Werner Sonntag, Jahrgang 1926, ist eine Legende des Ultralaufs und hat neben journalistischer Tätigkeit für „Spiridon“, „Condition“ und „Runner’s World“ viele Bücher über das Laufen geschrieben, unter anderem den Klassiker „Irgendwann musst du nach Biel“. Er weiß also, wovon er spricht, wenn es um den Ultralauf geht. Das gerade jetzt (Dezember 2013) im Sportwelt Verlag erschienene Buch „Mehr als Marathon – Wege zum Ultralauf“ hat einen gleichnamigen, zweibändigen Vorgänger aus den Jahren 1985/86, beinhaltet aber laut Autor fast gänzlich neuen Text.
Für mich kam das Buch genau zur richtigen Zeit, da ich inzwischen nicht mehr so große Ambitionen habe, die Distanzen bis hin zum Marathon auf immer neue Bestzeiten zu laufen. Vielleicht nicht sofort, aber doch auf absehbare Zeit, würde ich schon gerne das Tempo verringern und dafür die Distanzen ausbauen. Und genau für solche Läuferinnen und Läufer ist das Buch geschrieben…
Weshalb ist es leichter, 100 Kilometer statt Marathon zu laufen?
Nach Einleitung mit kurzer Geschichte und Definition des Ultralaufs geht es auch schon mit zwei Kapiteln los, die es für einen bisherigen Marathon-Läufer wie mich auf den Punkt bringen: „Weshalb ist es schwerer, 100 Kilometer statt Marathon zu laufen?“ und „Weshalb ist es leichter, 100 Kilometer statt Marathon zu laufen?“. Sehr interessant; ich dachte beim Lesen mehr als einmal „Richtig, genau so ist das! Das will ich auch mal versuchen…“
Sonntag lässt immer wieder seine persönlichen Erfahrungen einfließen, er hat viel erlebt – 339 Marathons, davon 147 Ultramarathons, 33 Mal Biel, 1.100 km Deutschlandlauf, Spartathlon, etc. sprechen für sich – und viel zu erzählen und weiterzugeben. Es stellt sich zwar hin und wieder die Frage, inwieweit sich manches im Buch mit der Sichtweise eines heute 30-50-jährigen Ultraläufers deckt, aber lesens- und bedenkenswert ist es allemal. Jedes Kapitel endet mit einem praktischen „Merkzettel“, der in kurzen Stichworten das Wichtigste zusammenfasst.
Praxis-Tipps zum Training für einen Ultralauf
Das Buch enthält laut Autor bewusst keine Trainingspläne, die seiner Meinung nach nur bis zum Marathon hin Sinn machen, aber sehr viele Tipps zum Training – Länge und Art der Läufe, Wochen-Kilometer, Geschwindigkeit, Regeneration – und zum Wettkampf. Den psychologischen Aspekten einschließlich der mentalen Vorbereitung wird ein eigenes Kapitel gewidmet.
Nach über 100 spannenden Seiten ist dann das Kapitel zur Ernährung ein absoluter „Show-Stopper“. Dass der Autor Sportgetränke und Gels ablehnt, kann ich noch gut nachvollziehen, aber sein sich über viele Seiten erstreckendes Plädoyer für eine Vollwerternährung mit dem Schwerpunkt auf Frischkornbrei ist nicht meine Welt. Und obwohl Sonntag zugesteht, dass das natürlich seine persönlichen Ansichten seien, wirkt dieses Kapitel doch sehr missionarisch.
Das Folge-Kapitel über gesundheitliche Probleme beim Ultralauf erläutert wieder sehr praxisnah, was einem auf der langen Strecke widerfahren kann, und wie man am besten damit umgeht. Hier werden nicht nur eigene Erfahrungen weitergegeben, sondern alles wird auch mit wissenschaftlichen Fakten belegt.
