Das konnte ja in jeder Hinsicht spannend werden: Am Vortag hatte ich den Freitagslauf mit Andreas IV, Hartmut und Eyyüp frühzeitig abkürzen müssen, da mein Oberschenkel wieder Probleme gemacht hatte. Und nun war ich in Bremen und wollte keinesfalls auf den schon lange zuvor geplanten Sightseeing-Lauf durch die neue Überseestadt verzichten. 17 Kilometer mit lädierter Muskulatur? Wie sollte das funktionieren? Na, erstmal loslaufen – umdrehen und nach Hause spazieren konnte ich ja immer noch…
Um Viertel nach sechs startete ich und lief kurz darauf bei einem schönen Sonnenaufgang über die Wilhelm-Kaisen-Brücke.
An der Schlachte erzeugten viele Lichter und ihre Spiegelungen im Wasser eine schöne Atmosphäre.
Ich kam an der Martinikirche vorbei…
… machte Fotos von stimmungsvoll beleuchteten Anlegern…
… und entdeckte über mir den „Rufer“ von Gerhard Marcks, von dem ja eine Kopie auch in Berlin an der Straße des 17. Juni steht.
Nach der St.-Stephani-Kirche…
… wurde es dann aber etwas eintöniger auf der Promenade.
Schließlich kam ich auf einem weiten Brach- und Bauland an und musste mich erst etwas orientieren, um meine geplante Laufstrecke zu finden.
Am verlassenen Tor 2 kam ich auf das ehemalige Kellogg’s-Gelände.
2017 wurde an diesem Standort die Produktion von Frühstücksflocken nach über 50 Jahren eingestellt. Seitdem entsteht hier auf der Überseeinsel ein Teil des neuen Stadtteils Überseestadt.
Kleine und große Firmen nutzen die alten Gebäude, …
… aber auch eine Grundschule ist in ein ehemaliges Verwaltungsgebäude eingezogen.
Ich lief an enormen Hallen vorbei…
… und machte dabei so manche Entdeckung.
Schließlich kam ich im Europahafen an. Der ehemalige Freihafen wird inzwischen als Marina genutzt, umgeben von vielen Neubauten ringsum.
Auf mich wirkte die Promenade recht trostlos, aber vielleicht sieht das im Sommer anders aus. Gute Laune machte mir dagegen mein Oberschenkel – er hielt bis jetzt ganz gut durch und machte keine Probleme. Aber ich war natürlich auch langsam unterwegs und er konnte bei den zahlreichen Fotostopps immer wieder entspannen.
Jedes einzelne der neuen Wohngebäude entlang der Promenade mag für sich modern und interessant aussehen. Aber alles zusammen war mir zuviel. Warum musste ich plötzlich im kalten Bremen an Brasília denken…?
Es gab zwar einige interessante Details…
… aber hauptsächlich bestimmten unendliche Weiten das Bild. Immer weiter lief ich die Promenade entlang…
… sah am anderen Ufer den „Schuppen 6“ auf der Überseeinsel…
… und gelangte schließlich über eine Rampe zum Landmark-Tower.
Nach einem kleinen Zick-Zack-Schlenk ging es dann aber weiter auf der Überseepromenade dem Horizont entgegen.
Auch hier wieder neue Wohngebäude zwischen die sich ein Farbklecks in Form einer blauen Boje verirrt hatte.
Am Ende der Promenade noch etwas Brachland und ein Blick auf das Wasser ringsum…
… und dann war ich auch schon am ersten Zielpunkt meines Sightseeing-Laufs angekommen…
… dem Molenturm.
Jetzt konnte ich ein wenig verschnaufen, ein paar schöne Sonnenaufgangs-Impressionen einfangen…
… und den weiten Blick auf die Weser und die angrenzenden Häfen genießen.
Der Molenturm mit seinen groben Steinen und den grün lackierten Eisengeländern ist wirklich ein Schmuckstück.
Nach dieser kurzen Sightseeing-Pause machte ich mich auf meinen weiteren Weg. Zuerst lief ich wieder auf der Promenade zurück, bis ich dann beim Überseepark links abbog. Hier gab es neue Spielplätze und alte Fahrräder zu sehen.
Kurz darauf kam ich an einem riesigen historischen Speichergebäude vorbei, dem Speicher XI, mit über 400 Metern das zweitlängste Gebäude Bremens.
Nach der Sanierung zogen hier neue Mieter ein, u.a. die Hochschule für Künste Bremen. Durch eine offene Glastür…
… kam ich auf die andere Seite…
… und konnte historische Details…
… und die Architektur bewundern.
Solche Dinge zu entdecken und zu fotografieren…
… macht mir große Freude…
… und ich vergesse dabei oft die Zeit und dass ich ja eigentlich auf einem Lauf bin.
Aber dann konnte ich mich doch losreißen und den Speicher XI hinter mich lassen.
Die nächste Sightseeing-Station wartete schon: Ich lief nun weiter zum Holzhafen. Mit historischem Zollamt…
… und Hafen-Casino direkt gegenüber.
