Lauf-Blog für Läuferinnen und Läufer der F-Klasse

35. real,- Berlin-Marathon am 28.09.2008

Veröffentlicht am 04.10.2008 | 8 Kommentare

Läufer mit Medaillen nach dem Berlin-Marathon

Am vergangenen Sonntag sind Klaus und ich gemeinsam den Berlin-Marathon 2008 gelaufen. Ganz so entspannt wie auf diesem Foto, eine dreiviertel Stunde nach dem Zieleinlauf, waren wir in den Stunden davor allerdings nicht immer…

Auf dem Weg zum Berlin-MarathonDer Weg zum Startblock F

Bereits um 7:20 Uhr hatten Hartmut, Klaus und ich uns in Marienfelde an der S-Bahn getroffen, um rechtzeitig und ohne Hektik an den Start gehen zu können. Auf dem Bahnhof Friedrichstraße stieß dann noch Jürgen dazu und gemeinsam ging es dann zu Fuß weiter zum Startgelände. Nachdem wir alle vier unsere Sachen an den jeweiligen Zelten abgegeben hatten, begaben wir uns mit tausenden von Läufern zu den Startblöcken. Ein Meer von Menschen in gelben Plastiksäcken!

Läuferfeld vor dem Start des Marathon in Berlin

Auf der Straße des 17. Juni angekommen, merkte man bereits nach wenigen Minuten Herumsteherei, dass es die richtige Entscheidung gewesen war, solch ein modisches gelbes Adidas-Accessoire anzunehmen: bei etwa 10-12 Grad steht es sich „oben ohne“ nicht so sonderlich warm! Abgesehen davon schien aber die Sonne prächtig. Super-Laufwetter!

Tanzende ältere LäuferinWarten im Startblock F

Über uns kreisten bereits zahlreiche Hubschrauber und neben uns filmte ein Kamerateam einen schon sehr betagten Mitläufer und eine ebenso betagte, tanzende Mitläuferin. Sehr beachtlich, die gute Laune der Silver Runner. Ich glaube, ich brauche noch einige Jahrzehnte, bis ich vor einem Marathonstart so gut drauf bin. In diesem Moment war ich jedenfalls – wie immer – etwas nervös.

Luftballons beim Startschuss zum Berlin-Marathon

Hartmut hatten wir gleich zu Anfang beim Einsortieren in den Startblock verabschiedet. Er wollte sich mit Andreas III. treffen und darüber hinaus wesentlich schneller im Ziel sein als wir. Gemeinsam mit Klaus und Jürgen wartete ich also auf den Startschuss. Die allgemeine Stimmung war gut und französisches, dänisches, italienisches und englisches Stimmengewirr um uns herum deutete an, dass wir heute 42,195 Kilometer lang mit halb Europa um die Wette laufen sollten.

Dann war es endlich soweit: nachdem bereits der erste Startschuss für die Startblöcke A-E unter lautem Jubel und mit tausenden gelben Luftballons am Himmel erfolgt war, ging es für Startblock F (!) und G nun – etwa 10 Minuten später – auf die Strecke!

In der MarchstraßeAn der Yorckstraße

Da Jürgen es etwas ruhiger angehen lassen wollte als Klaus und ich, wünschten wir uns gegenseitig noch ein gutes Rennen und verloren uns dann wenige Minuten darauf aus den Augen. Klaus und ich hatten uns einen Kilometerschnitt von 5:15 min. vorgenommen und waren die ersten Marathon-Kilometer sehr darauf bedacht, dieses Tempo in der Starthektik erst einmal zu finden.

Glücklicherweise konnten wir von Anfang an relativ frei laufen, was mich sehr gefreut hat. Zwischendurch, etwa auf der Marchstraße, wurde es für das Feld etwas enger, so dass man automatisch abgebremst wurde. Davon haben wir uns aber nicht weiter beirren lassen und sind locker unser Tempo gelaufen. Schön war es, während des ganzen Marathons die Stellen wieder zu entdecken, die wir im Frühjahr bei unseren Buchstabenläufen gelaufen waren.

Läufer im Hawaii-KostümLäufer im Goldfolien-Kostüm

Ungefähr bei Kilometer 10 fiel Klaus auf, dass sein Asics-Armband mit den Durchgangszeiten völlig wirre Angaben zeigte. Ich rechnete gerade vor, dass wir sehr gut in der Zeit lägen, da wir den 10. Kilometer gleich unterhalb der geplanten 52:30 min. erreichen würden, da entgegnete Klaus, dass sein Armband für Kilometer 10 eine Zeit von 50 Minuten und ein paar Sekunden angab. Beim weiteren Laufen und Rechnen stellte sich so langsam heraus, dass der nette Asics-Messe-Service lauter Fantasiezeiten ausgedruckt hatte. Am erstaunlichsten war die Zeitdifferenz von 20 Minuten für die letzten zwei Kilometer des Marathons!

