Der vergangene Marathon-Sonntag war auch für Andreas V. und mich aufregend, obwohl wir gar nicht auf der Teilnehmerliste standen. Wir waren nämlich zum ersten mal beim Berlin-Marathon als Helfer (Volunteer) am Verpflegungsstand bei Kilometer 25 dabei. Eine wirklich spannende Erfahrung…
Für Helfer ist die Nacht übrigens früher vorbei als für die Marathon-Läufer: Um 5:25 Uhr riss mich mein Wecker aus dem Schlaf, denn um 7 Uhr musste ich mich zum Einsatz melden. Als erstes bekamen wir die blaue Jubiläumsjacke – es war der 40. Berlin-Marathon – und halfen beim Aufbauen mit. Zwischendurch staunten wir über die Kistenberge voller Äpfel und Bananen.
Beim Anblick der blauen Linie auf dem Asphalt bekam ich schon ein aufgeregtes Kribbeln, aber heute musste/durfte ich ja nicht mitlaufen.
Nachdem die Bänke und Tische aufgebaut waren, wurde alles bereit gestellt. Andreas und ich hatten eine Wanne mit Wasser und einen Karton mit 3000 Bechern zu betreuen.
Nachdem alles einsatzbereit zurechtgestellt war, hatten wir erst einmal Leerlauf und bekamen vom Teamleiter im Vorbeigehen eine kleine Demonstration, wie man den Becher für die Läufer halten kann und wie man es keineswegs tun sollte.
Da standen wir beide nun, einsatzbereit, alle Becher auf dem Tisch befüllt und die gut gefüllte Wanne mit den schwimmenden „Warte-Bechern“ zwischen uns.
Der Teamleiter hatte uns noch erzählt, woran man das Nahen der Spitzenläufer erkennen würde: „Wenn der Hubschrauber kommt, geht es richtig los!“
Zuerst einmal aber warteten wir auf die Handbiker und unterhielten uns nett mit den Nebenleuten.
Dann rauschten die ersten Handbiker durch und wir waren überrascht über das zum Teil sehr enge Windschattenfahren und die unterschiedlichen Sitz- und Liegepositionen. Manche Handbiker lagen nahezu gänzlich flach wenige Zentimeter über dem Boden. Da sie in kleinen Grüppchen oder alleine vorbeisausten wurde jeder begeistert angefeuert.
Und dann sahen wir den Hubschrauber kommen…
Jetzt ging es richtig los! Nun begann unser Einsatz so richtig (die Handbiker hatten ja ihre eigenen Getränke dabei und brauchten uns nicht) und wir hielten unsere Arme mit den Wasserbechern ’raus. Nach dem Führungsfahrzeug kam die Spitzengruppe mit dem späteren Sieger Wilson Kipsang.
Die Eliteläufer hatten natürlich kurz vorher ihre Spezialgetränke bekommen, aber der ein oder andere Pacemaker griff zu, so dass wir die ersten Becher Wasser loswurden.
Wenig später sauste die führende Frau und spätere Siegerin Florence Kiplagat an uns vorbei, und auch Irina Mikitenko bekamen wir zu sehen.
Da ich unbedingt die Spitzenläufer hatte fotografieren wollen, kam ich erst jetzt zu meinem ersten „Becher-Einsatz“. Und der ging voll daneben. Keine Ahnung, ob ich den Becher nicht richtig gehalten hatte oder ob es am Läufer lag, jedenfalls schlug er mir den Becher förmlich aus der Hand!
Aber nach diesem ersten Misserfolg flutschte es so richtig und machte absolut Spaß. Man hielt den Becher ’raus und konnte sich nie sicher sein, welcher der schnell vorbeihastenden Läufer zugreifen würde. Schwupp, war der Becher plötzlich weg! Manchmal war ich kurz davor, aus Reflex die Hand wieder zurückzuziehen, stellte aber noch rechtzeitig fest, dass der Becher sich immer noch an alter Stelle befand.
Becher, Becher, Becher
Langsam wurde das Feld nun dichter und wir mussten richtig loslegen: Becher für Becher in die Wanne tauchen, auf den Tisch stellen, zwischendurch einen Becher ’raushalten, wieder neue Becher befüllen, darauf achten, dass auch die Wanne immer genügend Wasser hatte, einen neuen Satz Becher aus dem Karton auspacken und flott einzeln in die Wanne abzählen, wieder Becher in die Wanne tauchen, und so weiter…
An dieser Stelle muss ich mal eine „Hinter-den-Kulissen-Erkenntnis“ loswerden. Als Läufer habe ich mir nämlich bei Wettkämpfen immer optimal gefüllte Becher gewünscht, halb bis zweidrittel voll. Lasst euch sagen: Es ist (fast) unmöglich! In der Eile geraten die Becher entweder randvoll oder es befindet sich nach dem schnellen Eintauchen nur eine Pfütze drin! Die Ruhe, um einen „perfekten Läufer-Wasserbecher“ abzufüllen hat man als Helfer nicht.
