Nach 34 km und 38 km stand mir auf dieser Etappe von Treuenbrietzen nach Lutherstadt Wittenberg der erste „echte“ Marathon bevor! Das Wetter sollte warm werden – wir starteten morgens um halb zehn bei immerhin schon 20 Grad – aber es ging ja nicht um einen Wettkampf, sondern ums Ankommen. Und bis dahin eben einfach laufen, laufen, laufen…
Wir verabschiedeten uns von Sabinchen, die vor Verlegenheit nicht wusste, wohin mit den Händen, …
… und machten uns auf in Richtung Santiago de Compostela.
Auch an diesem Tag legte ich den ersten Kilometer gehend zurück.
Andreas V. und Eyyüp wollten noch Leergut wegbringen, so dass ich mir Zeit ließ und Sightseeing-Fotos machte. Zum Beispiel vom Büttelstein (bis hierhin hat damals der Dorfpolizist Leute gebracht, die unerwünscht waren und nicht zurück in die Stadt durften)…
… von schönen Fachwerkhäusern…
… und der Kirche mit der 600 Jahre alten Lutherlinde.
Ich lief vorbei am Sabinchen-Denkmal mit Springbrunnen vor dem Rathaus…
… und am griechischen Restaurant, in dem wir den Abend zuvor gegessen hatten.
Bald hinter dem Heimatmuseum Treuenbrietzen stießen meine beiden Rad-Begleiter dann auch wieder zu mir.
Ich fühlte mich beim Laufen immer noch frühstücksträge, freute mich aber über all die Eindrücke am Straßenrand.
Au weia, meine armen Radfahrer! Jetzt wurde es richtig sandig, tiefsandig, strandsandig, fahren-ist-unmöglich-sandig. Laufen war natürlich auch anstrengend, aber auf einem Rad mit schwerem Gepäck fühlt sich so ein Weg noch frustrierender an.
Aber auch das hatten wir irgendwann geschafft und kamen nach Rietz rein.
Kein Mensch zu sehen, nur ein paar Kühe.
Und Schilder? Nee, die Jakobsmuschel war oft versteckt und zugewachsen. Müssen wir dem ollen Jakobus mal erzählen, wenn wir zurück sind.
Die Dorfkirche Rietz stand auch einsam im Gegenlicht.
Immerhin gab es manchmal etwas zu gucken…
… denn sobald man aus einem Dorf raus war, wurde es wieder sandig, trocken und menschenleer (also noch menschenleerer als im Dorf).
Erneut gab es kein Vorankommen mit dem Rad. Andreas V. gab dem Tag später das Motto „Die Spur des Sandes“.
Was die Stimmung dann auch nicht verbesserte: Ich stellte beim Blick auf die Handy-Ortung fest, dass wir falsch abgebogen waren. Umkehren? Nee, wir können ja auch geradeaus weiter und dann wieder nach rechts, um auf den Track zu kommen.
Das stellte sich aber als nicht so einfach heraus. Wir fanden uns auf einer breiten Waldschneise in purer Ödnis wieder – und vom Abzweig nach rechts war lange Zeit nichts zu sehen. Kurz bevor die beiden mich wirklich verfluchen konnten, tauchte endlich die kleine Schneise nach rechts auf…
… und nach ein bisschen Kleiner-Trampelpfad-mit-hohen-Gräsern, ging es dann zwischen Feldern flotter und besser gelaunt weiter.
In Dietersdorf mussten wir wegen einer Baustelle von der Hauptstraße zurück auf eine Seitenstraße ausweichen.
Zu Eyyüps Freude entdeckten wir hier, fernab jeglicher hanseatischer Atmosphäre, eine HSV-Flagge. Was aber nichts daran änderte, dass das Relegations-Rückspiel gegen Stuttgart am Abend leider auch verloren ging.
Ich lief und lief und lief…
… bis wir an einem Schwimmbad vorbei kamen. Wieder eine große Versuchung für den „Schwimmer“ Andreas V., aber es war geschlossen.
Überraschend trafen wir hier das Pilgerpaar aus unserer Unterkunft wieder. Sie waren aufgebrochen, als wir noch gemütlich beim Frühstück saßen – und immerhin schon so weit gekommen. Nach ein bisschen Fachsimpelei ging es weiter.
Nächstes Örtchen Schwabeck…
… welches selbstverständlich auch eine kleine Feldsteinkirche aus dem 14. Jahrhundert hatte.
