Am vergangenen Sonntag bin ich mit vielen Freunden (Hartmut, Monika, Klaus, Jürgen, Sylvia, Andreas III. und Andreas V.) gemeinsam den 25-Kilometer-Lauf Big 25 Berlin gelaufen. Wie immer ein toller Laufevent, wenn auch die Sache mit der Schallmauer irgendwie nach hinten losgegangen ist…
Auf der Hinfahrt im Auto wurde bereits klar, dass es zwar ein Ziel gab – nach 2 Stunden ins Olympiastadion einzulaufen – aber mehrere Strategien, wie die Zeit zwischen Startschuss und Zieleinlauf zu gestalten sei. Irgendwie hatten Klaus und Jürgen mich im Vorfeld so mit dem Schallmauer-Virus infiziert, dass ich am Ende dachte „Ja, warum eigentlich nicht…?“
Ich wollte es auf einen Versuch ankommen lassen und hatte mir alles fein ausgerechnet: die ersten Kilometer, die von der Strecke her bergab führen, wollte ich im 4:45min/km-Tempo loslaufen und dann, ab etwa Kilometer 11/12 auf 4:50min/km „drosseln“. Rein rechnerisch kam das genau hin. Und wenn ich das Tempo nicht würde durchziehen können, nun gut, dann würde ich halt die magische Grenze überschreiten und etwas später ins Olympiastadion kommen.
Hartmut und Monika hatten ihre eigenen Zeitpläne, so dass schließlich Klaus, Jürgen und ich nebeneinander im Startblock standen, mit der unerschütterlichen Absicht, im 4:45er-Schnitt loszulaufen. Die Wetterbedingungen waren gut, etwa vergleichbar mit denen des letzten Jahres, das ließ doch hoffen.
Wie immer vor einem Start war ich etwas „gelähmt“, aber Klaus mit seiner unglaublich guten Laune hat mich wieder ein wenig aufgelockert. Immerhin konnte ich mich noch ein wenig durch ein Foto der vielen Läuferwaden und -schuhe ablenken, bevor es richtig ernst wurde und der Start-Countdown lief.
Der Startschuss! Es ging gleich flott los, ein kurzer Blick zu den anderen: ja, noch alle beisammen. Trotz der Anstrengung und Konzentration war ich – wie so oft – begeistert vom Anblick des großen Läuferfeldes, das sich vor mir auf der leicht abschüssigen Straße erstreckte. Ein bisschen bescheuert muss man natürlich schon sein, um in solch einer Situation an seinem Oberarm zu nesteln, das Handy rauszuholen und im vollen Lauf ein Foto zu machen… Ich habe es auch gleich danach bereut, denn es dauerte Dutzende von Metern (und Nerven), bis ich das Teil wieder zurück in die Tasche gefummelt hatte!
Kilometer 1
Das Tempo ist schnell gefunden, das erste Kilometerschild taucht nach exakt 4:45 Minuten auf. Im Gewirr der vielen Läuferinnen und Läufer werden wir manchmal kurz getrennt, finden uns dann aber auch wieder.
Kilometer 2
Wir treffen zufällig Sylvia und Andreas III. – die wir vor dem Start trotz Verabredung nicht gefunden hatten – im Läuferfeld! Ein paar nette Worte hin und her und dann verlieren wir uns wieder aus den Augen. Bei Kilometermarke 2 zeigt meine Uhr, dass wir etwa 10 Sekunden „zu spät“ sind. Ich möchte den Plan durchhalten und ziehe das Tempo etwas an.
Kilometer 3
Klaus und Jürgen bleiben etwas zurück. Inzwischen taucht Schild Nr. 3 auf und gibt Anlass zum Grübeln: Es kann einfach nicht sein, dass ich auf dem letzten Kilometer 20 Sekunden langsamer geworden bin. Das Schild steht falsch!
Kilometer 4
Bei Kilometer 4 bin ich exakt im 4:45er-Schnitt, laufe jetzt rund, aber leider ohne meine beiden Mitstreiter, die ab Kilometer 3 klugerweise auf ihr Gefühl und nicht auf ihren Zeitplan gehört haben. Nun geht es fast 8 Kilometer die endlos lange Magistrale Kaiserdamm-Bismarckstraße-Straße des 17. Juni entlang. Unendlich weit am Horizont ist die Siegessäule zu sehen.
