Die Himmelsscheibe von Nebra als Medaille wollte ich bereits im letzten Jahr erlaufen, aber da war ja in letzter Minute eine Unwetterwarnung dazwischen gekommen. Netterweise wurde uns deshalb von den Veranstaltern für dieses Jahr ein Freistart gutgeschrieben. Und es hat sich gelohnt – was für ein schöner Lauftag!
Klaus, Julius und ich waren bereits früh in Berlin gestartet und kamen um kurz nach 9 Uhr am altehrwürdigen Rathaus von Laucha an der Unstrut an. Startnummern abholen, umziehen und der obligatorische Toilettengang… fertig waren wir.
Für den Halbmarathon von Laucha nach Wangen zur Arche Nebra waren nicht einmal dreihundert Läuferinnen und Läufer gemeldet. Es war also ein überschaubares Grüppchen, das mit uns in der bereits um 10 Uhr recht warmen Sonne auf den Startschuss wartete.
Der Schuss fiel und los ging es! Klaus und Julius setzten sich gleich wie besprochen nach vorne ab…
… und waren bereits nach den ersten paar hundert Metern nicht mehr zu sehen. Ich war etwas ruhiger unterwegs, hoffte aber insgeheim – trotz warmen Wetters und hügeliger Strecke – auf eine Zeit knapp unter 1:50 h.
Schnell waren wir aus der Ortschaft heraus und mitten in der Landschaft, die sich in sattem Grün vor uns ausbreitete.
Kurzzeitig liefen wir noch durch ein weiteres Örtchen, bei dem man gleich eine Ahnung davon bekam, dass es hier nicht so angenehm flach wie im heimischen Berlin werden würde.
Schon bald zog sich das Läuferfeld auseinander, man hatte Platz und freien Blick auf die Natur.
Ich war anfangs zu schnell gestartet – knapp unter einem 5er-Schnitt – und versuchte nun, von der Starteuphorie herunterzukommen und so ruhig zu laufen, wie ich es mir vorgenommen hatte.
Eine idyllische Passage folgte auf die nächste, und ich ließ meine Beine einfach ihren Job machen und genoss die Landschaft. Selbstverständlich hielt ich auch viele Eindrücke in Fotos fest (am Ende hatte ich über 100 Mal auf den Auslöser gedrückt).
Die Sonne schien bei ca. 20 Grad im Schatten immer noch kräftig. Umso mehr wunderte ich mich, als ich einen Läufer komplett „in lang und schwarz“ vor mir entdeckte.
Ich laufe bei Wettkämpfen meist das hintere Ende der Verpflegungsstände an. Hier waren die Tische mit den Getränken aber so kurz, dass ich fast ins Leere griff, so schnell war ich daran vorbei. Aber die Helfer waren auf jeden Fall freundlich wie immer!
Mir ging durch den Kopf, dass es zwar im Vergleich mit dem Potsdam-Halbmarathon an diesem Tag nicht ganz so heiß war, aber dafür gab es hier auch keine Anwohner mit erfrischenden Gartenschläuchen, und schattige Passagen waren offensichtlich auch wesentlich seltener. Mmh, ob ich mich da nicht mit meinen Zielzeit-Erwartungen verkalkuliert hatte?
Wir waren inzwischen ungefähr bei Kilometer 8 und liefen weit auseinandergezogen eine breite Asphaltstraße bis zum Horizont.
Ein Läufer neben mir hatte einen Trinkrucksack dabei, und das Plätschern des auf- und abhüpfenden Wassers war – neben unseren leisen Schritten auf der Straße – das einzige Geräusch weit und breit.
Wir kamen jetzt nach Karsdorf, wo sich Hühner und Ziegen kein bisschen von uns stören ließen und ein Mann seinen Nachbarinnen lachend „Die wollen alle in den Himmel!“ zurief. Schon verstanden. Von wegen Himmelswegelauf und so.
Ansonsten ließen sich die wenigen Einheimischen aber kaum vom kleinen Läufer-Tross aus der Ruhe bringen.
Kurz darauf liefen wir auf die Unstruttalbrücke zu, die auf fast 2.700 Metern das Tal durchschneidet und die zweitlängste Eisenbahnbrücke Deutschlands ist.
In Reinsdorf kamen wir an einem Weingut vorbei, vor dem uns eine Frau mit zwei kleinen begeisterten Kindern Beifall klatschte. Eine willkommene Abwechslung, da das Läuferfeld immer lichter wurde und man sonst kaum einen Menschen sah.
Durch eine enge Gasse lief ich nun auf Streckenhelfer zu, die mich und alle anderen in einem kleinen Zickzack auf die weitere Strecke leiteten.
Mittlerweile zeigte sich der Himmel immer mal wieder bewölkt, was das Laufen deutlich angenehmer machte.
Bereits seit einiger Zeit war ich auf gleicher Höhe mit einem „Mann in Gelb“ gelaufen. Wir wechselten uns mehrmals ab, und bei der Kirche Reinsdorf überholte er mich mal wieder am Getränkestand.