Familie, Freunde, Dänen
Plötzlich stand Hartmut direkt vor uns und spritzte übermütig Andreas aus einem Wasserbecher nass! Und ehe wir ihm postwendend die ganze Wanne zukommen lassen konnten, war er auch schon wieder weg ;-)
Es wurde nun immer hektischer, das Feld war jetzt am dichtesten, und ich hatte das Gefühl, noch nie so viele Dänen gesehen zu haben. Vermutlich habe ich in meiner Zeit am Getränkestand mindestens der Hälfte der dänischen Bevölkerung Wasser gereicht!
Irgendwann tauchte Andreas’ Familie auf dem Mittelstreifen auf und schaute uns durch die Läufermassen beim Arbeiten zu.
Und dann war auch schon Klaus da, der an diesem Sonntag seinen Jubilee-Lauf machte! Völlig entspannt und gut gelaunt hielt er erst einmal ein kurzes Pläuschchen, ließ sich von allen Seiten fotografieren, und wir mussten ihn fast drängen, doch jetzt bitte wieder Fahrt aufzunehmen.
Andreas V. warf so nebenbei einen Blick auf Klaus’ Laufuhr. Flotte 2:07h waren da abzulesen – hoffentlich würde das noch gut gehen. Eigentlich wollte Klaus ja nur etwas unter 4 Stunden laufen. Und legt dann so los, der Tiefstapler…
Nun war keine Zeit mehr für Fotos, ich musste richtig ran. Becher für Becher ging über die Theke.
Wie immer staunte ich darüber, wie verschieden doch Marathonläufer aussehen können, selbst wenn sie ein ähnliches Tempo laufen.
Dadurch dass inzwischen die nicht mehr ganz so schnellen Läuferinnen und Läufer durchkamen, gab es für uns Helfer öfter schöne Momente. Man hatte häufiger direkten Blickkontakt, konnte den Teilnehmern aufmunternd zulächeln oder auch mal einen Spruch zum Besten geben. Und gar nicht mal selten gab man einen Becher hin und bekam ein dankbares Lächeln zurück.
Mit der Zeit machten sich die leeren Becher von der Laufstrecke bei uns unter den Tischen breit.
Irgendwann lichtete sich das Feld, die Lücken wurden immer größer, die Läufer langsamer. Wer jetzt hier bei Kilometer 25 ankam war immerhin schon deutlich mehr als drei Stunden unterwegs und hatte vermutlich fast noch einmal so lange vor sich.
Einige von uns Helfern nutzten den neuen Freiraum und „servierten“ direkt auf der Strecke.
Ich hatte nun nicht mehr so viel zu tun und stellte mich ebenfalls mit Wasserbecher und Fotoapparat auf die Straße. Am Ende des Feldes war es merklich stiller, die Läuferinnen und Läufer liefen eher meditierend vor sich hin, und ein Großteil der Zuschauer hier an der Rheinstraße war bereits verschwunden.
Aber ab und zu kam doch noch einmal jemand durch, der die Sache mit Humor nahm, so wie diese Frau die von ihren Freundinnen kräftig unterstützt wurde.
Die Straße sah bunt gesprenkelt aus wie an einem Neujahrsmorgen.
Und dann kam endlich die letzte Frau, die das Rennen gegen den „Besenwagen“ – in Form von zwei Reisebussen – noch nicht aufgegeben hatte. Sah eigentlich noch erstaunlich frisch aus.
Hinter ihr und den Reisebussen mit den eingesammelten Läuferinnen und Läufern folgte ein Konvoi aus Organisationsfahrzeugen, Polizei und BSR.
Unsere Aufgabe bestand nun darin, alle Becher in die Straßenmitte zu kehren, damit die Fahrzeuge der BSR sie gut einsammeln konnten.
Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass das Wasserausteilen eine feuchte Sache ist? Während des Rennens standen unsere Tische teilweise völlig unter Wasser, es tropfte und floss überall. Und auch jetzt noch gab es große Pfützen am Straßenrand.
Mit Krachen und Knacken verschwanden tausende von Bechern in den BSR-Fahrzeugen, und als die Kolonne vorüber war, sah die Straße (fast) so frei und sauber aus wie zuvor. Wir waren nun fertig (im doppelten Sinne) und traten den Heimweg an, ich wieder fast 10 km mit dem Rad.