Kilometer 8
Mein erster „Meilenstein“ ist die Getränkestation bei Kilometer 10, bei der ich – zum ersten Mal bei einem Wettkampf – mein mitgenommenes Gel nehmen will. Eine Schulklasse inklusive Lehrerin steht am Rand und feuert die Läufer an. Wo bleibt Kilometer 10, ich muss Kilometer 9 verpasst haben… Nein, da ist das Schild mit der Neun. Stimmt, Kilometer 10 ist ja erst weit hinter dem Brandenburger Tor. Uff!
Kilometer 10
Der Lauf durch das Brandenburger Tor ist wie immer toll, aber jetzt sollte eigentlich endlich der Getränkestand kommen. Gel aufgerissen, ausgequetscht und einige Schlucke Wasser hinterher. Noch den Restbecher über den Kopf und weiter geht es.
Kilometer 12
Der Gendarmenmarkt liegt nun hinter mir. Ich laufe erstaunlich rund und stelle beim Blick auf die Uhr fest, dass ich immer noch perfekt in der geplanten Zeit bin. Jetzt könnte ich eigentlich etwas Tempo rausnehmen. Wer weiß, wie lange ich das sonst noch so durchhalte?
Kilometer 15
Als ich das 15er-Schild passiere, stelle ich überraschend zwei Dinge fest: 1. Ich bin nicht sehr viel langsamer geworden und sogar eine Minute schneller als geplant 2. Die Kraft lässt spürbar nach!
Kilometer 16
Am Anfang des Ku-Damms wird mir klar, dass ich jetzt mit dem Tempo runter muss und mir dämmert, dass das heute eine ganz harte Nummer wird, schließlich sind es noch 9 Kilometer bis zum Ziel.
Kilometer 17
Ich kämpfe gerade mit mir, wenigstens dieses etwas langsamere Tempo noch durchzuhalten, da überholt mich Klaus mit den Worten: „Komm, wir müssen noch etwas anziehen, sonst wird das nichts!“ Nee, mein Akku ist so gut wie leer, undenkbar, da dran zu bleiben.
Kilometer 19
Ich will nie wieder das Wort Schallmauer hören. Der schwierigste Teil des 25-Kilometer-Laufs – die lange Steigung an der Kantstraße – liegt vor mir und ich versuche mich irgendwie durchzukämpfen. Mein Durchschnittstempo hat mächtig nachgelassen.
Kilometer 20
Das Schlimmste was passieren kann passiert: Ich muss gehen. Ich wollte es nicht, hatte mir geschworen: „Egal was kommt, du kannst so langsam laufen wie du willst, langsamer, noch langsamer, aber Gehen ist keine Lösung!“ Aber nun ist es soweit, ich habe keine Lust mehr und trotte ein paar Schritte die Kantstraße hinauf. Verfalle dann aber schnell mit schlechtem Gewissen wieder ins Laufen. Irgendwann überholt mich auch Jürgen.
Kilometer 21
Die Halbmarathonmarke. Ich laufe immerhin noch unter 1:45 h durch, aber das ist im Moment auch kein Trost. Irgendwo am Straßenrand steht ein kleiner Junge mit winzigen Wasser-Plastikbechern, die ihm seine Mutter füllt. Ich nehme den hingestreckten Becher dankend an. Die nette Geste baut mich fast mehr auf, als das Wasser selbst.
Kilometer 22
Zwischenzeitlich verfalle ich wieder ins Gehen. Mist. Aber ich bin nicht alleine. Wenn ich wieder loslaufe – erstaunlicherweise läuft man dann doch wieder ein recht zügiges Tempo – komme ich an einigen Leidensgenossen vorbei. Als ich auf der Reichsstraße gerade wieder kurz ins Gehen verfallen bin, tippt mich ein vorbeikommender Läufer von hinten an der Hand an: „Komm, weiter!“ Auch das motiviert wieder und ich starte erneut.
Kilometer 24
Irgendwie habe ich mich bis zum Stadion durchgeschlagen, anders kann man das wirklich nicht nennen, und nun ist das Ziel nahe. Man hört bereits den Trubel. Ich bin allerdings so geschafft, dass selbst das mich nicht mehr sonderlich hochreißen kann. In einiger Entfernung sehe ich am Wegesrand einige Sanitäter in ihren roten Jacken hocken. Picknick?, denke ich zuerst. Das Picknicktuch entpuppt sich beim Näherkommen aber schnell als weißes Läufershirt. Mist, armer Kerl. Aber ich komme da jetzt heil durch, ich pfeif auf die Zeit! Endlich geht es rechts ab in die Katakomben des Olympiastadions. Auf der Schräge nach unten werden meine Beine automatisch schneller.
