Das Wetter hatte sich entgegen meiner Befürchtung nach den letzten warmen Tagen doch etwas abgekühlt. Vor dem Start gab es bei bedeckten 17 Grad sogar noch etwas Nieselregen. Da ich in der Vorbereitung volle zwei Wochen wegen einer Erkältung ganz ausgesetzt und mir danach noch eine Woche zum langsamen Wieder-rein-kommen gegönnt hatte, stellte sich die Frage: Mit welchem Tempo sollte ich laufen?
Der unterbrochene Trainingsplan war auf ein Wunschtempo von 5:35 min/km ausgelegt gewesen. Ich ging aufgrund des Trainingsdefizits einfach mal von einer „Reisegeschwindigkeit“ von 5:45 min/km aus. Die ersten beiden Kilometer würden in der Starthektik und aufgrund der abschüssigen Straße ohnehin wie immer schneller sein. Um mich herum bemerkte ich lauter 10-km-Läufer:innen, da würde es wohl noch rasanter als sonst losgehen. Dachte ich.
Der Startschuss fiel, alle liefen los. Aber ausgerechnet um mich herum hatten alle die Ruhe weg und ließen es langsam angehen. Dazu war es so dicht und eng, dass man kaum überholen konnte. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Statt zu schnell loszupreschen, blieb ich im Getümmel hängen und vergeudete Kraft mit riskanten Überholmanövern. Die ersten beiden Kilometer gingen mit je 5:50 min/km dann auch langsamer als geplant durch. Nix mit „Blitzstart und dann auf Tempo einpendeln“.
Ich hatte mir vorgenommen, weniger Fotos als sonst zu machen. Ihr kennt die Strecke ja ohnehin schon von etlichen Berichten (z.B. 2023, 2022 oder die früheren Läufe 2017, 2014, 2013 oder meinen Bestzeitenlauf 2011), – es war schließlich mein 17. Start über die 25 Kilometer am Berliner Olympiastadion!
Inzwischen ging es auf die Siegessäule zu. Kilometer 3 und 4 waren nach dem Anfangsstau mit 5:19 min/km wiederum deutlich zu schnell gewesen, glichen aber die ersten beiden langsamen Kilometer aus, so dass ich jetzt bei Kilometer 7 im Gesamtschnitt tatsächlich bei 5:35 min/km lag.
Ein einsames Kamerastativ hatte alle passierenden Läufer:innen gut überstanden, und auch ich kam knapp vorbei.
Egal wie oft man hier schon war: Das Überspringen der Markierung der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze im Asphalt und anschließende Durchlaufen des Brandenburger Tors war nach wie vor ein Highlight.
Eine Trommelgruppe in Rot und Orange trieb uns voran.
Kurzzeitig gab es wieder etwas Niesel, den ich aber kaum wahrnahm.
Auf Höhe des Gendarmenmarkts sah ich, wie auf dem Fußweg ein Pacemaker ging und niedergeschlagen seine 2:15h-Fahne vom Rücken nahm. Ein leises Raunen ging durch das Läuferfeld und ich glaube, ich war nicht der einzige, den das berührte.
Zwischen Kilometer 10 und 11 entdeckte ich Monika und Klaus am Straßenrand, die mich laut rufend empfingen. Nach ein paar Sekunden Stehpause und zwei kurz gewechselten Halbsätzen schickten sie mich weiter
Normalerweise führt die Strecke einfach um den Gendarmenmarkt herum, aber in diesem Jahr gab es (baustellenbedingt?) eine andere Streckenvariante. Statt abzubiegen liefen wir geradeaus, etwas später rechts und kamen dann auf eine Fahrradstraße. Nun musste ich doch wieder mehr fotografieren, um die neuen Streckeneindrücke zu dokumentieren.
Bei Kilometer 11 erreichten wir den Hausvogteiplatz…
… und bogen am anderen Ende in die Anton-Wilhelm-Amo-Straße (Ex-Mohrenstraße) ab. An der Hauswand des Bundesjustizministeriums war in großen Buchstaben ein Zitat von Albert Einstein angebracht: „Wenn es sich um Wahrheit und Gerechtigkeit handelt, gibt es nicht die Unterscheidung zwischen kleinen und großen Problemen.“
Schräg gegenüber fiel das Säulenportal des HU-Instituts für Europäische Ethnologie in den Blick.