Grünkohl ist ja lecker, aber um diese Uhrzeit am frühen Morgen?
Backstein-Architektur mit Bremer Schlüssel…
… am Kopfende eines Hafens – da geht dem Bremer das Herz auf.
Von der alten Feuerwache 5, in der jetzt ein Restaurant beheimatet ist, startete ich nun meinen Abstecher in den Holzhafen.
Die Rolandmühle ist bekannt. Nicht nur für die dort hergestellten Mehlprodukte, sondern auch für die gewaltigste Mehlstaubexplosion der deutschen Geschichte im Februar 1979.
An Abfüllanlagen vorbei, die mich irgendwie an Star Wars erinnerten…
… gelangte ich immer weiter in den Hafen. Im Gegensatz zum touristisch genutzten Europahafen war ich hier allerdings auf aktivem Hafengelände. Irgendwann kamen unweigerlich Schilder, die den Zutritt für Fußgänger verboten.
Nach ein paar Fotos…
… machte ich mich also auf den Weg zurück. Ich hatte als Sightseeing-Punkt das HAG-Gebäude eingeplant, das ich nun nicht von der Hafenseite erreichen konnte.
Aber man konnte auch außen herum laufen. Und dabei solche Kuriositäten wie hier auf dem Foto entdecken: So sieht bei einem großen Bremer Unternehmen der Empfangsbereich für Besucher aus!
Ich will mal auch nicht hoffen, dass die Besucher:innen dann in diesem Gästehaus übernachten müssen.
Die Beschriftung für den Hansakai A wartete mit ungewöhnlichen und nicht ganz korrekten An- und Abführungszeichen auf.
Nun hatte ich das HAG-Gebäude erreicht. Auf diesem Areal wird seit über 100 Jahren Kaffee hergestellt und geröstet, zuerst vom Erfinder des entkoffeinierten Kaffees Kaffee HAG und dann von der Kaffeerösterei Lloyd Caffee.
Durch einen unbesetzten Pförtnerbereich kam ich neugierig weiter.
Das ehemalige Kaba-Werk – was für ein tolles altes Fabrikgebäude! Da wurden Kindheitserinnerungen wach an „Kaba – Der Plantagentrank“.
Das Hauptgebäude war eingerüstet und wird offensichtlich gerade aufgehübscht.
Die Illustration auf dem Schild brachte so einiges Bremen-typisches zusammen: Schiff, Kapitän und Kaffee. Der Slogan dazu hatte aber wiederum gar nichts mit der Abbildung zu tun.
So, jetzt hatte ich meine Hafentour abgeschlossen, nun wieder zurück. Und zwar auf kürzestem Wege, denn wer weiß, wie lange der Oberschenkel noch mitmachen würde.
Zwischendurch noch ein paar Impressionen festgehalten, wie hier vom HafenRevueTheater…
… oder einem goldgeränderten runden Bürogebäude…
… oder dem „Schuppen Eins“.
Dazu noch das Selbstbildnis „Neon Läufer mit lila Kuh“.
Einen kleinen Abstecher zum ehemaligen Zollamt Bremen-Überseehafen, in dem jetzt die „Zollkantine“ beheimatet ist, machte ich noch.
Nun aber nach Hause!
Die Überseestadt hinter mich lassend…
… kam ich durch Büroareale…
… mit ein bisschen Kunst am Rande…
… wieder an die Schlachte. Hurra, Zielgerade!
Beim Blick auf den Boden der Promenade kamen spontan Erinnerungen hoch. Das charakteristische Fischgrätmuster aus hellen Backsteinen habe ich von Kilometer 34 meines Bremen-Marathons noch eindrücklich in Erinnerung.
Die zahlreichen Biergärten an der Schlachte waren zu dieser frühen Stunde noch leer…
… einzig bewacht von einem bayerischen Känguruh. Auf so eine Idee muss man – in Bremen! – erst einmal kommen.
Noch ein Blick über die Biergärten auf den gegenüberliegenden Teerhof…
… und ein allerletztes Selfie: Ahoi!
Und dann noch etwas flotter die letzten paar Kilometer bis an den Frühstückstisch. Geschafft! 17 Kilometer gelaufen, viel Neues gesehen und der Oberschenkel hat es überstanden.
Bravo
Hallo Andreas,
wie heute morgen versprochen, musste ich gleich Deinen Artikel sichten.
Echt toll, obwohl manchmal ein wenig “trostlos”, aber es gibt immer etwas zu entdecken.
An das Fischgrätmuster auf der Promenade kann ich mich auch noch erinnern, als ich dort vor 10 Jahren mal langlief. Die “Schlachte” ist einfach cool ;-)
Gruß
Andreas IV
Ja, es gab zwar viel auf der Tour zu entdecken, aber so eine richtig schöne Laufstrecke ist das tatsächlich nicht – mehr etwas für Entdecker ;-)
Schöne Grüße an beide Andreasse zurück!