Kurz vor meiner 16. Teilnahme hatte ich eigentlich überhaupt keine Lust auf den Halbmarathon in Tegel/Reinickendorf. Statt der sonst zwei Runden mit ein paar Highlights wie der Greenwich-Promenade und dem Borsigtor hatten die Veranstalter aufgrund einer Baustelle auf vier eher langweilige Runden umplanen müssen. Meine Lauffreunde hatten ganz schön zu tun, mich zu motivieren. Das gelang anfangs zwar nur mittelprächtig, aber dann freute ich mich schließlich doch, mit Klaus, Eyyüp, Lisa und Jakob am Rathaus Reinickendorf zu stehen…
Und so sah die vier Mal zu laufende Runde mit exakt 5,27 Kilometern aus – eher nicht so prickelnd.
Für den Halbmarathon waren knapp 1.100 Teilnehmer:innen gemeldet, die aber wohl nicht alle erschienen waren, denn Finisher wurden am Ende nur knapp 800 gezählt. Die Laune war aber schon mal gut bei den Menschen um mich herum.
Wegen meiner mangelhaften Vorbereitung hatte ich eine Zeit von knapp unter 2 Stunden angepeilt, Klaus wollte mit Lisa auch in diesem Bereich laufen, und Eyyüp bekam von uns das „Go“ einfach mal loszulaufen und nicht auf uns zu warten. Tja, und bei Jakob, als einzigem 10-km-Läufer (sorry, aufgrund der Strecke waren es 10,55 km!) war nur die Frage, wann er jeden einzelnen von uns überholen würde. Gleich nach dem Start war es auf jeden Fall schon mal so eng im Läuferfeld, dass man ohnehin nicht laufen konnte, wie man wollte!
Auf der breiten Holzhauser Straße entzerrte es sich dann so langsam…
… und spätestens nach der ersten Trommelgruppe…
… konnte ich mein Tempo laufen. Wie immer war ich etwas zu schnell gestartet – der erste Kilometer ging in 5:24 min/km durch – und hatte dabei Klaus und Lisa aus den Augen verloren. Kurz überlegte ich, auf die beiden zu warten, aber das machte irgendwie auch keinen Sinn.
Eine Bläsergruppe am Straßenrand sorgte für Stimmung, wobei ich das sanft-schunkelnde „When I’m 64“ der Beatles eine interessante Wahl für einen Halbmarathon fand.
Immer geradeaus führte die Strecke auf der großen Straße. Ich wusste, irgendwo dahinten am Horizont, vor der Bahnlinie, würden wir nach rechts abbiegen.
Der Horizont hieß anscheinend Jacobsenweg…
… und war eine etwas gemütlichere Straße. Ich hatte versucht, nach dem ersten schnellen Kilometer etwas rauszunehmen, um auf meine geplante Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 5:40 min/km zu kommen. Aber hier, bei Kilometer 2, zeigte meine Laufuhr mit 5:28 min/km nur einen Hauch von Verlangsamung an. Egal, dann ist das so, dachte ich, und lief weiter, wie meine Beine eben wollten.
An einer Absperrung wurden wir in einem leichten Bogen nach rechts geleitet – von einer jungen Frau in Warnweste, die das Ganze mit gelben, in die Laufrichtung schwenkenden Fahnen tänzerisch begleitete.
Wir liefen durch eine Wohnstraße…
… in der einige Leute auf ihren Balkonen auf uns warteten und alles aufmerksam von oben beobachteten.
Die Straße wurde wieder breiter, das Feld zog sich weiter auseinander.
Beim Laufen fotografierte ich recht häufig, denn ich hatte mir vorgenommen: Die erste Runde dokumentierst du ausführlich, danach passiert nichts Neues mehr, dann wird das Handy weggesteckt und nur noch gelaufen.
Um mich herum nur leise Läuferschritte, jede:r lief für sich und wartete wahrscheinlich, ebenso wie ich, darauf, dass die erste Runde vorbei sein würde.
Aber noch ging es weiter geradeaus, immerhin schön unter Bäumen.
Hin und wieder hörte man laute Schritte und hechelndes Atmen von hinten. Das waren die ersten 10-km-Läufer:innen, die an uns vorbeizogen. Ich wunderte mich etwas, wie laut die schnellen Jungs und Mädels „tapsten“. Klaus meinte hinterher, das käme von den Carbonschuhen, und es war mir tatsächlich vor dem Start aufgefallen, wie viele Leute da kräftig in ihre Bestzeiten investiert hatten.
Ah, da vorne wurde wieder abgebogen, wir kamen anscheinend zurück auf die Holzhauser Straße.
Auf der Gegengerade zogen die Cracks vorbei…
… während wir auf der anderen Seite der rotweißen Hütchen das Tempo der Normalos liefen.
Auf einer Verkehrsinsel zwischen den beiden Strömen stand ein junges Supporter-Team mit selbstgemaltem Banner „Make Greg proud“. Was auch immer das heißen sollte, wir taten unser Bestes.
Die Trommelgruppe von vorhin wurde inzwischen von einer Tänzerin unterstützt.
Statt direkt wieder zum Rathaus zu laufen, mussten wir noch einen kleinen Schlenker hinter uns bringen.
Na, wenn es sein musste…
Offensichtlich waren wir noch auf der richtigen Strecke.
Nochmal ein Schlenk durch ein sehr kleines, sehr ruhiges Wohnviertel…
… dann über Kopfsteinpflaster in Grob…
… und Kopfsteinpflaster in Fein an der Rückseite des Rathauses entlang.
