Freitag vor einer Woche bin ich in unserem Rügen-Urlaub von Göhren nach Groß Zicker auf den Bakenberg und wieder zurück gelaufen. Nach meinen langen Sightseeing-Läufen im vergangenen Jahr auf Rügen (dem 4-Gewässer-Lauf und dem langen Lauf zum Jagdschloss Granitz) hatte ich wieder richtig Lust, Neues zu entdecken…
Von unserem Urlaubsquartier geht es in aller Frühe zuerst ein wenig hinauf zur Dorfkirche Göhren, hinter der sich ein „Speckbusch“ genanntes Hügelgrab aus der Bronzezeit befindet. Von hier aus hatten also bereits die Menschen vor 3.000 Jahren einen ebenso weiten Blick wie ich heute.
Beim Umrunden der Kirche entdecke ich in einem kleinen Garten eine bunte Bratpfannen-Sammlung, die mich an den neuesten Irving-Roman (Last Night in Twisted River) erinnert, den ich gerade lese und in dem eine Bratpfanne eine wichtige Rolle spielt.
Meine Laufstrecke führt mich nun weiter vorbei am Museumsschiff Luise und die Straße Richtung Lobbe entlang.
Hier gibt es eine merkwürdige Idylle zu bestaunen: Hinter verbogenen Metallzäunen grasen dunkle Schafe zwischen verlassenen Häusern, die mit pubertären Sprayer-Kommentaren „verziert“ sind.
Kurz hinter dem Örtchen Lobbe, das auf meiner Strecke liegt, mache ich einen kleinen Abstecher ans Meer und fotografiere den Goldstreif am Horizont. Da ich sehr früh unterwegs bin, ist alles menschenleer.
Jetzt geht es weiter, zuerst an der Straße, dann aber sehr schön auf einem schmalen asphaltierten Weg zwischen den Bäumen. Tagsüber kann man auf diesem schmalen Waldstreifen bestimmt von links das Rauschen der Ostsee und von rechts das Rauschen der Straße hören, aber um diese Zeit ist es wunderbar ruhig.
Um nicht den richtigen Zeitpunkt zum Abbiegen zu verpassen, hatte ich mir eine kleine Skizze der entscheidenden Wegpunkte eingesteckt. An dieser Stelle ist sie allerdings nicht nötig, denn der Weg nach Groß Zicker ist deutlich ausgeschildert.
Über eine lange Straße komme ich zwischen dem „Feriendorf Groß Zicker“ und weitläufigen, saftig grünen Wiesen zum Eingang ins Naturschutzgebiet Mönchgut.
Er sieht sehr geheimnisvoll aus, denn direkt hinter den Holzpfeilern – die hier auf Rügen die Zugänge zu den Naturschutzgebieten markieren – lassen die dicht wachsenden Büsche und Bäume kaum einen Blick auf den schmalen Weg frei.
Ein Schild informiert über die „Zicker Berge“ im NSG Mönchgut, deren trockene Hügel Teil des Biosphärenreservates Südost-Rügen sind.
Und auf diese „Berge“ will ich nun hinauf! Der angedeutete Pfad lichtet sich nach ein paar Metern und gibt den Blick frei auf den bevorstehenden Anstieg.
Mein selbstbewusstes Vorhaben, den gesamten Weg nach oben zu laufen, erweist sich als nicht durchführbar, denn zum Schluss wird die Steigung doch zu stark und ich muss die letzten Meter hinauf gehen. Immerhin wird dieses Gebiet auch norddeutsch stolz die „Zickerschen Alpen“ genannt.
Auf einem stetig ansteigenden Pfad entlang einer wilden Blumenwiese nähere ich mich dem „Mont Blanc“ dieser Alpen, dem 66 Meter hohen Bakenberg.
Leider ist es ein recht trüber Morgen, aber die Aussicht ist trotzdem faszinierend: Wohin man sich auch wendet sieht man Wasser! Ich mache eine 360-Grad-Runde Panorama-Fotos, um diesen besonderen Blick festzuhalten (den kompletten, zusammengesetzten Panoramablick vom Bakenberg findet ihr hier).
