Am gestrigen Sonntag fand die 4. Buchstabenlauf-Etappe meiner XT Wings Challenge statt. Wie bereits angekündigt mit bisher höchster Teilnehmerzahl. Zu sechst haben wir weitere Buchstaben in den Bezirk Wilmersdorf-Schmargendorf gelaufen. Ich denke, so langsam müsste man den Lösungsspruch erraten können, oder?
Bei schönstem Wetter ging es am Herthasee los mit dem ersten Buchstaben dieses Sonntags, einem „E“. Auf der Koenigsallee trafen wir bereits auf die ersten Ordner des Velothons, der hier vorbeiführte. Von Radfahrern aber war um diese Uhrzeit noch weit und breit nichts zu sehen. Dafür kamen wir am Löwenpalais vorbei, einer Villa, die Sitz einer gemeinnützigen Kunststiftung ist und in der unter anderem Yoko Ono und Vivienne Westwood gearbeitet haben.
Und damit ist schon das erste große Stichwort dieser Etappe gefallen: „Villa“. Von Anfang an liefen wir an unzähligen Villen vorbei. Hier reihen sich große und kleine, prächtige und verfallene Villen nahtlos aneinander, Neubauten und Schmuckstücke aus der Zeit, als Bismarck dieses Villenviertel Grunewald entstehen ließ.
Am Ende der Hagenstraße ein erster ungewöhnlicher Blickfang unserer Tour, die Botschaft von Katar, ein mächtiger Granitbau in orientalischem Stil. Hier hatten wir bereits unser erstes „E“ beendet. Und Hartmut, dem auf den bisherigen Buchstabenläufen die „E“s am wenigsten gefallen haben (Straße rein und selbe Straße wieder raus, und das drei Mal) hatte es gar nicht bemerkt…
Nach etwa dreieinhalb Kilometern hatten wir, an der Spitze des gerade zu laufenden „R“s, einen schönen Blick auf den Hubertussee. An dieser Stelle mussten wir nun einen spitzen Winkel auf der Franzensbadener Straße wieder zurück laufen. Ich gebe gerne zu, dass das nicht eines der schönsten gelaufenen „R“s ist, aber glaubt mir: es gab in ganz Schmargendorf kein besseres ;-)
Nach einer kurzen Orientierungspause – „Wo liegt denn hier nun die Egerstraße?“ – wurde der Bogen des „R“ laufend vervollständigt und wir überquerten den Hohenzollerndamm in Richtung Berkaer Straße, um den letzten Strich des Buchstabens zu vollenden. Auf dem Weg passierten wir das 1902 in märkischer Backsteingotik errichtete Rathaus Schmargendorf, das leider zum Teil eingerüstet war. Nun ging es die Breite Straße – von manchen Einheimischen augenzwinkernd „Broadway“ genannt – entlang, direkt weiter in ein großes Buchstabenlauf-„S“ mit dem grünsten Abschnitt des Tages, einem Kleingartengebiet.
Auf dem Claire-Waldoff-Weg ging es zwischen verträumten Gärten in Richtung Forckenbeckstraße. Da ich hier gleich mehrere Fotos mit dem Nokia-Handy machte, musste ich einen kleinen Spurt einlegen, um wieder zu den anderen aufzuschließen, die voraus gelaufen waren. Von wegen Vorsprung durch Technik…
Und während ihr die Fotos dieses grünen, ruhigen Abschnitt genießt, an dieser Stelle ein bisschen Berlin-Geschichte: Claire Waldoff war eine deutsche Chanson-Sängerin („Nach meine Beene is ja janz Berlin verrückt!“ – ein Läufer-Chanson?), die vor dem Ersten Weltkrieg in Berlin zur Kabarettkönigin aufstieg. Warum sie allerdings als einzige Grande Dame zwischen Akazien-, Astern- und Kastanienweg eines Kleingartengebietes gewürdigt wird, bleibt wohl ein Geheimnis der Berliner Verwaltung.
Am Ende des Weges stellte Hartmut trocken fest: „Ich glaube, hier bin ich noch nie gewesen…“ Für mich das Zitat des Tages, denn ich kannte ganz Schmargendorf zuvor nicht! Es stellte sich übrigens auch auf dieser Buchstabenlauf-Etappe heraus, dass das gemeinsame Laufen in mehr oder weniger fremder Umgebung interessante Erkenntnisse bringt. Sylvia und Andreas hatten an manchen Stellen früher ihre Laufrouten, Hartmut kannte auch so manche Ecke (mit Ausnahmen: s.o.) und Andreas ist sogar in Schmargendorf aufgewachsen.