Läufer an der Yorckstraße

Aber so weit waren wir ja noch lange nicht. Wir liefen inzwischen beständig und ruhig unsere Kilometerzeit und genossen die Stimmung und Atmosphäre an der Strecke. Die halbe Stadt und viele, viele Besucher aus dem In- und Ausland standen links und rechts der Straßen und feuerten die Läufer an, von denen einige wieder in abenteuerlichen Kostümen unterwegs waren. Bei Kilometer 20 an den Yorckbrücken erwarteten uns zum ersten Mal unsere eigenen Freunde und Familien. Ein wichtiger, aber auch sehr kurzer Moment. Hier müssen sie doch stehen? Wo stehen sie bloß? Ah, da! Großes Gewinke und Hallo und schon sind wir vorbei…

Die Läufer passieren den Innsbrucker Platz

So kurz diese Augenblicke auch sind, geben sie doch unheimlichen Auftrieb und man läuft die nächsten Minuten wesentlich beschwingter weiter. Am Innsbrucker Platz, Marathon-Kilometer 24, kam der nächste dieser glücklichen Momente: Andreas II. wartete bereits auf uns (am diesjährigen Berlin-Marathon namen übrigens genau 616 Läufer mit dem Vornamen Andreas teil; wie viele am Straßenrand standen wage ich nicht zu schätzen ;-) Und wieder waren die Füße ein Stückchen leichter als vor der Begegnung…

Läufer am HohenzollerndammMusikgruppe am Potsdamer Platz

Die Halbmarathon-Marke an der Ecke Potsdamer Straße hatten wir noch locker im geplanten Tempo genommen, und auch die Kilometer danach schienen recht lässig an uns vorbei zu fliegen. Eine tolle Stimmung, tolles Wetter und einige nette Gespräche zwischendurch mit den Mitläufern. So unterhielten wir uns zum Beispiel kurz mit einem Läufer, der ein Shirt des TSV Schönberg trug. Dort haben Hartmut, Klaus und ich ja bereits am Deich- und Salzwiesenlauf teilgenommen. Ja, und richtig: Hartmut kannte er auch. So klein ist die Läuferwelt. Kleiner Tipp am Rande: nächstes Jahr findet bei Schönberg an der Ostsee ein Jubiläums-Marathon statt!

Ein großer Motivations-Pluspunkt waren die vielen Bands, Kapellen und Samba-Truppen, die sich kräftig ins Zeug legten und uns Läufern mächtig einheizten. Unglaublich war eine Gruppe junger Leute in einem Wohnhaus, die wahnsinnig laute Heavy-Musik schon von weitem  hörbar aus der Stereoanlage dröhnen ließen und dabei wild auf dem Balkon tanzten. Aber auch die Stellen an denen sich die Straße verengte und die Zuschauer in dichten Trauben standen und begeistert applaudierten verursachten bei uns eine leichte Gänsehaut.

Läufer und blaue Streifen der IdeallinieZuschauer am Potsdamer Platz

Nachdem wir Andreas II. zum zweiten Mal – an der Autobahnbrücke am Hohenzollerndamm – winkend passiert hatten, war der Spaß allerdings erst einmal vorbei. Ich spürte, wie die Kräfte doch langsam zu schwinden begannen, es fiel immer schwerer, das Tempo zu halten. Etwa bei Kilometer 31 schließlich bat ich Klaus, alleine weiter zu laufen, ich müsse nun Tempo rausnehmen.

Läufer bei Pause am Potsdamer PlatzSchild Andreas

So kam es, dass wir den nächsten großen Familien-Hallo-Aufputsch-Punkt am Potsdamer Platz separat passierten. Hartmut war lange vor uns dort vorbeigekommen, um kurz bei Frau und Tochter „aufzutanken“ und dann weiter an seiner neuen Rekordzeit zu arbeiten. Zu der Zeit kämpfte ich noch einige Kilometer davor um Haltung und Tempo. Immerhin schien Klaus nicht ganz so schnell zu entschwinden, denn ich sah ihn noch einige Zeit aus der Läufermenge vor mir herausragen.

Zeit für einen Energieriegel, dachte ich mir. Bereits bei Kilometer 18 hatte ich einige kleine Bissen vom PowerBar genommen und wollte nun wieder etwas Energie nachtanken. Es war ein Desaster! Ich verspürte keinerlei Lust zu kauen und hatte extreme Mühe, den kleinen Bissen, den ich genommen hatte, überhaupt runter zu bekommen. Mit steigender Belastung lässt nämlich auch der Speichelfluss deutlich nach. So blieb es bei dem einen kleinen Bissen. Das nächste Mal werde ich es mit Sicherheit mit einem Gel versuchen – womit sich das Blatt in der Diskussion PowerBar vs. PowerGel deutlich gewendet hätte!

