Jetzt geht es los! Jetzt geht es los! Ich war ganz schön aufgeregt, als ich am ersten Samstag im Juni das Haus verließ. Die Trainings-Vorbereitung meines großen Laufprojekts war nicht so optimal verlaufen, wie ich es mir erhofft hatte. Vor wenigen Tagen mussten darüber hinaus leider Monika und Klaus absagen, und auch Eyyüp hatte aufgrund seiner Wadenverletzung vom letzten Sonntag seinen Teilnahme-Status tags zuvor vernünftigerweise von „Läufer“ auf „Radbegleiter“ geändert – und mich bedauernd an diesem Morgen in aller Frühe angerufen, weil ihm plötzlich schlecht war! Er wollte aber später dazustoßen. So lief ich dann erst einmal mit vielen im Kopf schwirrenden Gedanken los…
Am Stadtrand sollte ich mich mit Andreas V. treffen, der mich die gesamte Zeit mit dem Rad begleiten und den Transport und Support übernehmen wollte. Ein großer Rückhalt! Der Jakobsweg ist ja ein Pilgerweg und führt entsprechend von Kirche zu Kirche. Unsere Dorfkirche Marienfelde liegt zwar nicht direkt am Jakobsweg Berlin-Leipzig, aber natürlich musste sie als erstes fotografisch festgehalten werden.
Um kurz nach 10 Uhr kam ich am Treffpunkt an und freute mich, neben Andreas V. auch Monika und Klaus zu sehen, die ein Stück der 1. Etappe mitlaufen wollten.
Über den frisch asphaltierten Berliner Mauerweg ging es los. Die Temperatur von 14 Grad war optimal, für später waren noch 20 Grad vorhergesagt.
Am Straßenrand wurde Beelitzer Spargel angeboten – ha, da laufen wir jetzt (bzw. auf Etappe 2) hin!
Plötzlich entdeckten wir ihn: unseren ersten Jakobsweg-Aufkleber! Mit allen Stationen bis Santiago de Compostela. So weit wollten wir aber wirklich nicht ;-)
Der Jakobsweg von Berlin nach Leipzig ist übrigens auch Teil der Via Imperii. Wie heißt es so schön: Alle Wege führen nach Rom!
Wir liefen am Teltowkanal entlang und kamen auch über den bei uns legendären „Cola Hill“. Klar, dass noch einmal die Geschichte erzählt werden musste, wie ich mich bei den 100 Meilen von Berlin auf seiner Kuppe kaum zur Belohnungs-Cola bücken konnte.
Am Marktplatz von Teltow wollten Monika und Klaus umkehren. Aber zuerst machten wir noch ein wenig Sightseeing und sahen das Denkmal für Ernst von Stubenrauch, den Schöpfer des Teltowkanals…
… das schöne Rathaus…
… und die Kirche.
Andreas und Andreas vor der St.-Andreas-Kirche.
„Hoffnung“ – ein wichtiges Wort, auch auf diesem Lauf. Denn ich hatte angesichts meines Trainingszustands ernsthafte Zweifel, ob es mir gelingen würde, so viele Tage hintereinander so viele Kilometer zu laufen.
Ein Maibaum (äh, wir hatten Juni?) machte die Idylle perfekt. Fehlte nur noch…
… ein Stück Käsekuchen aus der legendären Bäckerei Neuendorff.
Wir machten also eine leckere Käsekuchen-Pause, wobei für mich ein halbes Stück reichen musste – ich wollte ja noch weiter laufen.
Dann verabschiedeten wir uns von Monika und Klaus und setzten den Weg zu zweit – laufend und radelnd – fort.
Bald war Kleinmachnow erreicht.
Vorbei an der Dorfkirche Kleinmachnow…
… dem Medusenportal…
… und dem Machnower See…
… kamen wir nach Stahnsdorf. Wir machten gerade eine kleine Trinkpause, da rief Eyyüp an: Ihm ging es etwas besser, und er würde am Nachmittag an der Unterkunft dazu stoßen.
Beim Weiterlaufen staunten wir über den unerhofften Service am Rande unseres Projekts: Da stand tatsächlich ein freies, supersauberes Dixi-Häuschen für den Läufer bereit!
Als nächstes sahen wir die Gedenkstelle für die Stahnsdorfer Friedhofsbahn…
… nachdenkliche Skulpturen…
… und den Eingang zum Südwestkirchhof Stahnsdorf. Hier liegen nicht nur zahlreiche historische Berühmtheiten begraben – die hölzerne Friedhofskapelle nach dem Vorbild norwegischer Stabkirchen war auch Drehort für Szenen der deutschen Netflix-Serie Dark.
Für Andreas V. und mich ging es aber nicht so düster weiter. Im Gegenteil, wir verließen jetzt das Stadtgebiet und kamen über sandige Feldwege im Sonnenlicht.
