Ich war so entspannt und gelassen vor dem 45. Berliner Cross-Country-Lauf im Grunewald, dass ich heute morgen fast ohne Laufchip losgefahren wäre. Aber zum Glück habe ich eine Familie, die mich nicht nur beim Laufen unterstützt, sondern auch solch kleine gedanklichen Aussetzer rechtzeitig bemerkt ;-) Was konnte da schon noch passieren bei meinem zweiten Crosslauf…
Nachdem ich in diesem Jahr bereits mehrere persönliche Bestzeiten aufgestellt hatte, war für mich die Lauf-Saison 2008 mit dem Höhepunkt Berlin-Marathon mental abgeschlossen. Ich war in den Wochen seit dem Marathon nicht nur deutlich weniger gelaufen, sondern hatte auch bei der Ernährung öfter mal kräftig den Pfad der (Läufer-)Tugend verlassen. Entsprechend relaxt bin ich heute früh mit Hartmut und meiner Familie in den Grunewald gefahren.
Startschuss zum 45. Berliner Cross-Country-Lauf
Irgendwie kam es uns bei unserer Ankunft voller vor als letztes Jahr, was der nachträgliche Blick in die Ergebnislisten bestätigt: dieses Mal kamen rund 100 Läufer mehr ins Ziel (2007: 596 Läufer, 2008: 692 Läufer).
Bei leicht sonnigen 8° liefen Hartmut und ich uns zwei Runden auf der Bahn warm. So kurz vor dem Start kam jetzt doch noch die gewohnte Nervosität auf – nix mehr mit relaxt. Klassisches Läufer-Lampenfieber-Syndrom: man fühlt sich, als ob man keinen Schritt vor den anderen setzen könnte, von Laufen ganz zu schweigen. Kennen viele Läufer. Hartmut zumindest wusste genau, wovon ich redete. Aber glücklicherweise endet dieses Gefühl jedes Mal pünktlich mit dem Startschuss. Los ging es auf die zwei 4,5-km-Runden durch den Wald…
Die erste Runde „läuft“ gut
Der Anfang verlief ganz gut, meine üblichen „Puh-ist-das-heute-schnell“-Gefühle auf den ersten Kilometern steckte ich bald weg und lief konzentriert und schnell über Blätterteppich und Baumwurzeln. Nach den Regenfällen der vergangenen Woche war inzwischen glücklicherweise alles wieder (fast) trocken. Im Artikel vom Cross-Country-Lauf 2007 habe ich ja von der erhöhten Aufmerksamkeit berichtet, die so ein Crosslauf erfordert. Dieses Mal waren die Abstände zwischen den Läufern in meinem Umfeld etwas weiter, so dass man Hindernisse einige Zehntelsekunden früher sah. Gut für die Augen, gut für die Füße!
Die zweite Runde bringt mich kurz aus dem Tritt
Das Überspringen der Wurzeln – oft in letzter Sekunde – ging auf den ersten 4,5 Kilometern sehr gut, auf der zweiten Runde leistete ich mir aber zwei Fehltritte. Beim ersten Mal kam ich noch glimpflich mit einem Schreck davon, aber beim zweiten Mal knickte ich sehr stark mit dem rechten Fuß über eine hochstehende Baumwurzel um. Mein kurzer, lauter Aufschrei ließ die Mitläufer kalt: auf diesem Teil der Strecke musste jeder selber aufpassen, dass er seine Füße heil durchbekam, da war keine Zeit und Gelegenheit sich umzusehen.
Ich schien Glück gehabt zu haben, denn mein Fuß machte sich nur leicht im weiteren Verlauf des Rennens bemerkbar, kein Grund langsamer zu werden. Ich fragte mich allerdings ohnehin allmählich, ob ich das hohe Tempo der ersten Runde weiter würde durchhalten können. Bei 20:04 Minuten hatte ich meine fröhlich winkende Familie am Ende von Kilometer 4,5 passiert.
Das war schneller als erhofft. Stellte sich nur die Frage, ob ich mit einem „Einbruch“ in der zweiten Runde für das Tempo würde bezahlen müssen. Ich dachte an den 25-Kilometer-Lauf im Frühjahr und auch an den Halbmarathon in Tegel. Bei beiden Läufen war es mir auf den ersten Hälften „Du bist zu schnell! Du bist zu schnell!“ durch den Kopf gegangen… und ich hatte doch kein Tempo herausnehmen müssen und war in Bestzeit durchs Ziel gekommen. Vielleicht klappte das ja heute auch?
Die letzten Meter
Ich wurde von etlichen Läufern überholt, überholte wiederum selber auch eine Zahl von Läufern. Die letzten Kilometer. Wäre das schön, jetzt Kilometerschilder zu haben… Die letzte Steigung, der letzte Sandweg an den Parzellen entlang. Vor mir eine Frau mit Triathlon-Vereins-Shirt. Die schaffe ich nicht mehr. Oder doch? Ich bin vorbei. Die letzte Kurve zum Vereinsgelände. Der Anblick des Rasenstücks zum Ziel setzt wieder neue Energien frei. Vielleicht kann ich ja auch noch den Läufer direkt vor mir überholen? Ich werde schneller, aber er wirft einen kurzen Blick zurück und gibt auch nochmal kräftig Gas. Meine Familie steht jubelnd am Rand, Hartmut ruft etwas, ich gebe noch einmal die letzten Reserven frei und bin im Ziel.
Im Ziel und am Ende – alles gut gelaufen!
Mein Konkurrent von vorhin dreht sich um, wir lächeln und beglückwünschen uns gegenseitig. Dann gibt es für alle Zieleinläufer die Cross-Country-Lauf-Anstecknadel und eine Blanko-Urkunde. Ich bin sauzufrieden (siehe Foto) mit meiner Zeit: 40:17 Minuten. Das ist immerhin 3:21 Minuten schneller als im letzten Jahr! Auch Hartmut hat sich kräftig verbessert und war bereits nach 37:37 Minuten im Ziel (3. seiner Altersklasse, Gratulation!). Ist halt eine andere Liga der Mann!
PS: Mein Fuß machte sich erst auf dem Nachhauseweg, dann aber umso deutlicher bemerkbar. Ich habe ihn anscheinend kräftig überdehnt. Ich glaube ich werde jetzt erst einmal etwas kürzer treten. Und Baumwurzeln meiden…
Herzlichen Glückwunsch zu der Leistung. Dein Finish hast du schön beschrieben.
Und es ist doch schön, wenn alles gut läuft, obwohl eigentlich wettkampfmäßig abgeschaltet hatet ;)
Ich hoffe deinem Fuß geht es wieder besser.
Ist die Wildsau auf dem Bild echt???
Gruß Gerd
@Hannes
Danke für die Glückwünsche, die gebe ich auch gleich zurück: Habe gerade auf deinem Blog gesehen, dass du gerade irre schnell über 3000 Meter warst. In einem meiner schlauen Bücher steht zwar, dass man einige Wochen nach einem Marathon noch einmal ein Leistungshoch hat. 8 Tage sind da allerdings nicht gemeint… ;-)
@Gerd
Heute im Laufe des Tages wurde der Fuß immer besser. Ich mache jetzt ein paar Tage Laufpause und dann sollte alles wieder in Ordnung sein. Die Wildsau ist glücklicherweise nur Deko. Sonst wäre ich wohl noch schneller gewesen…