Läufer im Wikinger-KostümLäufer grüßen im Laufen am Potsdamer Platz

Nach einigen hart erkämpften Kilometern kam ich dann endlich am ersehnten Potsdamer Platz an. Wo ist meine Familie, ich brauche jetzt dringend ein wenig Motivation von außen… Da sind sie! Lächelnd, rufend, ja, das tut gut. Auch Joachim und Christiane sind dabei. Aber so verlockend es auch ist, jetzt bloß nicht stehen bleiben! Also wieder auf in den Kampf. Die letzten 2,5 Kilometer liegen noch vor mir.

Läuferfeld bei Kilometer 38,5

Ich versuche mich mit den Gedanken an all die erfolgreichen und schönen langen Läufe der letzten Monate zu motivieren, aber langsam nimmt die Stimmung überhand, dass ich jetzt nur noch im Ziel sein möchte. Nicht mehr laufen. Klaus ist bereits seit einiger Zeit nicht mehr zu sehen. Noch etwas mehr als 1 Kilometer. Ich nehme dankend jeden Erfrischungsstand mit, muss mich aber zwingen, die Trinkpausen nicht allzu lange auszudehnen. Komm, los, weiter, is’ nur noch ein bisschen!

Brandenburger Tor mit Zuschauern

Endlich komme ich auf die Zielgerade: Unter den Linden! Wenn man bereits 41 Kilometer in den Beinen hat, zieht sich dieser letzte Kilometer doch länger hin, als einem lieb ist. Ein Riesen-Tor der Morgenpost spannt sich über die Straße, kurz dahinter noch eines. Was soll das? Der letzte Kilometer? Der muss doch schon lange angefangen haben? Egal, nur weiter. Ein, zwei Mal erliege ich der Versuchung zu gehen, falle aber schnell nach wenigen Metern wieder in den Trab. Ah, das Brandenburger Tor!

Man hört ja immer wieder, welche Emotionen dieses Bauwerk bei manchen Deutschen beim Durchschreiten weckt. Mein Tipp: versucht mal 42 Kilometer möglichst schnell zu laufen. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie sich der Anblick und das Durchlaufen des Brandenburger Tores dann anfühlt ;-)

Jetzt sind plötzlich wieder Energien da, die ich schon lange verbraucht glaubte. Ich werde schneller. Schräg vor mir eine nett aussehende ältere Dame. Himmel, wie kommt die zu diesem Zeitpunkt hierher? Mit letzter Kraft überhole ich, gucke auf die Uhr. Ich kann es noch unter 3:50 Std. schaffen! Lächelnd und glücklich laufe ich durch das Zieltor. Geschafft, ich habe meinen dritten Marathon hinter mir, meine bisherige Bestzeit (aus dem heißen Marathon-Jahr 2006) um glatte 23:41 Minuten verbessert!

Im Ziel des Berlin-MarathonLäufer nach dem Zieleinlauf

Mit vielen anderen erschöpften, aber glücklichen Marathon-Läufern lasse ich mir die redlich verdiente Medaille umhängen und suche nach einem Verpflegungsstand. Plötzlich steht Klaus neben mir, der kurz zuvor ins Ziel gekommen war. Wir beglückwünschen uns, sind zufrieden mit uns und der Welt.

Läufer mit gelben PlanenVerpflegungsstand im Zielbereich des Berlin-Marathon

Freundliche Helfer verteilen wieder gelbe Plastikumhänge und allerlei Erfrischungen. Ich finde es immer wieder enorm, wie engagiert und hilfsbereit die Freiwilligen entlang der Strecke und im Ziel die Läufer unterstützen. Ich habe mich bestimmt bei jedem Einzelnen, der mir in den letzten Stunden einen Becher Wasser gereicht hat, herzlich bedankt, so begeistert war und bin ich von der Einsatzfreude der Leute.

Reichstag mit Läufern nach dem Marathon

Langsam schlendern wir in Richtung der Kleiderzelte und rufen zwischendurch unsere Frauen an. Alles ist gut, wir sind heil angekommen (und gar nicht mal langsam ;-) Ein Blick auf die Uhr zeigt, dass wir uns jetzt sogar beeilen müssen, um pünktlich zum vereinbarten Treffpunkt mit unseren „Motivatoren“ zu kommen. Wenig später dann das große Wiedersehen. Joachim hat noch ein Foto von der ganzen Truppe gemacht (Hartmut war zu diesem Zeitpunkt schon zuhause, Jürgen noch im Zielbereich) und dann ging es gemütlich schlendernd Richtung S-Bahn.