Für den korrekten Halbmarathon musste die Runde exakt 5,27 km lang sein, …
… was uns noch eine Mini-Pendelstrecke bescherte.
Wieder konnte man einen kurzen Blick in die Gesichter der vor und hinter einem Laufenden werfen…
… und, Ah!, das war doch Jakob!
Ich hatte noch Zeit, einen Blick auf die Läufer hinter mir zu werfen…
… und das prächtige Backstein-Rathaus zu bestaunen…
… und dann hatte er mich schon eingeholt und lief mit großen Schritten an mir vorbei.
So, jetzt hatte man als Halbmarathon-Teilnehmer:in alles gesehen, was es an der Strecke zu sehen gab. Den etwas angestrengt wirkenden „nächste-Runde“-Mann würde man noch zwei weitere Male auf der linken Seite passieren, bevor man rechts an ihm vorbei ins Ziel laufen durfte.
Für die meisten Läuferinnen und Läufer ist bei solch einem Event der Zieleinlauf das Allerschönste. Aber wie soll man sich fühlen, wenn es nach dem ersten Überschreiten der Zeitmessmatte und Durchlaufen des Zielbogens einfach weitergeht? Und erst der vierte Zieleinlauf DER Zieleinlauf ist? Und bin ich schon ein Held, wenn ich 5,27 Kilometer gelaufen bin – oder will mir der Sponsor da nur Weißbier ums Maul schmieren?
Klar, dass wir unter diesen Bedingungen auch die jungen Helferinnen mit den Medaillen getrost ignorieren durften. Was soll’s, weiterlaufen…
Was sonst noch geschah
Streckenmäßig gab es ab jetzt nichts Neues mehr. Ihr könntet also getrost jetzt wieder nach oben zum Anfang des Artikels scrollen und euch alles noch weitere drei Mal durchlesen ;-) Aber ein paar kleinere Ereignisse gab es noch, die ich fotografiert habe und erwähnen möchte. Fragt mich aber nicht, auf welcher Runde was geschah.
Wasser auf die inneren Mühlen meiner Unlust (die aber im Trubel des Events, der Freude am Dabeisein, inzwischen fast verschwunden war) war die Bemerkung einer Mitläuferin, dass das gerade ja etwas langweilig sei mit den noch anstehenden identischen Runden.
Motivierend hingegen der Mann mit der großen Kuhglocke, der lärmend und winkend vor dem „Sportler-Eck“ stand und begeistert die Läuferinnen und Läufer anfeuerte.
Die Helferinnen und Helfer, darunter auch viele Jugendliche, waren ebenfalls gut drauf.
Ich lief mein Rennen so vor mich hin, konzentrierte mich jeweils auf die vor mir Laufenden und konnte so manche:n überholen. Nur bei der Frau des VfL Tegel mit dem roten Haarband und ihrer Mitläuferin zögerte ich. Sie waren in nahezu dem gleichen Tempo unterwegs wie ich, der Abstand verringerte sich kaum.
So ging es über 2-3 Runden – zwischendurch hatte ich noch die Feierhalle des Friedhofs Wittenau fotografiert, die ich beim ersten Durchgang übersehen hatte – als ich auf dem Kopfsteinpflaster-Abschnitt die Gelegenheit nutzte, kurz vor Schluss doch noch zu überholen.
Auf meiner vierten und letzten Runde hatte ich das Tempo etwas (einen Hauch) angezogen, da ich mich gut fühlte. Und so lief ich mit Schwung ins Ziel ein.
Mit der Zeit von 1:55:28 war ich vollkommen zufrieden. Damit hatte ich nicht gerechnet, zumal ich beim Laufen hin und wieder auch meinen verspannten Rücken der letzten Tage gespürt hatte.
Eyyüp war bereits lange im Ziel, Jakob sowieso, und Lisa und Klaus kamen wenig nach mir herein. Alle waren wir ein gutes Rennen gelaufen und zufrieden mit der eigenen Leistung. Glückwunsch an euch vier! Naja, und die vier Runden… wenn man sie hinter sich hat, fühlt es sich schon nicht mehr so wichtig an ;-)
Nachträglich erstaunt hat mich, wie gleichmäßig ich gelaufen bin. Die vereinzelten etwas langsameren Kilometer hatten fast alle mit dem Wassertrinken im Ziel-Durchlaufbereich zu tun.
Die Rundenzeiten waren nahezu identisch, es gab einen hauchdünnen negativen Split, und nach der ersten Runde habe ich bis zum Ziel 100 Plätze gutgemacht (74 bei den Männern). Was will man mehr?
PS: Das letzte war eine rhetorische Frage: Zwei Runden wie bisher wäre schon schön für nächstes Jahr ;-)
Gibt’s in Berlin eigentlich in jedem Stadtbezirk eine eigene Laufveranstaltung? Anders kann ich mir das kaum erklären. Wie auch immer: 4 Runden für einen HM? Never. Da hätte ich auch keine Lust gehabt.
In Kassel haben sie den Marathon auch auf 2 Runden geändert. Ein Grund, nur noch den HM zu laufen. Am 17.9. ist es wieder soweit.
Glückwunsch zur Sub2 und weiter so!
Laufevents gibt es nicht in jedem, aber doch in sehr vielen Bezirken in Berlin.
2 Runden finde ich bei MA und HM meist noch erträglich, aber 4 sind definitiv nicht schön.
Ich drücke dir die Daumen für den Kassel-HM und freue mich schon auf den Bericht!