Oft sind die spontanen Ideen die schönsten: Am Samstagmorgen schlugen Monika und Klaus vor, man könne doch mal von Pankow entlang der Panke bis zu uns nach Marienfelde laufen – und keine 24 Stunden später, am Sonntag den 25.10., starteten wir zu viert im Bürgerpark Pankow Richtung Süden…
Vorbei am Denkmal für den tschechischen Schriftsteller und Widerstandskämpfer Julius Fucik („Menschen, ich hatte Euch lieb, seid wachsam!“ wird er, in Stein gehauen, zitiert) liefen wir die ersten Meter durch den herbstlichen Park.
Die Bienen machten blau…
… während wir uns erst etwas orientieren mussten, um den Weg entlang der Panke zu finden.
Im 19. Jahrhundert bewohnten hauptsächlich Handwerker, Müller und Gerber die Ufer der Panke. Wenn man den Berichten Glauben schenken darf, verwendeten allein die Gerber im Weddinger Abschnitt täglich 500 Eimer Hundekot – was dem Flüsschen den Beinamen Stinke-Panke einbrachte.
Wo die Panke durch den Wedding rinnt, hält sich die Nase Mann, Frau und Kind.“
Berliner Spruch aus der Zeit
Und die legendäre Claire Waldoff sang damals:
Und steh’ am Ufer ich der Panke,
Möcht jleich ich wieder Leine ziehn:
Bei dem Jestanke. Na, ick danke.
Ne dufte Stadt ist mein Berlin“
Von all dem ist aber heutzutage nichts mehr zu riechen und zu hören. Im Gegenteil: Die Panke ist ein wirklich idyllisches Flüsschen…
… und wir genossen die Strecke und die Atmosphäre von Anfang an.
Anscheinend folgten wir entlang der Panke auch einem offiziellen Weg, denn hin und wieder war ein „5“ ausgeschildert.
Wir liefen und guckten (Zitat Klaus: „Das ist doch wie Urlaub!“).
Zu den vielen Lauben, die wir an der Panke sahen, passt das alte Lied von Fredy Sieg, das ich nachträglich gefunden habe:
Janz draußen an der Panke
Hab ich mein kleenes Haus
Davor steht eene Banke
Da ruh ich abends aus.“
Der nächste Abschnitt entlang der Panke trug den Namen „Walter-Nicklitz-Promenade“. Walter Nicklitz (1911-1989) war ein SPD-Politiker, der zeitweise als stellvertretender Bürgermeister Berlins amtierte und mehrfach für seine Verdienste um die Stadt geehrt wurde.
„Punk macht gesund“ fand ich lustig. Punk und Panke übrigens auch ;-)
Bald liefen wir auf die ehemalige Panke-Insel zu. Vorbei an beeindruckenden Backstein-Fabrikhallen, in denen sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts Deutschlands größte Tresorfabrik befand…
… an die auch eine alte Werbeschrift am Giebel eines alten Mietshauses erinnert, das damals für deren Arbeiter und Angestellte gebaut wurde.
„Hallo, Umwelt“ – ohne Worte!
Im Vorbeilaufen fragten wir uns, was das für ein Gebäude sein mochte, von dem wir gerade die Rückseite sahen. Erst im Nachhinein erfuhr ich, dass es das imposante Amtsgericht Wedding war.
Immer wieder gab es schöne Details zu sehen…
Andreas V. war sich sicher, dass hier in der Nähe auch das Geburtshaus von Harald Juhnke steht (und Recht hatte er!).
Das hier war es sicher nicht. Aber trotzdem schön.
Ohne es zu wissen, liefen wir auch am Gedenkstein für den Blutmai vorbei. Kaum zu glauben, dass parallel zu unserem schönen Laufweg, in der Kösliner Straße, am 1. Mai 1929 Straßenschlachten tobten, die mindestens 19 zivile Todesopfer forderten. Dieses Gebiet war damals eine kommunistische Hochburg, die den Bezirks-Beinamen „Roter Wedding“ prägte.
Bald führte uns unsere Strecke vorbei am Kulturzentrum Panke e.V.
Das Schild habe ich erst im „Rückblick“ gesehen, sonst hätte ich mir natürlich mehr Mühe gegeben, die Laufschuhe sanft aufzusetzen ;-)
Wir hatten nun die Pankemündung erreicht, an der das Abspannwerk Scharnhorst – ein Baudenkmal von 1929 – steht. Ursprünglich saß hier in einem Glasturm auf dem Dach ein Wärter, der zu entscheiden hatte, wann die Berliner Straßenbeleuchtung ein- und auszuschalten war.
Nun hatten wir die Panke hinter uns gelassen und liefen auf den Hauptbahnhof zu.
Ziemlich absurd, wie der ehemalige DDR-Wachturm „Kieler Eck“ nun umringt von Neubauten am Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanal steht. Inzwischen ist er eine Gedenkstätte zur Erinnerung an den ersten Mauertoten Günter Litfin.
Auf der Promenade am Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanal…
… führte uns unser Weg durch das Areal des Invalidenfriedhofs.
Hier stehen noch Reste der Berliner Mauer („Hinterlandmauer“) und Infotafeln mit historischen Presseartikeln zum Tod von Günter Litfin und des DDR-Grenzsoldaten Peter Göring.