Mohn am Feldrand, Windräder am Horizont – und wieder mal eine lange Landstraße.
Besonderes Ortsschild, besonderer Ort: Wir kamen nun nach Feldheim, in Deutschlands erstes und einziges energieautarkes Dorf!
Sehr interessant, sehr spannend, obwohl das Dorf ziemlich menschenleer wirkte. Für eine Führung waren wir leider am falschen Tag da, aber ich habe im Nachhinein einen sehr guten Bericht gefunden: Ein Dorf schafft die Klimawende. Da wundert man sich: Warum ist dieses Dorf energieautark seit 2010 – und nirgendwo in Deutschland gibt es seitdem etwas Vergleichbares?
Auch wir tankten Energie auf im Neue Energien Forum Feldheim, aber eher in Form von Wasser und Riegeln.
Die Stimmung war gut, und so konnte es erfrischt weiter gehen.
Laut Wetterstein schien die Sonne…
… aber das spürte ich auf den nächsten Kilometern auch so. Sie schien sogar ziemlich stark, wobei die 25 Grad Schattentemperatur auf dem Asphalt in der prallen Sonne bestimmt zu 35 Grad wurden.
Es war auf jeden Fall einer der anstrengendsten Abschnitte der gesamten Tour, denn ich musste nun kilometerweit und nahezu schattenlos über den Landstraßen-Asphalt auf den Horizont zulaufen.
Endlich kam Marzahna ins Blickfeld.
Die verlockende Eiswaffel-Werbung war aber eine Fata Morgana, denn es gab kein Café…
… und auch kein Einkaufszentrum…
… dafür kurz darauf ein altes (natürlich geschlossenes) Gasthaus…
… und die obligatorische, aber in diesem Fall auch sehr schöne Dorfkirche.
Aus dem Dorf hinaus und dann rechts…
… auf einen Betonplattenweg…
… der uns nach Wergzahna führte. Bei all den gemeinsamen Strapazen fiel Eyyüp der türkische Spruch „Anca beraber, kanca beraber.“ (etwa: Wir halten zusammen, durch dick und dünn) ein. Passt.
Noch eine kurze Rast…
… und dann erneut aus dem Dorf hinaus auf die Landstraße.
Landstraße soweit das Auge reichte. Einfach immer weiter laufen, das Ziel kommt mit jedem Schritt näher.
Die Bank mit dem Spruch „Mach mal Pause, anstatt kaputt!“ fanden wir lustig, hatten aber gerade keine Lust auf Pause. Aber wir machen ja auch nichts kaputt.
Rinder an einem Stall beobachteten uns…
… und ein Fuchs lief schnell quer über das weite Feld. Ich lief daran vorbei (weniger schnell).
Wir kamen beim Schloss Kropstädt an, das auch schon bessere Zeiten gesehen zu haben schien.
Über den baumumstandenen Wassergraben hinweg konnte man nur wenig vom Schloss erkennen.
Erst einmal eine erneute Ess- und Fotopause…
…inklusive Selfies im Team-Look.
Eigentlich hätte man sich auch setzen können, aber wir wollten weiter.
Hurra, endlich mal wieder Wald, noch dazu mit wunderschönem, fahrradtauglichen Weg. Es war auch viel angenehmer zu laufen, hier im (Halb-)Schatten.
Nächste Kirche in Sicht! Keine Ahnung, die wievielte auf unserer Reise die Dorfkirche Köpnick nun war, aber wir waren auch schnell wieder daran vorbei.
Tschüß, Birkenmann!
Die Frauenstatue am Wegesrand wollte uns eigentlich einen Korb geben, aber wir waren ohnehin zu voll beladen ;-)
Zwischendurch ein kleines Rätsel: Wie kommt die Angel in den Wald?
Sand, Sonne, Weite.
Auch bei Mochau lehnte ich es ab, mich auf die Bank zu setzen. Nein, danke, war doch nicht mehr weit.
Trotz zugewachsener Aufkleber fanden wir in mancher Zweifelssituation dann doch den Hinweis und den Weg.
Noch eine Kirche in Mochau…
… und jetzt nur noch einen Kilometer bis zum nächsten Ort. Andreas V. sorgte für Entertainment und machte Musik an. Ich trabte zu „Pump up the jam“ weiter.
Das Dorf- und Sportfest hatten wir wohl knapp verpasst, aber unsere Tour war ohnehin sportlich genug.