Wenn der letzte Satz etwas irritierend war, hier die Auflösung: wir waren an diesem Tag mit nicht weniger als drei Andreassen unterwegs! Statistisch gesehen hörten dreiviertel der männlichen Teilnehmer auf diesen Namen, was manchmal die Kommunikation etwas erschwerte ;-) Ähnlich muss es den Geschichtsschreibern mit den Hohenzollern gehen, von denen bekanntlich ein nicht unbeträchtlicher Teil Friedrich hieß. Auf dem Hohenzollerndamm trafen wir nun, kurz nach den Kleingärten, auf die Betonwüste Stadtautobahn. Mal wieder ein herber Kontrast!
Aber es ging noch weiter mit den Kontrasten. Kurz nach Überquerung der Stadtautobahn sahen wir bereits von weitem die russisch-orthodoxe Christi-Auferstehungs-Kathedrale am Hoffmann-von-Fallersleben-Platz. Hier waren wir am Endpunkt des großen „S“ angekommen, und nachdem Sylvia sich ein wenig an Russisch versucht und Hartmut 20 Euro gefunden hatte, konnte es weitergehen… Sachen gibt es!
Nur wenige Laufschritte weiter gleich der nächste Fototermin – wir standen vor dem Eingang zum Friedhof Wilmersdorf. Auf diesem Teil der Strecke kam man wirklich vor lauter Sightseeing nicht richtig ins Laufen! Das imposante Krematorium trägt übrigens die Inschrift: „Vigilate quia nescitis diem neque horam“ („Darum wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde.“). Das brachte, zusammen mit den vier Statuen „Die Trauernden“ auf dem Vorplatz, eine nachdenkliche Note in den sonnigen Vormittag.
Hatte Andreas (1, 2 oder 3? Auflösung, siehe Foto) soeben noch die Liste der Ehrengräber auf dem christlichen Friedhof Wilmersdorf studiert – hier ruhen z.B. der Architekt und Designer Peter Behrens, der durch seine Arbeit für AEG zu einem der „Erfinder“ des Corporate Designs wurde, und Auguste und Christian Blisse, die einst 3 Millionen Mark für die Einrichtung eines Waisenhauses spendeten – standen wir nun vor der Ahmadiya-Moschee, der ältesten Moschee Deutschlands!
Nach diesen Sehenswürdigkeiten-Stopps ging es im Laufschritt weiter, mit schönem Fernblick auf den Fennsee und Nahblick auf den unterhalb der Barbrücke schwimmenden Schrott. An dieser Stelle kam es zum inzwischen wohl zum Buchstabenlauf dazugehörenden Lauffehler (wird sozusagen langsam zur Laufmasche). Ich war im Plan mit den Augen etwas zu weit rechts gerutscht, dachte prompt wir wären falsch und blies das Signal zum Umkehren. Nur um einen halben Kilometer später festzustellen, dass wir eigentlich richtig gewesen waren und nun das „T“ ein Stückchen kürzer als gewollt ausgefallen war! Meine Mitläufer trösteten mich netterweise – ein wenig geknickt war ich schon – und weiter ging es.
Wir hatten mit einem „E“ begonnen und nun sollte auch ein „E“ den Abschluss bilden. Einmal auf der Berliner Straße hin und wieder zurück, links in die Blissestraße (genau: Auguste und Christian, s.o.), vorbei am Volkspark Wilmersdorf und wieder links in die Hildegardstraße, von dort wieder zurück, links weiter auf der Blissestraße und zum Schluss ein letztes Mal links den „E“-Balken Nummer 3 laufen.
