Nach der „Regenerations-Etappe“ vom Vortag war die 5. Etappe mit 26 Kilometern ebenfalls „kurz“. Ein letztes Mal Luftholen vor der finalen und längsten Etappe. Läuferisch (und auch aus Radfahrersicht) betrachtet, der wohl schönste Abschnitt zwischen Berlin und Leipzig. Denn es ging fast ausschließlich durch den Naturpark Dübener Heide, ein leicht hügeliges Waldgebiet. Grün soweit das Auge reicht, mit gut ausgebauten Wegen. Naja, bis auf die Passage der „Heide Biber Tour“, die Andreas V. und ich wohl nicht so leicht vergessen werden…
Nach einem späten Frühstück waren wir um kurz nach 10 Uhr wieder auf der Strecke. Bei 20 Grad und mit schweren Beinen und vollem Bauch.
Die Beine hatten in der Tat inzwischen eine gewisse „Grundschwere“. Das und die Tatsache, dass es kurz hinter unserer Unterkunft gleich stetig bergauf ging legten nahe, auch diese Etappe mit einem Geh-Kilometer zu beginnen.
Als es dann links hinter einer Fabrik wieder eben wurde, setzte ich mich in Trab.
Nach den gestrigen Erlebnissen mit dem kaputten Rad waren wir beide absolut happy, dass wir unsere Tour überhaupt fortsetzen konnten. Aber der feste Waldweg und die Landschaft gaben noch einen weiteren Motivationsschub.
Was nicht hieß, dass es keine Gehpausen gegeben hätte. Aber sie waren meist kurz, dann trabte ich schon wieder weiter.
Die Sonne schien noch nicht sehr stark, aber stark genug, dass man den Unterschied zwischen offener und baumbestandener Strecke merklich spürte. Wir kamen durch das Örtchen Lubast…
… in dem es die älteste noch produzierende Töpferei Sachsen-Anhalts gibt.
An der selbstgebauten Holz-Sitzgruppe gefiel mir vor allem das Zitat. „Das ist das Allergrößte…“…
… wenn ich des Nächsten Schwachheit ertragen kann.“ von Luther. Passt auch sehr gut in unsere heutige Zeit.
Was folgte war eine regelrechte „Wald-Autobahn“ mit sehr guten Bedingungen für Läufer und Radfahrer.
Inzwischen hatte sich die Frühstücksschwere des Anfangs verflüchtigt und ich war im Flow.
Mark Zschiesewitz – schöne Ortsnamen gab es hier, die ich als Norddeutscher entweder nicht unfallfrei sprechen oder fehlerfrei schreiben kann.
Nach ein wenig Wohn-Idylle in der Waldsiedlung…
… ging es wieder in die Natur.
Was für ein Kontrast: Da stand ich nun als Läufer mit Laufuhr, digitaler Karte und GPS-Ortung vor einem alten Stein mit Richtungs- und Entfernungsangaben aus einem vergangenen Jahrhundert (und zwar sehr wahrscheinlich dem vorletzten Jahrhundert!).
Auf diesem Abschnitt kamen auch so einige Höhenmeter zusammen. Abwärts ließ Andreas V. das Rad ausrollen, …
… musste nur aufpassen, dass er auf dem Schotter nicht ins Schlingern kam…
… und aufwärts wurde geschoben, denn die Steigungen waren lang und beharrlich.
Wir amüsierten uns, dass das Team-Selfie durch die Feuchtigkeit auf der Linse aussah wie mit einem „Romantik-Filter“ gemacht.
Nicht weit von uns war die Hohe Gieck, mit 193 Metern die höchste Erhebung der Dübener Heide.
Bis zum Lutherstein wollte ich noch durchlaufen, dann wäre ungefähr Halbzeit und eine gute Gelegenheit für eine Pause.
Und da lag er schon, der Lutherstein, auf einer Lichtung an der Bundesstraße, direkt neben einem Auto-Rastplatz. Bis hierhin sollen seine Studenten (es waren wohl nur Männer) Luther auf dem Weg zur Leipziger Disputation begleitet haben.
Wir machten eine Pause, tranken etwas, ich aß einen Riegel – und fotografierte meine angestaubten Schuhe. Was man halt so macht, um sich die Zeit zu vertreiben. Na, dann konnte ich auch ebenso gut wieder weiter laufen…
Ein paar Dutzend Meter vom Rastplatz führte ein deutlich ausgeschilderter, aber doch merkwürdig schmaler, zugewachsener Pfad in den Wald.
Kurz darauf lag zudem noch ein umgestürzter Baum halbhoch über dem Weg. Gemeinsam wuchteten wir das Fahrrad auf die andere Seite.
Der Pfad wurde immer schmaler, bis er irgendwann einfach aufhörte. Was nun? Mir fiel ein, dass ich kurz zuvor drei Holzstufen am Rande gesehen hatte, die seitwärts in die Höhe führten… Also noch einmal wieder zurück.
Richtig, da waren sie! Und erst jetzt fiel uns die Beschilderung am Baum auf, die wir vorhin wohl übersehen hatten. Die meinten es ernst, das war der Weg!
