Lauf-Blog für Läuferinnen und Läufer der F-Klasse

Krass, Alter! – Fakten gegen den Bestzeit-Blues

Veröffentlicht am 11.03.2019 | Kommentare deaktiviert für Krass, Alter! – Fakten gegen den Bestzeit-Blues

M80-Läufer

Wir schreiben das Jahr 2034 und soeben hat der inzwischen 50-jährige Eliud Kipchoge in Berlin seinen Marathon-Weltrekord von 2018 unterboten!

Unglaublich? Klar, aber warum denken dann so viele Läufer (es sind meist Männer), sie könnten mit steigendem Alter von Jahr zu Jahr immer neue Bestzeiten aufstellen? Es soll sogar Läufer geben, die frustriert das Laufen aufgeben, weil sie sich nicht mehr verbessern können. Aber gegen den Bestzeit-Blues gibt es ein Mittel: Die Altersleistungs-Rechner…

Welche Halbmarathon-Zeit ist im Alter noch „gut“?

Zuerst sei mal vorausgeschickt, dass auch ich an diesem „Problem“ zu knabbern habe: Klar, der Verstand sagt, dass ich altersbedingt nicht mehr so schnell laufen kann wie vor 10 Jahren, aber wenn man mal den Halbmarathon unter 1:40h gelaufen ist, was ist dann im Alter von 50+ noch „gut”? 1:45h oder 1:50h? Oder sollte man schon noch 1:42h laufen können?

Abfall der Ausdauerleistung im Alter

In einem Artikel zur altersabhängigen Leistungsfähigkeit wird erklärt, dass bei den über 24.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern eines 25-km-Wettkampfs die maximale Leistungsfähigkeit der Männer im Alter von 30 Jahren, bei den Frauen im Alter von 35 Jahren festgestellt wurde. 10 Jahre jünger oder älter machten dabei nur geringe Leistungsunterschiede aus (2-3%). Erst in den Altersklassen ab etwa 45 nahm die Ausdauerleistung immer deutlicher ab.

Altersleistungs-Rechner und Age Grading

Für die Berechnung der Leistung in unterschiedlichen Altersklassen wurden die Altersleistungs-Rechner entwickelt – oder das Age Grading, wie man es im Englischen bezeichnet. Entwickelt wurde das Age Grading von der WMA (World Masters Athletics). Auf Basis der Weltbestzeiten beider Geschlechter in allen Altersstufen und über alle Distanzen hinweg wurden Tabellen erstellt, die dann die Grundlage für die Berechnung der altersabhängigen Leistungsfähigkeit wurden.

Man gibt im Altersleistungs-Rechner das Alter, die Distanz und die erreichte Zielzeit ein, und diese Informationen werden dann in Beziehung zur Weltbestzeit für dieses Alter und die Distanz gesetzt. Heraus kommen der sogenannte „Altersindex“ (Age Grading Factor) in Prozent sowie die altersbereinigte Zeit.

Weltbestzeiten von 2015

Um die Rechner möglichst aussagekräftig zu machen, wurden die puren Daten von den Wissenschaftler zum Teil bearbeitet. So wurden z.B. manche „Ausreißer“ entfernt (siehe die Erläuterung zu den Tabellen) und die Tabellen nach ein paar Jahren auch aktualisiert. Wenn ihr also solche Rechner verwendet (am Ende des Artikels findet ihr Links zu einigen Altersleistungs-Rechnern), achtet darauf, auf welchem Stand sie berechnen. Die derzeit aktuellsten Werte sind von 2015.

Wie leistungsfähig ist der Vater im Vergleich zur Tochter?

Wozu das alles? Ganz einfach: Anhand der Berechnungen können nicht nur Leistungen völlig unterschiedlicher Altersklassen und auch der Geschlechter verglichen werden – ist der 50-jährige Vater vielleicht doch „besser“ als die eigentlich schnellere 20-jährige Tochter? – sondern auch die eines Läufers oder einer Läuferin in unterschiedlichen Lebensphasen. Oder man kann erkennen, über welche Distanz man die bisher beste Leistung erbracht hat, also z.B. seine Marathon-Bestzeit mit der 10-km-Bestzeit vergleichen (je höher der prozentuale Altersindex, desto besser).