Weite Wiesen voller blauer Kornblumen und vereinzelter roter Mohn-Farbtupfer boten einen wunderschönen Anblick.
Wir überquerten die L40…
… und kamen bald zur Dorfkirche Güterfelde.
Am Güterfelder Haussee machten wir kurz Rast. Für den begeisterten Schwimmer Andreas V. eine große Versuchung, einfach Fahrrad Fahrrad sein zu lassen und spontan hineinzuspringen, zumal sich die Temperaturen inzwischen bei 20 Grad im Schatten eingependelt hatten.
Die Hinweis-Aufkleber für den Jakobsweg („Camino de Santiago“) waren nicht immer vorhanden, wenn man sie brauchte. Oder nur sehr versteckt. In diesem Fall aber gleich doppelt und deutlich. Fun fact am Rande: Die Ausrichtung der gelben (Jakobs-)Muschel zeigt ebenfalls, wo es lang geht – immer dem „Zentrum der Strahlen“ nach.
Nach einem halben Bogen um den See führte der Weg durch die Parforceheide.
Auf den einsamen Wegen genossen wir die Stille und den Geruch des Waldes…
… bis ich feststellte, dass wir ein wenig vom Weg abgekommen waren. Neben der offziellen Karte hatte ich noch den GPX-Track auf dem Handy dabei. Und der zeigte eindeutig: Unser Standort lag nicht mehr „auf der blauen Linie“!
Merkwürdigerweise zeigte der Track nach ein bisschen „Korrekturlaufen“ quer über eine große Wiese. Wir vertrauten mal den angedeuteten Pfaden…
… und waren wenig später am Waldrand wieder auf Kurs – eine Muschel!
Muschel klingt nach Strandurlaub. Und genauso sah es hier auch aus: Radfahren war im tiefen Sand unmöglich und Laufen anstrengend.
Weiter über schattige Wege…
… und Kopfsteinpflaster.
Wir näherten uns dem nächsten Ort…
… namens Philippsthal.
Die Dorfstraße führte uns vorbei an der Kapelle…
… und einem Restaurant. Dem Restaurant, in dem wir möglicherweise zu Abend essen wollten. Aber es hatte unerklärlicherweise mitten in der Saison wegen Urlaub geschlossen. Und viel mehr an Gastronomie gab es im weiten Kilometerradius nicht.
Erst einmal weiter. Statt geradeaus die Landstraße direkt nach Saarmund zu nehmen, führte uns der Jakobsweg nun in einer Extra-Runde über die Felder.
Meine Stimmung war trotzdem gut, schließlich näherten wir uns dem Ende der 1. Etappe.
Andreas V. fuhr voraus. Erst unter der Bahnlinie hindurch…
… anschließend daran entlang…
… und dann… nee, ernsthaft? Vor uns verlief eine recht steile Rampe mit groben Schottersteinen hinauf zum Bahndamm. Zu zweit schoben wir das schwer bepackte Rad über die kantigen Steine die Steigung hoch.
Oben erwartete uns ein alter ausrangierter Doppeldecker-Bus.
Wir passierten den Bahnhof Saarmund (mir ging es gut bisher, kein Grund mit der Bahn zurückzufahren)…
… und schwenkten dann wieder auf die Landstraße, die uns über ein Wehr an der Nuthe nach Saarmund hinein führte.
Fisch-Skulpturen begrüßten den Läufer und seinen radfahrenden Begleiter mit offenem Mund, …
… und kurz darauf kamen wir auch schon bei unserer Unterkunft „Zum Mühlengrund“ an, wo wir ebenfalls sehr nett empfangen wurden.
Knapp 34 Kilometer zeigte meine Laufuhr an. Dieses Mal verlässlich, weil ohne eingeschaltete Autopause (und von Andreas V.s Uhr gegengecheckt). Das Durchschnittstempo war gemütlicher als sonst gewesen, enthielt aber auch nahezu sämtliche Foto- und Gehpausen. Nur längere Trinkpausen hatte ich „weggedrückt“.
Bald kam auch Eyyüp an, der netterweise inklusive Fahrrad von Aylin mit dem Auto gebracht wurde. Zum Glück ging es ihm inzwischen wieder besser.
Nachdem ich meine Sachen gewaschen und zum Trocknen in den Hof gehängt hatte…
… kam schon bald „Pizzabote“Andreas V. um die Ecke! Um uns drei vor dem sicheren Verhungern zu bewahren, war er nach der Etappe direkt weiter zu einem 4 km entfernt gelegenen italienischen Restaurant gefahren. Die gute Tat des Tages!
Während der Ort nicht weit entfernt beim Schlager-Open-Air feierte, verbrachten wir einen netten Abend bei Pizza, alkoholfreiem Bier und netten Gesprächen im Hof, bevor es dann zur wohlverdienten Ruhe ging.