Gruppenbild nach dem Berlin-Marathon

PS: Abschließend noch einmal ein herzliches Dankeschön an alle, die sich an der Strecke nach uns die Augen aus dem Kopf geguckt, uns lautstark angetrieben und dabei auch noch zahlreiche Fotos – von denen ich viele für diesen Artikel verwendet habe – gemacht  haben!

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8 Kommentare zu “35. real,- Berlin-Marathon am 28.09.2008”

  1. Sylvia & Andreas III. sagt:

    Hallo Andreas,
    wir haben soeben auf der Insel Sylt Deinen Berlin-Marathon
    Erlebnisbericht gelesen und gratulieren Dir zur “Turbozeit”.
    Unser Cool-Down muß noch warten, denn bei Sturm und Regen präparieren wir uns körperlich und mental auf den bevorstehenden 7. New York City Marathon am 2.11.2008.
    Wir freuen uns dennoch auf weiterhin bevorstehende gemeinsame Trainingsläufe vor und nach N.Y.City!
    Mit herzlichem Gruß von der Insel Sylt
    Sylvia & Andreas III.

  2. monika sagt:

    Servus Andreas,
    da hast du ja einen sehr anschaulichen Bericht hingelegt. Man kann die Stimmung, die beim Lauf herrschte, sehr gut nachvollziehen.
    Wenn ich deine Reportage so lese, bin ich ganz wehmütig, dass ich diesmal wieder nicht teilnehmen konnte. Trotzdem denke ich gerne an die tolle Vorbereitungszeit zurück, es waren ein paar Superläufe dabei!
    Wie heisst es doch: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.
    Das nächste Mal sollte ich in der tapering-time wohl ausziehen, damit mich die Viren der Familie nicht wieder flach legen.
    Liebe Grüße
    Monika

  3. klaus sagt:

    so sehen also Sieger aus: sind das Glückshormone oder eher die Erleichterung, dass der Lauf vorbei ist? Doch zum Glück sind wir auch Meister im verdrängen, sodass man sich an die Mühe auf den letzten Kilometern (“nur noch einmal um die Kläranlage …”) erst beim nächsten Mal wieder erinnert! Du hast mich davor bewahrt den asics-Mann zur Hölle zu wünschen und stattdessen den ‘nonsense’ als skurile Anekdote aufzunehmen. Kaum zu glauben wie einem mit zunehmender Laufdauer die einfachsten Rechenoperationen nicht mehr gelingen; am Ende ist man völlig Gaga! Doch am Ende gilt, dass der Marathon mit Dir am freundlichsten Berliner Tag des Jahres stattfand: super Stimmung unter den Läufern, super Wetter, super Publikum und schließlich auch noch Weltrekord von Haile – ein tolles Erlebnis!

  4. Gerd sagt:

    Glückwunsch,
    auch zu deiner Super Zeit. Ich war schon so lange nicht mehr hier das ich deinen Marathonlauf komplett verpasst habe.
    Also nachträglich nochmals “Herzlichen Glückwunsch!”.
    Mein erster steht erst in einem Jahr an.
    Da bist Du ja schon ein alter Hase.

    Gruß Ged

  5. webmaster@startblog-f.de sagt:

    Hallo Gerd,
    läufst du deinen ersten Marathon in Berlin? Der erste Marathon ist auf jeden Fall der aufregendste! Ich bin vor jedem Lauf mehr oder weniger aufgeregt, aber ich erinnere mich noch gut, dass ich eine Woche vor dem ersten Marathon auf den Streckenplan gesehen und gedacht habe: „Auf was hast du dich da bloß eingelassen…?“
    Aber eine gute Vorbereitung und eine realistische Zeiteinschätzung sind schon weit mehr als die halbe Miete!
    Gruß
    Andreas

  6. Gerd sagt:

    Hi Andreas,
    geplant ist Ende 2009 in Frankfurt zu laufen. Also noch über 1 Jahr Zeit. Als Vorgabe möchte ich um die 4:40h laufen.
    Bin nicht so der “Runner”, eher der Genießer. ;-)Hatte ja erst im September meinen 1. Halbmarathon.
    http://www.diro-online.com/wordpress/?p=584
    Hat riesig Spaß gemacht.

    Gruß nach Berlin

  7. Gerd sagt:

    Hi Andreas,
    geplant ist Ende 2009 in Frankfurt zu laufen. Also noch über 1 Jahr Zeit. Als Vorgabe möchte ich um die 4:30h laufen.
    Bin nicht so der “Runner”, eher der Genießer. ;-)Hatte ja erst im September meinen 1. Halbmarathon.
    http://www.diro-online.com/wordpress/?p=584
    Hat riesig Spaß gemacht.

    Gruß nach Berlin

  8. Gerd sagt:

    Sorry Schreibfehler,
    4:30h sollte meine Marathonszeit sein. Aber ohne Gewähr!

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