Bei Kilometer 36 war die Zeit für eine (kühle!) Cola gekommen, die mir Andreas V. direkt aus dem „Bord-Bistro“ reichte. Sie sorgten einfach perfekt für mich, meine zwei Begleiter.
Nach Thießen…
… zweigten wir zwischen die Felder ab – und vom Begleit-Fahrrad tönte in Anspielung auf unseren Start-Ort das Lied „Sabinchen war ein Frauenzimmer“, gefolgt von „We are the champions“ und – wie passend – „Another one bites the dust“
Über staubige, aber breite Wege verlief die Strecke nun…
… zur Berliner Chaussee, die wiederum direkt nach Wittenberg hinein und zu unserer Pension führen sollte.
In der Lutherstadt Wittenberg dreht sich alles, ihr habt es geahnt, um Luther. Entsprechend wird auch alljährlich „Luthers Hochzeit“ mit einem großen Stadtfest gefeiert.
Was für die Ameisen die Altonaer Chaussee, war für mich nun die Berliner Chaussee: Eine sehr sehr lange, mühsame Straße. Aber Fußweh hielt sich bei mir in Grenzen, und nicht weiter zu laufen, wäre jetzt auch blöd gewesen. Die letzten 3-4 Kilometer lief ich alleine, weil Andreas V. und Eyyüp noch Leergut wegbrachten.
Angekommen! Nach 6,5 Stunden auf den Beinen war ich fasziniert und überwältigt: Das hätte ich nicht gedacht, nach der Mini-Vorbereitung! Die Marathon-Etappe dieses Tages war eine wichtige Etappe gewesen, da am nächsten und übernächsten Tag kürzere „Erholungs-Etappen“ auf dem Plan standen. Schon lange vor dem Start des Berlin-Leipzig-Laufs hatte ich gedacht: „Wenn du diesen 3. Tag verletzungsfrei überstehst, dann kann das Ganze klappen.“ Und das Beste: Mir ging es prima! Etwas müde, aber prima!
Für mich gab es noch eine Ziel-Cola…
… und auch Eyyüp und Andreas V., die an diesem Tag so einiges mit mir durchgemacht hatten, hatten sich ihre Erfrischungen verdient.
Nun galt es wieder, alles (inkl. mir selbst) schnellstmöglich zu waschen und besonders die Beine zu versorgen: Wir hatten ein ganzes Sortiment an Mittelchen zur Kühlung dabei. Meist bestand meine „Nachsorge“ erst aus kaltem Wasser auf Knöchel und Waden beim Duschen und später am Abend dann aus einer Portion Pferdesalbe für die geplagte Muskulatur.
Aber der Tag war ja noch nicht zu Ende! Aylin war mit dem Auto gekommen, und zu viert machten wir ab 17:30 Uhr noch Sightseeing in der schönen Altstadt. Klar, dass sich dabei fast alles um Luther drehte. Nach einem gemütlichen Abendessen am Fuß der Stadtkirche (der Mutterkirche der Reformation), verabschiedeten wir uns dann von Aylin und Eyyüp, die den Heimweg antraten. Schön, dass Eyyüp mich nach seiner Wadenverletzung doch noch zwei Tage auf dem Rad begleitet hatte!
Kurz bevor ich dann abends ins Bett fiel, ging mir noch auf, wie viel ich eigentlich über den Tag verteilt getrunken hatte: 0,5 l Wasser vor dem Frühstück, 0,6 l (4 Gläser) O-Saft und 0,2 l Kaffee zum Frühstück, tagsüber 2 l Wasser aus dem Trink-Rucksack, dazu 2 x 0,33 l Cola und ca. 0,3 l Iso von Andreas V., während des Sightseeing-Spaziergangs noch 0,5 l Wasser, zum Abendessen 0,4 l Alster und in der Pension noch 2 x 0,5 l Sprite… das machte locker über 6 Liter!
Wieder ein Super-Laufbericht. Ich bin begeisttert.
Und wenn Du magst, kannst Du kommenden Freitagmorgen, das Lied „Sabinchen war ein Frauenzimmer“ singen, wenn wir durch Marienfelde laufen ;-)
Wenn wir laufen brauche ich meine Luft fürs Atmen, da bleibt nichts mehr fürs Singen ;-) Aber vielleicht gibt es ja noch eine kurze Zusammenfassung der Sabinchen-Geschichte…