Auf die gleiche Weise bietet das Kapitel über Ausrüstung wertvolle Tipps. Von den richtigen Schuhen über Socken, Laufbekleidung, Rucksack, Sonnenbrille und Taschenlampe bis hin zu den kleinen Dingen für den Notfall wird hier alles erwähnt.
Sehr spannend und voller Detail-Tipps sind die Kapitel über Technik und Taktik, das Laufen bei Hitze und Kälte sowie die vielfältigen Probleme, die einem Ultraläufer im Wettkampf begenen können.
Ein langes Kapitel über die lange Geschichte des Ultralaufs
Das Kapitel „Die lange Geschichte des langen Laufens“ trägt seinen Namen wirklich zu Recht. Auf 60 Seiten wird ein sehr ausführlicher Überblick über die geschichtliche Entwicklung des langen Laufens gegeben, von den soldatischen Laufturnieren im alten Ägypten über die Schauläufer des 18. und 19. Jahrhunderts bis hin zu den 100 Kilometern von Biel und dem Mauerweglauf in Berlin.
Am beeindruckendsten fand ich die Tatsache, dass bei den antiken Olympischen Spielen die längste Laufdistanz zwar nur etwa 5.000 Meter betrug, dass es aber vorkam, dass die Olympiasieger nach ihrem Wettkampf bis zu 180 Kilometer in ihre Heimat zurück liefen, um sich möglichst schnell als Sieger präsentieren und Belohnungen entgegen nehmen zu können!
Der geschichtliche Rückblick ist sehr interessant und mit vielen Daten und Fakten gespickt, wirkt aber irgendwann dann doch aufgrund der vielen Nebendetails etwas langatmig und ermüdend.
Bevor das Buch mit einer langen Literaturliste abgeschlossen wird, bekommt der Ultralauf-Aspirant noch Tipps und Empfehlungen, bei welchem Ultralauf er sein Debüt geben kann und welche Läufe er sich lieber für später aufheben sollte. Sehr gut!
Fazit
Wie eingangs erwähnt, kam dieses Buch für mich genau zur richtigen Zeit, und ich habe viele wertvolle Informationen bekommen, die ich sicherlich in zwei, drei Jahren, wenn ich mich vielleicht einmal an einen ersten Ultralauf wagen will, noch einmal nachlesen werde. „Mehr als Marathon – Wege zum Ultralauf“ richtet sich an (Marathon-)Läuferinnen und Läufer, die das Abenteuer Ultralauf angehen wollen und versucht diese so ausführlich und gut es geht auf den ersten Ultramarathon bzw. Ultralanglauf vorzubereiten. Wer – wie ich – zu dieser Gruppe gehört, dem sei das Buch hiermit wärmstens empfohlen!
Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Sportwelt Verlag zur Verfügung gestellt.
Ein sehr guter Tipp – und eine schöne Rezension: für beides vielen Dank!!
@Eddy
Du bist ja auch schon ziemlich lange Strecken gelaufen, könnte also etwas für dich sein…
… jetzt liest er auch noch Bücher ;)
Vielleicht solltest du selber mal eins schreiben, so wie du schreiben kannst. Was meinst du? Ich warte einfach mal auf deine laufende Biografie.
@Hanna
Für eine Biografie bin ich wohl noch etwas zu jung ;-) Aber ich schreibe schon gern, da hast du Recht. Vielleicht mal einen Lauf-Roman?
Ich bin schon gespannt auf Deine Erfahrungen auf dem Gebiet 42 +. Für
mich wird wohl der Marathon die Grenze bleiben…
@Ingo („Der Blaue“)
Na, ein bisschen wird es auch noch dauern, bis ich mich da heranwage. Vielleicht hast du dann ja in 2-3 Jahren auch Lust dazu, und wir laufen unseren ersten 50er oder 60er zusammen? Never say never ;-)
Na da weiss ich doch was ich mir von Mama zu Weihnachten wünsche. Danke für den Tipp und die gut geschriebene Rezession.
@Matthias
Ah, dich reizen also auch die längeren Distanzen ;-)