Wobei man wie immer berücksichtigen muss, dass es schwierig ist, Zielzeiten zu vergleichen, wenn die Ergebnisse unter unterschiedlichen Bedingungen zustande kamen (Wind, Regen, profiliertes Gelände, etc.).

Auch die Lauferfahrung und der Trainingsaufwand spielen eine Rolle. Denn am Beginn einer „Laufkarriere“ – und man kann ja auch im fortgeschrittenen Alter von 50 oder 60 Jahren mit dem Laufen beginnen – sind über die ersten Jahre natürlich persönliche Steigerungen der Leistungsfähigkeit und somit neue absolute Bestzeiten möglich. Oder man steigert nach vielen Laufjahren das Trainingspensum, weil man es noch einmal wissen will. Auch dann ist  eine relative (oder gar absolute) Verbesserung im Alter möglich.

Ein persönliches Beispiel

Ich laufe schon seit fast 16 Jahren und das größtenteils mit durchaus ambitioniertem Training (4-5 Laufeinheiten die Woche). Es liegt mir aber völlig fern, diesen Aufwand noch zu steigern, nur um noch einmal eine Bestzeit zu laufen. Was also wäre eine Leistung, die einer früheren Bestzeit nahekommt, wenn man den Altersfaktor berücksichtigt?

Ein Beispiel: Meine beste Zeit über die 25-km-Distanz lief ich 2011. Zum ersten Mal unter 2 Stunden! Und mir war schon damals klar: So schnell würde ich wahrscheinlich nie wieder laufen… Mal sehen, was der Altersleistungs-Rechner dazu sagt:

2011
Distanz: 25 km
Alter: 45 Jahre
Zeit: 1:59:23 (ø 4:47 min/km)
Altersindex: 62,78%
Altersbereinigte Zeit: 1:51:37
2019 (Prognose)
Distanz: 25 km
Alter: 53 Jahre
Zeit: 2:07:55 (ø 5:07 min/km)
Altersindex: 62,78%
Altersbereinigte Zeit: 1:51:39

Die Zahlen für 2019 habe ich mit etwas probieren herausgefunden, indem ich neben dem Alter eine fiktive Zeit angegeben habe und diese so lange korrigiert habe, bis derselbe Altersindex und dieselbe altersbereinigte Zeit herauskam.

Bin ich Weltklasse?

Die WMA hat übrigens noch eine Wertung der Altersindex-Klassen veröffentlicht:

über 90 % Weltklasse
über 80 % Nationale Klasse
über 70 % Regionale Klasse
über 60 % Lokale Klasse

Wobei ich mich frage, wie man weltweite Bestzeiten in nationale, regionale, und lokale Einteilungen bringt. Da unterscheiden sich die Level zwischen z.B. Deutschland und Kenia doch gewaltig.

Fazit

Ich bin ziemlich begeistert von der Berechnung der altersabhängigen Leistungsfähigkeit, denn die Ergebnisse zeigen, dass ich zwar in absoluten Zeiten langsamer geworden bin, aber in Relation zum Alter noch halbwegs mit meinen Leistungen von damals mithalten kann. Das gibt Motivation für zukünftige Läufe! Und der Bestzeit-Blues hat sich ausgejammert…

PS: Außerdem habe ich erstaunt feststellen müssen, dass ich ausgerechnet auf den von mir so gar nicht gemochten „kurzen“ Distanzen von 10 km und 14,1 km (Drittelmarathon) die besten Leistungen (nach Altersindex) erzielt habe, während meine Marathon-Bestzeit deutlich negativ aus dem Rahmen fällt (Altersindex von 56,01% im Vergleich zu ca. 64-66% auf allen anderen Distanzen).

Altersleistungs-Rechner (Age-Grading Calculators)

WMA Road age-grading calculator 2015 (Howard Grubb, das Original)
Der WMA-Alterklassenrechner (Umrechnungsfaktoren 2015) (Uli Sauer)
Fairer Vergleich: Laufleistungs-Rechner (Runner’s World, basiert anscheinend auf den älteren Tabellen von 2010)
Altersleistungs-Rechner (Greif)

 

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