Der sanftmütige Engel auf dem Foto wacht über die Grabstätte des preußischen Generals und Kriegsministers Julius von Verdy du Vernois.
Zwischen den sich im ewig gleichen Muster wiederholenden Fenstern der Neubauten am Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanal zeigte sich kurz ein wenig Farbe im Hintergrund.
Wir waren nun an der Invalidenstraße angelangt…
… und liefen vorbei am Hauptbahnhof zur Spree.
Auch hier etliche Neubauten, aber zumindest das Futurium sah spannend aus.
Wir kreuzten den ehemaligen Verlauf der Berliner Mauer…
… und standen für eine kleine Pause an der Spree, mit Blick auf das Regierungsviertel.
Noch ein kurzer Blick zurück auf den Hauptbahnhof und den futuristischen „Cube“…
… und dann ging es über die Kronprinzenbrücke…
… direkt hinein ins „Zentrum der Macht“. Hier gab es eine tolle Gegenlichtstimmung an der Spree zu bewundern, als wir das Paul-Löbe-Haus – in dem Bundestagsabgeordnete und Ausschüsse ihre ungefähr 1.000 Büros haben – an der Uferseite passierten.
Noch ein fixes Selbstporträt vor der „Lampenladen“ genannten Kantine des Hauses und dann gleich schnell weiter, wieder die anderen einholen.
Die obligatorische weggeworfene Corona-Maske, zu sehen fast bei jedem Lauf in diesem Jahr – dieses Mal mit Blick auf die Spree und das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, das ebenfalls zum „Band des Bundes“ gehört.
Derweil entdeckten die anderen drei einen den meisten Berlinern unbekannten Gedenkort an der hinteren Ecke des Reichstags: Ein kleines Stück Ziegelmauer, das zur Mauer der Danziger Werft gehörte, die Arbeiterführer Lech Walesa im August 1980 überkletterte, um den Streik zu organisieren, der zur Gründung der Gewerkschaft „Solidarnosc“ führte.
Vom Reichstag…
… zum Brandenburger Tor…
… vorbei am Denkmal für die ermordeten Juden Europas…
… und der Vertretung des Landes Niedersachsen beim Bund…
… liefen wir zum Potsdamer Platz. Kaum etwas los hier am frühen Sonntagmorgen.
An einem Ampelmast entdeckte ich diesen Hinweis auf den Jakobsweg.
Die ersten Bauten inklusive der Rutschbahn für den Weihnachtsmarkt auf dem Potsdamer Platz standen schon.
Auf dem Boden entdeckte ich eine Illustration, die mit #freedombelarus beschriftet war.
Vom Potsdamer Platz ging es über den Landwehrkanal und in den Park am Gleisdreieck (Westpark).
Nach Überquerung der Yorckstraße liefen wir auf der südlichen Seite vorbei an Skulpturen des Bildhauers Horst Antes …
… und – wieder mal – Neubauten.
Wir folgten der Schöneberger Schleife entlang der S-Bahn-Strecke…
… bis zum Bahnhof Südkreuz.
Kurz darauf ein Banner am Wegesrand: Wir waren tatsächlich noch auf dem Jakobsweg!
Aber im Hans-Baluschek-Park, den wir nun durchliefen, gab es auch wieder Hinweise auf den Weg Nr. 5! Wie sich nachher herausstellte, ist dies einer der 20 grünen Hauptwege durch Berlin, dem wir, ohne es zu wissen, von Pankow bis hierher gefolgt waren.
Alle Wege führen nach Rom… oder Santiago de Compostela… oder Marienfelde.
Am S-Bahnhof Priesterweg trennten wir uns. Monika und Andreas V. hatten genug Kilometer in den Beinen und nahmen die Bahn, während Klaus und ich weiter liefen. Auf dem Wohnmobil steht oben übrigens in Spiegelschrift „Ukulelenprediger“. Sachen gibt’s!
Kaum zu fassen: Wir waren eine unscheinbare Verbindungsstraße zum Steglitzer Damm gelaufen – und befanden uns immer noch auf auf dem Grünen Hauptweg Nr. 5!
Vorbei an der wegen eines Wasserrohrbruchs gesperrten Attilastraße…
… liefen wir zum Teltowkanal und überquerten ihn auf dem Mariendorfer-Hafen-Steg.
Ein kurzer Blick auf die Teubertbrücke…
… und – das konnte doch nicht wahr sein! – wir waren immer noch auf dem Weg Nr. 5!
Vom uns völlig unbekannten Pankow bis zu diesem Trampelpfad zwischen Solarfeld und S-Bahn-Trasse – laut Karte der Mariendorfer-Hafen-Weg – waren wir die ganze Zeit ahnungslos auf der „5“ gelaufen!
Jetzt waren wir wirklich fast zuhause! Noch kurz am Gasometer Mariendorf vorbei…
… durch ein paar kleine Straßen bis auf die Großbeerenstraße mit Finish am S-Bahnhof Marienfelde, wo wir in der Frühe mit der Bahn nach Pankow gestartet waren. Eine tolle Aktion – wir waren 20 Kilometer von Nord nach Süd durch Berlin gelaufen und hatten enorm viel dabei gesehen!