Bereits vor einigen Kilometern war mir die Frau vom VfL Tegel mit dem leuchtendroten Haarband aufgefallen, die ich noch vom letzten Halbmarathon in Reinickendorf in Erinnerung hatte. Wie schon dort lief sie nun auch beim S25 mit sehr konstantem Tempo kilometerlang vor mir.
Plötzlich tauchte vor uns imposant der Deutsche Dom auf. Wir waren also wieder am Gendarmenmarkt gelandet, bogen aber gleich wieder links ab.
Wenig später liefen wir auch schon auf den Potsdamer Platz zu.
Beim Überqueren des Platzes bemerkte ich, dass sich meine Startnummer an der oberen Ecke losgerissen hatte! Ein paar hundert Meter lief ich noch mit herumflatterndem Brustlätzchen weiter, aber das nervte und musste unbedingt behoben werden.
Im Wettkampftempo mit einer Sicherheitsnadel an der Brust herumzuhantieren schien mir etwas gewagt, also blieb ich wohl oder übel auf dem Gehweg vor einer Büro-Glasfassade stehen, ließ die anderen Läufer:innen vorüberziehen und nahm mir die halbe Minute, um die Startnummer wieder ordentlich zu befestigen.
Weiter ging es am Tiergarten entlang auf den nächsten Treffpunkt zu: An der Kreuzung bei den Nordischen Botschaften (fast km 15) hatte Andreas V. seinen Einsatz als Helfer und empfing mich mit einem Lächeln. Ein paar kurz gewechselte Worte und ich machte mich frisch motiviert wieder auf.
Inzwischen kam öfter mal die Sonne durch, da wurde es auf offener Strecke gleich spürbar wärmer.
Insofern war der nächste Getränkestand am Wittenbergplatz durchaus willkommen. Ich nahm mein zweites Gel (das erste hatte ich bei km 10). Das war eigentlich erst für km 20 geplant, aber ich hatte das Gefühl, es wäre nun an der Zeit.
Wenig später wartete noch eine Überraschung: Am Café Kranzler ging es zum ersten Mal in all den Jahren plötzlich nicht mehr weiter geradeaus auf dem Kurfürstendamm sondern nach rechts Richtung Bahnhof Zoo…
… und dann gleich wieder links in die Kantstraße…
… vorbei am Theater des Westens, das an diesem Tag Premiere für das neue Musical „Ku’Damm 59“ haben sollte.
Immer weiter geradeaus ging es nun auf der Achse Kantstraße–Neue Kantstraße–Masurenallee mit ihrer stetigen Steigung zum Ende hin. Hier gab es sogar ein bisschen Gegenwind. Die ersten Läuferinnen und Läufer wechselten ins Gehtempo.
Ich hatte mir ein paar Sekunden mehr am Getränkestand bei Kilometer 20 gegönnt, wollte aber nun auf der Steigung nicht so viel nachlassen und versuchte, das Tempo einigermaßen zu halten. Kurz hinter der Halbmarathon-Marke – die Uhr zeigte zu meinem freudigen Erstaunen immer noch einen Durchschnitt von 5:35 min/km – deutete sich ein Krampf im Oberschenkel an. Ich ignorierte die Zeichen zwar bestmöglich, aber bis zum Ziel sollte mich das Spannungsgefühl in der Muskulatur nicht mehr verlassen.
Die Strecke führte nun wieder sanft die Reichsstraße hoch, aber ich hatte noch Kraft. Nachdem wir endlich auf die Olympische Straße eingebogen waren, konnte man schon bald das Stadion sehen. Wie im letzten Jahr liefen wir aber wieder rechts um das Olympiastadion herum.
Ganz neu war allerdings, dass wir noch eine merkwürdige Pendelstrecke nehmen mussten. In einem abgesteckten „Kanal“ ging es zuerst vorbei an vielen „10-km-Wende“-Schildern. Nanu, bin ich irgendwo falsch abgebogen? Egal, ich habe jetzt keine Lust mehr zu denken, einfach weiter, das wird schon richtig sein. Nach einem Seitendurchlass kamen dann „25-km-Wende“-Hinweise. Und Rufe. Wir näherten uns einer Helferin, die uns unaufhörlich „Grün und Gelb abbiegen! Grün und Gelb abbiegen!“ entgegenrief. Aha, anscheinend mussten die Halbmarathon-Läufer:innen (blau hinterlegte Startnummer) noch etwas weiter geradeaus, bevor auch sie wenden durften. Erleichtert bog ich (gelbe Startnummer) vor ihr in die Gegenrichtung ab. Und noch ein Stückchen weiter kam sie endlich, die lang ersehnte Tiefgaragen-Einfahrt!