Auf der Rückseite des Bakenbergs laufe ich nun hinunter in den Ort Groß Zicker, der angeblich auch „Rollmopshausen“ genannt wird, da sich hier zu DDR-Zeiten eine entsprechende Fabrik befand.
Eine kleine Sehenswürdigkeit des Ortes ist das 1720 erbaute Pfarrwitwenhaus, das ich unbedingt auf meiner Laufrunde noch sehen will. Ich laufe auf Verdacht die Hauptstraße – welche auch die einzige Straße des Örtchens ist – hinauf und entdecke das kleine reetgedeckte Haus mit dem schönen Vorgarten schließlich.
Nun geht es wieder auf den Rückweg, auf dem ich noch einen kurzen Abstecher zur Dorfkirche mache, die ich in einer Seitenstraße entdecke. Immerhin ist die um 1400 erbaute Kirche das älteste Gebäude auf Mönchgut, dem südöstlichen Teil Rügens.
Vorbei an der Grundschule, deren Schild ein Paar in traditionellen Trachten zeigt (für die Mönchgut bekannt ist), laufe ich nun wieder in Richtung östliche Ostsee.
Am „Großen Strand“ mache ich ein Foto der Morgenstimmung über dem Meer (mit Frachtschiffen am hell leuchtenden Horizont) und bin dabei so versunken, dass ich ziemlich erschrecke, als mich in der Stille plötzlich ein Strandarbeiter von hinten anspricht.
Auf dem bereits erwähnten schönen Weg zwischen den Bäumen laufe ich nun entspannt aber etwas zügiger – ich habe meiner Familie versprochen, zum Frühstück wieder da zu sein – auf Lobbe zu.
Auf dem Hinweg hatte ich noch gezögert, weil ich nicht stehen bleiben wollte, nun aber nehme ich mir doch noch die Zeit, das alte, verrostete Metall-Häuschen am Strand zu fotografieren. Wofür das wohl mal gedient hat?
Die Ruine einer Ferienanlage hinter Lobbe zeugt ebenfalls von längst vergangenen, besseren Tagen.
Mit Erreichen des Ortsschildes Göhren fühle ich mich schon fast am Ziel und lege nach einem prüfenden Blick auf die Uhr noch ein wenig an Tempo zu.
An einem Schaukasten am Rande der Straße muss ich dann aber doch wieder stehen bleiben. Die Fotos eines Hundevereins haben wohl bereits eine Menge Sonne gesehen und sind inzwischen rest-magenta-getönt. Ich höre die Vierbeiner förmlich den Telekom-Jingle bellen ;-)
Den ersten Aussichtspunkt meines Laufs – die Dorfkirche von Göhren – sehe ich jetzt auf der Anhöhe oberhalb der Straße, die sich langsam wieder zum Ortskern hochwindet.
Ein letztes interessantes Fotomotiv entdecke ich am Stadtrand: Ein Zaun weist auf eine ehemalige FDGB-Feriensiedlung hin. Der Wikipedia-Artikel über den FDGB weiß zu berichten, dass der FDGB-eigene Feriendienst der größte Anbieter von Urlaubsreisen im Tourismus in der DDR war und zahlreiche eigene FDGB-Ferienheime und Feriensiedlungen unterhielt.
Eine der Aufgaben des FDGB war es, „die Mitglieder für die bewusste Teilnahme am Kampf um die ständige Steigerung der Arbeitsproduktivität“ zu gewinnen. Na, und da durfte man sich nach erfolgreicher Steigerung dann auch mal – unter anderem hier – ausruhen. Dass diese Gewerkschafter-Oase momentan ausgerechnet Maul- und Klauenseuche-Sperrgebiet ist…
Nach über 17 Kilometern komme ich körperlich und geistig bewegt gerade rechtzeitig zum Frühstück und habe mal wieder einiges zu erzählen.
Toller Rundumblick!