Nach dem Marathon ist vor dem Marathon
Aber damit war der Marathon-Tag für uns noch lange nicht erledigt, denn Andreas V. und ich stehen ja beide ebenfalls gerade im Marathontraining. Bereits am Vortag hatten wir unseren langen Wochenend-Lauf über 32 Kilometer (mit Endbeschleunigung, uff!) absolviert…
… und nun, kurz nach unserem Marathon-Helfer-Einsatz, stand noch am Nachmittag ein Tempodauerlauf auf dem Programm! Als wir losliefen, dachten wir beide, das schaffen wir nicht, aber nach den ersten innerlichen „uiuiuiuiui“ ging es dann leidlich.
Was für ein Wochenende!
PS: Gratulation noch einmal an Klaus, der jetzt zum Jubilee-Club gehört und dabei gleich auch noch eine neue Bestzeit aufgestellt hat!
Super toller Bericht! Ist sicherlich eine interessante Erfahrung mal einen Wettkampf von der anderen Seite aus zu erleben!
Einen herzlichen Dank an ‘Triple A’ für das Aufbautraining und den Begleitschutz, an die vielen hilfsbereiten Helfer sowie an die enthusiastischen Zuschauer: der BM ist wieder nominiert für den freundlichsten Tag des Jahres!
Toll, so ein Helfereinsatz macht mir auch immer besonders viel Spaß! Und dass Du danach noch selbst laufen gehst zeugt von einer hervorragenden Kondition! Respekt.
Viele Grüße,
Claudi
http://claudigivesitatri.blogspot.de
@Manu
Kann ich nur empfehlen, die Läufer-Wettkampf-Welt mal von der anderen Seite zu erleben!
@Klaus
Der Berlin-Marathon meint es aber auch wirklich immer gut mit dir! Und uns hat es Spaß gemacht, unser Quäntchen zum gelungenen Tag für dich beizutragen.
@Claudi
Für mich war es ja das erste Mal als Helfer, und natürlich laufe ich lieber, aber es wird sicherlich nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ich „auf der anderen Seite“ gestanden habe. Ja, und die Kondition nun kurz vor dem Ende der eigenen MA-Vorbereitung scheint zu stimmen ;-)
Klasse Bericht mit tollen Fotos aus ungewohnter Perspektive. Helfen und Unterstützen kann auch sehr viel Spaß bringen.
Bin zwischenzeitlich das Airportrace und den Alstertal HM gelaufen. Wer im September mal in Hamburg ist, sollte einen der Läufe ruhig mal mitmachen. Werde jetzt doch am 20.10. am Lago Maggiore Marathon starten.
Tja Klaus ,
Kann man kaum das Wasser reichen ????
Ein gut trainierte Läufer, der es versteht die Laufwelt zu beeindrucken.
Das Wasser reichen war auch für mich ein tolle Erfahrung.
Wann sieht man schon das gesamte Rennen vom Polizeivorauskommando bis zum zum Strassenkehrer .
Bei super Wetter mit netten Leuten
Ist halt Berlin sind alle bisschen bekloppt ( Helga Hahnemann )
@Ingo („Der Blaue“)
Ein schönes Herbstprogramm hast du dir da ausgesucht. Irgendwann muss ich auf jeden Fall auch einmal in Hamburg laufen!
@Andreas V.
Ja, war eine nette Aktion von uns beiden. Die Teamarbeit klappt auf beiden Seiten des Tisches sehr gut, ob gemeinsam Laufen oder gemeinsam Wasser reichen!
Das ist ja auch mal ein spannender Perspektivwechsel. Ganz schön viel gebechert ;)
Großartiger Perspektivwechsel, Andreas. Was wäre der Berlin Marathon ohne seine fleißigen Helfer. Das habt ihr gut gemacht. Schade, dass wir dich nicht gesehen haben, aber du hattest viel zu tun und wir auch ;). Wünsche dir noch eine gute Marathonvorbereitung für Frankfurt!
@Hanna
Ich würde eher sagen, wir haben das Läuferfeld kräftig bewässert und die Laufbewegung mit Wasserkraft angetrieben ;-)
@Henrik
Ihr wart ja so schnell durch, da hätte ich euch ohnehin nur noch einen Becher hinterherwerfen können ;-) Die Marathonvorbereitung ist dieses Wochenende durch, ab Montag wird dann wird nur noch kräftig getapert…
Das finde ich auch mal einen Bericht der anderen Art. Ab sofort werde ich die Arbeit der Helfer/innen an den Verpflegungsstellen mit anderen Augen sehen. Danke gesagt für gereichtes Wasser habe ich sonst auch schon, aber stimmt, die haben auch ganz schön was zu tun!
Liebe Grüße
Elke
18071960.blogspot.de
@Elke
Es ist wirklich zu empfehlen, mal die Perspektive beim Wettkampf zu wechseln! Und ohne freiwillige Helfer wäre wohl kaum ein Laufevent durchführbar… Ich sag auf jeden Fall zukünftig noch öfter „Danke“.
Zur Info
Es gab über 6200 Helfer beim Berlin Marathon laut SCC !!!