Meine Laufschuhe hämmerten auf der stark abschüssigen Rampe immer schneller auf den Beton. Ich wollte den Schwung mitnehmen und einfach nur noch ins Stadion.
Licht am Ende des Tunnels und dann die blaue Tartanbahn – Finale! Ein Läufer, den ich überholte, jubelte: „Dafür haben wir das gemacht! Mit 24,5 Kilometer Anlauf!“. Ich stimmte ihm fröhlich zu und lief weiter…
… als er mich 100 Meter vor dem Ziel mit einem enormen Schlussspurt überholte! Ein Dejá vu, ich musste an den Läufer beim Zieleinlauf 2021 denken, der damals zwischen Klaus und mir durchgespurtet war.
Dann war ich im Ziel! Als ich später meine offizielle Zeit von 2:22:20 h sah, war der erste Gedanke: Da hätte ich mir doch noch 2 Sekunden Zeit lassen können, für meine bisher kurioseste Zeit! Aber natürlich war ich sehr zufrieden, vor allem, weil ich sehr gut durchgelaufen bin und mein Leistungsvermögen offensichtlich vorab auch sehr gut eingeschätzt hatte – das Gesamt-Durchschnittstempo lag bei 5:42 min/km.
Aber die Uhr hatte doch bis kurz vor Schluss den Gesamtschnitt von 5:35 min/km angezeigt? Tja, das war nicht ganz falsch, aber ich hatte mal wieder ein wichtiges Detail übersehen: Die gemessene Gesamtdistanz waren laut Laufuhr 25,54 km. Das ist normal, bedingt durch Messabweichungen des GPS und Streckenabweichungen des Läufers (man läuft halt nicht immer Ideallinie) kommt die Uhr auf eine längere Distanz. Das führt aber rechnerisch dazu, dass die Uhr auf schnellere Kilometerzeiten kommt!
Egal, ich war zufrieden über ein gut gelaufenes Rennen, genoss noch etwas die Architektur und Atmosphäre des Stadions und machte mich dann auf den Heimweg.
Die anderen waren ebenfalls alle gut durchgekommen. Einige sogar sehr gut: Sowohl Otto (über 10 km) als auch Markus (Halbmarathon) waren auf den 2. Platz ihrer Altersklasse gelaufen!
Die Pace-Grafik sieht zu meinem Erstaunen nicht so gleichmäßig aus, wie ich gefühlt gelaufen bin. Aber sie reflektiert natürlich genau das Anfangsgewühl, die kleinen Pausen bei Freunden, das Startnummern-wieder-fest-machen und den letzten, etwas längeren Getränkestopp. Wundern tun mich trotzdem die beiden letzten Kilometer. Da habe ich wohl unbemerkt und guten Gewissens („Immer noch ein Schnitt von 5:35 min/km, jetzt nur noch locker ins Stadion!“) ein wenig nachgelassen.
Zur Dokumentation hier noch einmal die geänderte Streckenführung mit dem erweiterten Gendarmenmarkt-Schlenker ganz im Osten und dem verändertem Rückweg über den Anfang der Kantstraße.
Herzlichen Glückwunsch zum Fast-Schnapszahl-Finish.
Bei uns hier Kassel gibt’s eine Läuferin, die mittlerweile über 700(!) Marathons gelaufen ist. Die erzählte mir neulich bei dem Schlösser-Burgen-Ultra, dass es tatsächlich solche Challenges unter den Marathon-“Sammlern” gibt, bei denen man eine bestimmte Zeit anpeilt, mit der man bisher noch nie ins Ziel gekommen ist. Also zum Beispiel eine 4:01, wenn die bei den Hunderten von Marathons noch nie dabei war. Verrückt, oder? :D
Das ist wirklich verrückt! Ich stelle mir gerade vor, wie solche Läufer:innen dann noch mit minutenlang vor dem Ziel verharren, um Sekunde X abzuwarten;-)