Aber kurz nachdem wir von einer kleinen Brücke einen weiten Blick über die Unstrut genießen konnten, war ich dann endgültig an ihm vorbei (wenn ich es richtig gesehen habe, wurde er später 3. der M60).
Nun durchliefen wir Nebra und endlich ging es mal wieder leicht bergab. Ich nutzte den Schwung und überholte eine Läuferin, die schon eine längere Zeit lang rosa vor mir hergeleuchtet hatte.
Der Abstand auf den nächsten Läufer (in Orange und Neongelb) wurde dann aber nur sehr langsam geringer.
Immerhin, ich kam näher, und beim nächsten Verpflegungsstand hatte ich ihn sowie einen weiteren Läufer in Schwarz fast eingeholt. Sie liefen aber flott wieder weiter, während ich erst noch „nachtankte“.
Es folgte ein sehr langer gerader Abschnitt zwischen Feldern. Die beiden schienen unheimlich weit vor mir zu laufen. Aber Wunder, oh Wunder: Irgendwann war ich dann doch an den beiden vorbei!
Die Strecke verlief nun direkt an der Unstrut…
… und ich hatte immer noch so viel Kraft, dass ich fröhlich zwei Kajakfahrern zuwinkte.
Im Örtchen Wangen traute ich meinen Augen nicht: Da lief doch plötzlich Julius direkt vor mir! Ich rief ihm etwas Aufmunterndes zu und zog vorbei, denn das Ziel konnte nicht mehr weit sein.
Mit der Fröhlichkeit war es dann aber schlagartig vorbei, als ich um die allerletzte Ecke bog: Vor mir zog sich die löcherige Läuferkette eine schier endlose starke Steigung hinauf! Ich hatte auf den Kilometern 17-20 stetig leicht das Tempo angezogen und wollte natürlich auch den letzten Kilometer flott durchlaufen, aber das hier sah nicht nach „Rennstrecke“ aus…
Tapfer versuchte ich, das Tempo zumindest ansatzweise zu halten, musste sogar ein wenig über die auf den Asphalt gesprühten Motivationssprüche lächeln.
Als ich aber merkte, dass die Steigung kein Ende nehmen wollte, reduzierte ich mein Lauftempo noch einmal deutlich. Vom Straßenrand kamen aufmunternde Zurufe der Zuschauer, aber irgendwann half auch das nichts mehr – mein Puls erreichte bedenkliche Höhen, und ich legte eine kleine Gehpause ein. Meine Uhr zeigte mir an, dass ich es sogar mit einer Mini-Gehpause noch knapp unter die erhofften 1:50 h würde schaffen können, und so raffte ich mich noch einmal auf und schleppte mich die letzten Meter ins Ziel!
1:49:53 zeigte meine Laufuhr an, als ich sie kurz nach dem Zieleinlauf stoppte, und auch die offizielle Veranstalter-Uhr war irgendwo bei 1:49+x gewesen als ich durchlief. Warum aber auf der Urkunde später dann eine 1:50:04 stand, bleibt ein Geheimnis der modernen Zeitmessung.
Kurz nach mir kam dann Julius ins Ziel – auch er noch unter den 1:50 h, wie man auf dem Foto in großen Digitalziffern sieht.
Wie sich herausstellen sollte, war Klaus nicht mal eine Minute vor mir angekommen. Meine beiden Mitstreiter hatten nach ihrem flotten Start bis km 18 gut durchgezogen, bevor ein wenig die Luft raus war und sie etwas rausnehmen mussten. Klaus und ich belegten immerhin Platz 50 und 53 von 200 Männern, ein Ergebnis, das sich durchaus sehen lassen kann.
Zur Belohnung gab es dann sogar Pfannkuchen (als geborener Norddeutscher sage ich mal „Berliner“) für die Läuferinnen und Läufer.
Das Gebäude der Arche Nebra – dem Dokumentationszentrum nicht weit vom Fundort der Himmelsscheibe – ragte imposant in den blauen Himmel…
… und die Läufer ließen es sich auf der Wiese nebenan gut gehen. Wir verbrachten eine ganze Weile dort, da wir noch auf die Siegerehrung warten mussten, und genossen die Sonne und die entspannte Atmosphäre.
Julius war nämlich mangels Konkurrenz Erster in seiner Altersklasse geworden! Aber er ist – fast ohne lange Trainingsläufe – in seinem zweiten Halbmarathon bereits so schnell gelaufen, dass er zweifellos ohnehin auf’s Treppchen gekommen wäre. Glückwunsch, und weiter so!
Nach der Siegerehrung machten wir uns dann auf den Heimweg und ich staunte noch einmal über die lange Steigung, die wir hatten hochlaufen müssen. Im Ranking der gemeinsten Zielkilometer bei mir nun auf Platz 1 ;-)
Mal abgesehen von den Diskrepanzen bei der Zielzeitmessung/Urkundenangabe erstaunte mich im Nachhinein noch, dass Lausitz-Timing den Halbmarathon in den vorläufigen Ergebnislisten mit „21,6 km-Lauf“ benannt hatte. Meine Uhr zeigte ziemlich genau die Halbmarathon-Distanz.