Fairerweise muss man sagen, dass der Jakobsweg/Lutherweg ein Wanderweg ist. Aber wir waren nun mal auch mit dem Begleitfahrrad unterwegs und mussten jetzt diese steile Anhöhe bewältigen. Auf dem Foto (Verschnaufpause zur Hälfte) sieht es nicht so schlimm aus, aber die Steigung war schon für Fußgänger sportlich – mit dem vollgepackten Rad ein Kraftakt, den wir nur mit vereinten Kräften bewältigten.
Nachdem das geschafft war, verliefen wir uns auch noch, bemerkten es aber schnell, so dass wir nur vielleicht 100 Meter zurück mussten. Ah, hier ging es seitwärts ab, das hatten wir übersehen!
Weiter ging es über einen laubbedeckten Waldpfad, der erst einmal wieder hinab führte.
Offensichtlich waren wir auf der „Heide-Biber-Tour“. Etwa 200 Biber leben im Naturpark Dübener Heide, was dem Nager auch die Position als Wappentier des Naturparks beschert hat.
Im Folgenden verlief der schmale Weg häufig bergauf – an Fahren war nicht zu denken, das Laufen war anstrengend (oder ebenfalls nicht möglich).
Für Kinder führt hier der Cartoon-Biber Billi Bockert durch die Welt der Biber. Und für unsere Tour verkneife ich mir jetzt mal ein „Sind wir bald da-a?“. So einige Kilometer hatten wir nämlich noch vor uns.
Wo es bergauf geht, geht es auch wieder bergab: Andreas V. bugsierte vorsichtig fahrend das schwere Fahrrad hinunter, und für den Läufer galt „Auf die Füße achten, und nur nicht umknicken!“.
Noch ein Gruß unseres neuen Freundes Billi…
… und dann waren wir in der Nähe des Heidedorfs Tornau. Behauptete zumindest diese vergilbte Info-und-Werbe-Tafel. Von Häusern bekamen wir nämlich nichts zu sehen.
Irgendwo in unserer Nähe musste auch der Hammerbach fließen, aber wir sahen und hörten nichts von ihm. Schade, ein sanftes Bachplätschern wäre schon erfrischend gewesen.
Nach einem kurzen Abschnitt am Waldrand…
… überquerten wir eine Landstraße und kamen zur Holzskulpturen-Wiese.
Am Wegesrand standen nun zahlreiche Kunstwerke aus Holz, von denen ich natürlich so einige fotografieren musste.
Zum Schluss erreichten wir die eigentliche Wiese, auf der viele weitere Skulpturen des jährlich stattfindenden Wettbewerbs „Kunst mit Kettensägen“ standen.
Der interessanteste Grenzpfosten, den ich je gesehen habe: Offensichtlich überschritten wir gerade die Landesgrenze von Sachsen-Anhalt nach Sachsen!
Wir waren jetzt in Bad Düben angekommen. Aber bis zu unserer Unterkunft nahe des Ortskerns waren es noch so einige Kilometer.
Über eine asphaltierte Straße lief ich durch den Vorort Hammermühle…
… bis ich die Kurstadt Bad Düben erreichte. Die alte Windmühle…
… und der Bach sahen noch nicht sehr städtisch aus…
… aber der gut gepflasterte Gehweg neben der Straße ließ schon den Kurort erkennen.
Ich lief nun locker und absolut entspannt, wurde sogar etwas schneller.
Andreas V. unterhielt sich mit einem Radfahrer aus dem Ort über unser Projekt, der auch ganz interessiert war.
Zu unserer Unterkunft mussten wir noch durch den Ort durch, da sie sich am süd-westlichen Rand befand.
An einem Haus entdeckte ich den bisher schönsten Hinweis auf den Jakobsweg, mit original (?) spanischen Kacheln. Der Teufel steckte allerdings im Detail (wenn ich das mal in Bezug auf einen Pilgerweg sagen darf): Der Pfeil zeigte korrekt nach rechts, die beiden Muscheln aber nach links.
Nahezu unglaublich: Auf dieser Etappe sahen wir nur eine (!) Kirche, und zwar diese, die Stadtkirche St. Nikolai in Bad Düben!
Wir guckten und fuhren und liefen…
… und kamen, vorbei an schön restaurierten Fachwerkhäusern, auf dem Markt an.
Mit dem Gongschlag gewissermaßen, denn es war genau 14 Uhr, und am Rathaus kamen unter der Turmuhr zwei Ziegenböcke links und rechts aus den Klappen und stießen in der Mitte mit den Hörnern aneinander.
Wieder eine Etappe geschafft, da hatten wir uns ein Eis verdient!
Es waren „nur“ 26 Kilometer, aber diese hatten ein deutliches Höhenprofil.
Nach dem Eis auf dem Marktplatz spazierten wir das letzte Stück zu unserer Unterkunft, der Burgschänke Goldener Löwe, einem Gebäude mit einer vielhundertjährigen Geschichte.
„The same procedure as every day!“ – Sachen waschen, duschen, kurzes Nickerchen und dann ein gemeinsamer Sightseeing-Spaziergang (vor allem zur nahe gelegenen Burg Düben, wo 1533 der Berliner Kaufmann Kohlhase um sein Recht kämpfte – Vorlage für Kleists Novelle). Nach einem zünftig-deftigen Essen in der Burgschänke ging ich zufrieden ins Bett. Genau 161 Lauf-Kilometer hatte ich bereits geschafft und ohne Blessuren überstanden. Morgen käme das (lange) Finale nach Leipzig!