Nachdem ich von Freunden gehört hatte, dass auf der Berlin-Marathon-Messe auffällig viele Startunterlagen nicht abgeholt worden waren, habe ich in den offiziellen Ergebnislisten nachgesehen. Und siehe da: Die Platzierungen reichen bis 22.210 bei den Männern und 6.790 bei den Frauen, zusammen also exakt 29.000 gelistete Finisher…
Die Finisher-Zahl war trotz Rekordnachfrage so gering wie seit 2004 nicht mehr
Nachdem der Veranstalter im letzten Jahr stolz einen neuen Finisher-Rekord gemeldet hatte, war jetzt nach dem Berlin-Marathon 2014 nur noch von 40.004 angemeldeten Läuferinnen und Läufern die Rede, die Finisher-Zahlen fand man in der Nachberichterstattung nicht erwähnt. Kein Wunder, hat es doch seit 10 Jahren kein so schlechtes Ergebnis gegeben! Und das bei einer enormen Nachfrage im Vorfeld!
Da bestes Marathon-Wetter herrschte, ist auch nicht davon auszugehen, dass allzu viele gemeldete Läufer den Lauf angetreten, aber nicht beendet haben.
Wenn man mal die Zahlen aus meinem letzten Artikel „Berlin-Marathon – Wie viel Glück braucht man, um einen Startplatz zu bekommen?“ zusammenfasst:
ca. 40.000 Startplätze stehen insgesamt zur Verfügung*
ca. 32.000 Startplätze stehen über das Losverfahren zur Verfügung
ca. 75.000 Bewerber wurden für das Losverfahren registriert
Und am Ende sind nur 29.000 im Ziel?
Das heißt, bei sehr großzügiger Schätzung ausgehend von 1.000 Läufern, die möglicherweise angetreten und nicht ins Ziel gekommen sind, dass 10.000 Startplätze zur Verfügung gestanden hätten, wenn man nur ein vernünftiges Ummeldeverfahren gehabt hätte!
Ich finde, an dieser Stelle darf sich jeder, der beim Losverfahren kein Glück hatte, im Nachhinein noch einmal kräftig ärgern! Und beim Veranstalter nachfragen, ob nicht doch zukünftig mal über eine teilnehmerfreundliche Ummeldung nachgedacht werden könnte…
PS: Die Zahlen in der Grafik wurden der Website der WorldMarathonMajors und der Ergebnisliste des Berlin-Marathon 2014 entnommen (Stand: 04.10.2014). Im Nachhinein habe ich gesehen, dass man die Zahlen viel einfacher auch bei Wikipedia finden kann.
*Für den Berlin-Marathon 2013 meldete der Veranstalter sogar 41.120 angemeldete Läuferinnen und Läufer.
Wie werden denn die restlichen 8.000 Startplätze vergeben? Vermutlich die Elite, Reiseveranstalter und PR/Gewinnspiele?
Auf der offiziellen Startliste stehen nämlich nur rund 37.100 Starter, sprich fast 3.000 Plätze wurden gar nicht erst vergeben.
Die Zahl der DNF würde mich tatsächlich mal interessieren, aber leider werden die bei Mika nicht gelistet. Ich habe mich bei der Startliste mal ein wenig durchgeklickt, unter den ersten (alphabetisch) 50 nicht Finishern sind zumindest 5 gestartet. – Und die Nichtstarter sind größtenteils nicht aus Deutschland.
Danke für die Analyse, Andreas. Für den Veranstalter ist das eine prima Entwicklung. Die Nichtstarter haben ihr Startgeld (größtenteils) abgedrückt, damit ist das Problem kommerziell keines. Die Strecke ist nicht ganz so voll wie in den Vorjahren, auch das ist ein ganz “angenehmer” Nebeneffekt. Der Aufwand für Verpflegung, Logistik und Betreuung sinkt. Warum sollte also der SCC ein Interesse daran haben, die Politik des Ummeldens zu überdenken? Sportlich ist das Procedere höchst fragwürdig und eine Schande für den Berlin Marathon.
@Hannes
Das ist etwas unklar, denn nach meiner Kalkulation sind es mehr als 8.000: allein 8.000 für Reiseveranstalter, ca. 1.000 Charity-Startplätze, dazu noch Sponsoren-Kontingente und die Jubilee-Läufer, die einen Statplatz sicher haben – da kommt man sicherlich auf insgesamt 10.000.
Soweit ich weiß, werden nicht verwendete Plätze der Reiseveranstalter und der Charity später noch einmal für Nachrücker angeboten. Es bleibt trotzdem alles sehr unklar. Wäre schön, wenn der SCC einfach mal offen die Zahlen nennt.
@Henrik
Genau so sehe ich das auch, Henrik. Solange die Läufer sich mit dem Zustand abfinden, dass sie sich ein Jahr vorher anmelden – und bezahlen! – müssen, im Falle einer Verhinderung aber mit fast 100 € die anderen Starter „sponsern“, solange wird sich da wohl nichts ändern, denn die ganze Kalkulation beruht auf diesem Umstand.
Tolle Recherche, Andreas! Angesichts des Veranstaltergebarens und überzogener Startgelder habe ich 2010 beschlossen nicht mehr in Berlin zu starten. 6 mal war es für mich jeweils ein unvergesslicher Lauf, der zu Recht ganz weit oben unter den stimmungsvollsten Marathons weltweit steht. Die erstaunlich ungebrochene Nachfrage veranlasst einen überheblichen Veranstalter nicht unbedingt zum Umdenken seiner Ausschreibungspolitik. Es gibt schließlich noch genug andere Herbstmarathons.
@Ingo
Ich habe jetzt ja auch schon einige Berlin-Marathons ausgelassen und mir andere Marathons angesehen. Irgendwann laufe ich vielleicht mal wieder in Berlin – vielleicht ändern sie ja mal ihre Ummelde-Politik…
Mich reizt der Berlin Marathon zwar eh nicht (Stadt gefällt mir nicht und zu weite Anreise), aber spätestens wenn ich diese Zahlen sehe, würde ich das Ganze nicht unterstützen. Der Hype um diesen Lauf ist übertrieben groß geworden, dass die Kuh nun solange gemolken wird, wie sie Milch gibt. In diesem Fall habe ich mal spontan eine Laktoseintoleranz.
@Brennr.de
Nee, Christian, bei aller Kritik: Der Berlin-Marathon ist schon einer, den mal mal gemacht haben muss. Zumindest, wenn man nichts prinzipiell gegen Stadtmarathons hat. Aber mit dem Hype gebe ich dir natürlich Recht. Und vielleicht reicht ja auch ein Mal ;-) Ich bin ihn fünf Mal gelaufen und freue mich inzwischen, wenn ich andere Marathons (Bremen, Lübeck, Frankfurt) entdecken kann.