Am Ende des Balkens – der Detmolder Straße – erreichten wir den östlichsten Punkt der heutigen Buchstabenlauf-Etappe, den Bundesplatz. Nettes Detail am Rande: Beim Blick über die Bronzeplastik „Phönix“ des Bildhauers Bernd-Wilhelm Blank entdeckte ich auf dem gegenüber liegenden Haus einen Phönix-„Kollegen“, eine große Engel-Statue. Flieger, grüß mir die Sonne…
Nun waren alle Buchstaben des Tages gelaufen, wir mussten allerdings noch 6 Kilometer wieder zurück! Der Abschnitt an der Autobahn entlang auf den Heidelberger Platz zu war wohl der unattraktivste an diesem Morgen. An einer Tankstelle legten wir noch eine kurze „Ich bin gleich wieder da“- und Zeh-Verpflasterungs-Pause ein und starteten dann durch zum „Endspurt“.
Auf dem Rückweg kamen wir erneut am Rathaus Schmargendorf vorbei, dass sich um diese Zeit etwas fotogener präsentierte. Also, das Foto-Handy gezückt und noch einmal ein Foto gemacht. Uff, die anderen sind ja schon wieder weit voraus! Jetzt aber schnell…
Ach, und a propos fotogen: die Klientel im Villenviertel Grunewald spiegelt sich sicher gerne im „Diamond & Beauty“, der Name ist Programm. Aber erstaunlicherweise widmet sie der Pflege der Fahrzeugflotte nicht ganz so viel Aufmerksamkeit wie dem eigenen Body: klebriger Blütenstaub auf dem schicken Alfa Romeo! Was sollen denn die Buchstabenläufer denken?
Auf der Koenigsallee (ja, mit „oe“, der Bankier Felix Koenigs war 1889 Mitbegründer der Villenkolonie Grunewald) trafen wir dann schließlich auf die Konkurrenzveranstaltung unserer radelnden Kollegen. Auf diesen Moment habe ich nun fast 4 Etappen lang gewartet: Die Buchstabenläufer kommen am Hagenplatz um die Ecke und werden von jubelnden Menschenmengen empfangen…
Nun noch ein kleiner Endspurt und wir sind so gut wie am Ende des heutigen Vormittagsprogramms – die Sphinx erwartet uns bereits in der Delbrückstraße Ecke Bismarckallee!
Zuvor aber noch das traditionelle Abschlussfoto der XT-Wings-Challenge-Buchstabenläufer, dieses Mal vor radfahrender Velothon-Kulisse. Bei schönstem Sonnenwetter mit netten Leuten große Buchstaben in die Straßen laufen, was will man mehr? Andreas, Monika, Hartmut, Andreas und Sylvia, ich danke euch für eure Geduld (die „E“s!) und den netten Laufsonntag durch Schmargendorf!
» Fotos der 4. Buchstabenlauf-Etappe in besserer Qualität auf flickr.com
» Berlinkarte mit den Fotos der 4. Buchstabenlauf-Etappe auf flickr.com
» Luftbild mit dem 4. Buchstabenlauf in höherer Auflösung (1,7 MB)
» Luftbild mit dem Buchstabenlauf-Gesamtstatus in geringer Auflösung (124 k)
» Luftbild mit dem Buchstabenlauf-Gesamtstatus in hoher Auflösung (3,8 MB)
Hallo Andreas,
habe soeben Deine sehr informative und gut ‘bebilderte’Story über unseren gemeinsamen ‘Buchstabenlauf’gelesen.
Congratulations! Ich bewundere Dich für Deine Mühe und Sorgfalt. Es ist gut zu wissen, daß es noch solche ‘Typen’ wie Dich gibt.
Sylvia und ich, wir würden uns über weitere ‘Running-Kontakte’mit Dir und Deinen Freunden freuen.
Grüsse von Lichterfelde nach Mariendorf
Andreas the third
Lieber Andreas,
Wieder ganz tolle Bilder, die Du da geschossen hast! Eigentlich solltest Du Deinen Beruf wechseln und ein Buch über Buchstabenläufe schreiben. Findet bestimmt reissenden Absatz.
Also im Ernst: Es war wieder ein tolles Erlebnis, wir waren an Orten, die ich bisher noch nicht kannte. Ein paar architektonische Leckerbissen waren auch dabei, da wurde meiner Architektenseele ganz weh ums Herz. Jetzt weiss ich auch wo Peter Behrens begraben liegt.
Ich freue mich auf ein nächstes Mal, am kommenden Sonntag laufen wir aber erst mal die Lichtenrader Meile.
Ich wünsche Dir eine schöne Tour durch Kreuzberg, beste Grüße
Monika