Das Ziel
Licht am Ende des Tunnels! Ich bin im Stadion, endlich! Ein Blick auf die Uhr zeigt irgendetwas mit sieben. Oh, nein, jetzt wird doch noch etwas Rest-Ehrgeiz wieder wach. Ich möchte unbedingt unter 2:10 h bleiben. Wenigstens das. Ich werde schneller. Die Zielgerade. Ich hab es geschafft!
Gleich nachdem ich die Medaille umgehängt bekommen habe, stehe ich schon Hartmut, Klaus und Jürgen gegenüber. Großes Hallo und ein Siegerfoto!
Plötzlich steht auch Andreas III. da, wir plaudern alle ein wenig, ich mache noch einige Fotos und setze mich dann ab. Ich muss dringend etwas essen und trinken, mir ist ziemlich flau im Kopf.
Leichter gesagt als getan, denn vor die Erfrischungen haben die Veranstalter die große Treppe gesetzt, die erst noch bezwungen werden will. Aber auch das ist dann geschafft und ich treffe oben an den Getränkeständen Monika, die mir sofort ansieht, dass ich gerade etwas krisele. Gemeinsam mit Sylvia und Andreas III. päppelt sie mich wieder auf und dann geht es auch schon wieder. Von Hartmut bekomme ich schließlich noch ein Mars in die Hand gedrückt. So gut hat mir das Zeug noch nie zuvor in meinem Leben geschmeckt! Hat wirklich Kraft gekostet dieser Lauf. Ich habe die Schallmauer nicht mal von weitem gesehen, es fühlte sich aber im Ziel an, als wäre ich direkt dagegen gelaufen ;-)
Bei all dem Frust (das sollte man nicht überbewerten, ich freue mich schon auf den Zieleinlauf im nächsten Jahr) habe ich doch eine wichtige Läufer-Lektion gelernt: Wer vor solch einem Lauf weniger trainiert hat als im Vorjahr, zumal wenn die langen Läufe in der Vorbereitung seltener waren, kann nicht ernsthaft damit rechnen, seine persönliche Bestzeit auch noch deutlich zu verbessern. Und was man zu Beginn eklatant zu schnell läuft, verliert man am Ende rasanter als man „Schallmauer“ sagen kann…
PS: Aber das Schönste an solch einem Lauf ist das gemeinsame Erzählen des Erlebten danach – auf der Heimfahrt und auch später beim gemeinsamen Bier. Und wenn ich unsere Gruppenfotos so ansehe, dann bin ich mächtig zufrieden, dabei gewesen zu sein!
Mit der Schallmauer hatte ich ja ‘ne große Klappe… leicht durchgeknallte Motivation und super Wetterbedingungen sind eben doch nicht alles. Doch auch ohne den großen Schall-Knall hat es gut getan zu testen, was geht (das ist doch ein Pups, der uns da noch fehlt). Diesmal haben sich Monika und Hartmut getoppt – Gratulation!
Mensch, das ist doch ein Superergebnis! Erlebnis-Ergebnis :-) Wenn man mal bedenkt, um wie winzigwenige Millisekunden es bei den Profi-Sportlern geht… Locker bleiben! Ich finde deine Schilderungen sehr sympathisch.
Manchmal steigen einem die Ziele über den Kopf hinaus. Die meisten Läufern sind eben doch ein wenig Zeiten-verliebt.
Aber wir kennen es ja eigentlich alle – es ist extrem schwer, dabei auf das Gefühl zu hören. Und vom Drumherum war der Lauf ja trotzdem super! Und jetzt wird wieder trainiert ;)
Du sagst es, Hannes: jetzt geht es weiter! Zu den Zeiten-Verliebten gehöre ich eigentlich sonst nicht, aber es war so verlockend… Man ist halt nie alt genug, um sich nicht doch noch mal dumm anzustellen ;-)
Glückwunsch zum Lauf! Schöner Bericht. Mir erging es auf den 25km ähnlich wie dir. Bis km15 dachte ich, das wird eine lockere Nummer werden. Aber die Realität über die letzten Kilometer sah leider anders aus. Mein Bruder hat mich zum Glück noch mitgezogen und wir sind knapp unter der “Schallmauer” ins Ziel gelaufen: http://blog.marek-lange.de/2009/05/10/big-25-grosses-kino/
Hast du schön beschrieben. Immerhin bleibt die Schallmauer als Ziel für das nächste Jahr erhalten. Im Prinzip hast du alles richtig gemacht, aber ein paar Kohlenhydrate haben dann wohl gefehlt zum Glück. Trotzdem Glückwunsch!