Einen negativen Split habe ich dieses Mal nicht ganz geschafft, aber das ist auch nicht weiter verwunderlich bei dem Streckenprofil mit der starken Schlusssteigung. Die zweite Hälfte war aber nur 35 Sekunden langsamer als die erste, das verbuche ich mal als „sauber und gleichmäßig durchgelaufen“.
Alles in allem trotz der langen Anreise eine schöne kleine Laufveranstaltung, die sich absolut gelohnt hat. Wir drei haben sogar eine Art Urlaubstag daraus gemacht, denn nach dem fast zweistündigen Sonnenbaden auf der Wiese haben wir noch in Freyburg bei der Winzervereinigung vorbeigeschaut und bei einem weiteren Zwischenhalt frische Erdbeeren direkt vom Feld gekauft. Den Fast-Food-Stop zum Füllen der Speicher erwähne ich lieber nur am Rande – ist ja ein Sport-Blog hier ;-)
PS: Ein großer Dank geht an Klaus, der uns für weniger als zwei Stunden Laufen mehr als vier Stunden mit dem Auto gefahren hat!
PPS: Schade, Andreas V., dass du nicht dabei sein konntest! Aber Julius hat dich würdig vertreten. Und nächstes Mal bist du wieder dabei, denn diese Strecke müssen wir dir unbedingt noch zeigen…
Ein schöner Berich mit ganz schön vielen Bildern für die schnelle Zeit. Letztes Jahr war ich auch da – bei einigen Grad mehr auf der langen Strecke.
http://19joerg61.blogspot.com/2015/06/himmelswegelauf-nur-gut-dass-es-nicht.html
@Jörg
Na, das kann ich mir sehr gut vorstellen, wie sich das anfühlt, bei den Temperaturen des letzten Jahres dort unter der prallen Sonne durch die weite Landschaft zu laufen! Und das auf der Marathon-Distanz… Respekt!
Ein sehr schöner Bericht. Schade das wir uns verpasst haben, ich bin die Marathon Distanz gelaufen. Da hast du meine alte Heimat Freyburg besucht und ich war nicht weit weg von der Winzervereinigung . Das nächste mal müssen wir uns vorher absprechen.
@Daniel
Mensch, das gibt es doch nicht! Schade, dass wir nicht daran gedacht haben, dass wir uns da hätten treffen können! Na, dafür sehen wir uns ja in Kürze im Harz und können dann etwas über den Himmelswegelauf plaudern…
Ein toller Beitrag und schon für die Medaille lohnt vermutlich der Weg! Wirklich sehr schön. Aber den Zielkilometer muss man sicher auch erst einmal verdauen.
Sieht nach einem tollen Landschafts-Halbmarathon aus. Finde ich immer klasse. Nächstes Jahr dann für mich aber mal Potsdam, wenn sich das nicht wieder mit etwas überschneidet.
@Din
Ja, so ein schöner Landschafts-Halbmarathon hat schon was! Und auch Potsdam kann ich empfehlen – weiß aber, wie das mit den Terminen ist: Irgendetwas (anderes) ist immer ;-)
Danke für den schönen Bericht! Über den Lauf habe ich vor Jahren mal etwas gelesen und fand ihn sehr verlockend… jetzt, mit Deinen Bildern, sogar noch umso mehr!
Gute Erholung!
Viele Grüße,
Claudi
@Claudi
Na, dann sehen wir uns ja vielleicht einmal dort ;-) Die Strecke ist auf jeden Fall sehr schön!
Eine echt schöne Landschaft und noch schönere Medaille, klingt sehr verlockend für eine Teilnahme nächstes Jahr, danke für den Tipp!
@Oliver
Das freut mich, ich wünsche dir viel Spaß im nächsten Jahr, und hoffe, dass dir das Event genauso gut gefällt wie mir!
Lieber Andreas,
danke für den ausfürhlichen Bericht und die vielen optischen Eindrücke. Ich liebäugele ja schon länger mit diesem Lauf, allein schon die wunderschöne Medaille…
Wie war die Beschilderung unterwegsß Ich hatte schon hier und da gelesen, dass die nicht immer eindeutig sei und Verlaufgefahr bestünde.
Liebe Grüße
Elke
@Elke
Die „Beschilderung“ bestand aus km-Angaben, die auf den Asphalt gesprüht waren (und auch nicht immer stimmten). Eine Beschilderung im Sinne von Wegweiser gab es nicht, aber an den entscheidenden Stelle standen eigentlich immer Helfer, die die richtige Richtung anzeigten. Außerdem war ja fast immer ein Läufer in Sichtweite vor einem.
Wenn du allerdings Spitzenläuferin bist und das Feld anführst – und nicht ortskundig bist – stelle ich es mir schwierig vor ;-)
Ansonsten, unbedingt mal machen den Lauf!