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Ein merkwürdiger Marathon-Trainingsplan

Veröffentlicht am 12.10.2014 | 8 Kommentare

Asics-Marathon-Trainingsplan: Einstellungen für Zielzeit 3:45:00

Marathon-Trainingspläne gibt es an jeder Ecke im Internet und in Laufbüchern. Die meisten folgen allgemein anerkannten Grundprinzipien. Aber als Andreas V. mir vor vielen Wochen einen Marathon-Trainingsplan von Asics zeigte, war ich doch verblüfft…

Grundprinzipien im Marathon-Training

Ob man jetzt einen „harten“ Marathon-Trainingsplan betrachtet (z.B. von Greif oder Beck), oder einen eher „gemäßigten“ (z.B. von Steffny oder Marquardt), man findet fast immer bestimmte Grundprinzipien wieder:

  • Die Anzahl der Lauftage und der Wochenkilometer stehen im Verhältnis zur angestrebten Marathon-Zielzeit – je ambitionierter das Ziel, desto umfangreicher das Training
  • Das realistisch geschätzte Marathon-Renntempo ist Maßstab für Tempo und Umfang der Einheiten
  • Die Laufwoche besteht in der Regel aus einem langen Lauf, 1-2 Tempoläufen (Intervalltraining oder Tempodauerlauf), dazu ergänzend 2-3 langsame, kürzere Läufe
  • Die Dauer der langen Läufe und der Umfang und die Intensität der schnellen Läufe werden im Verlauf der Wochen gesteigert
  • Es gibt Regenerationswochen mit reduziertem Pensum
  • Es werden ausreichend lange Läufe („30er“) absolviert (meist 3 bis 6)
  • Es wird ein Testwettkampf (Halbmarathon) eingebaut
  • In den letzten 1-3 Wochen schließt eine Taperingphase, in der das Training reduziert wird, die Marathonvorbereitung ab

Wünschenswert, aber in vielen Plänen nicht explizit enthalten, sind Ergänzungen wie Rumpfgymnastik, Stabilisationstraining oder das Lauf-ABC.

Marathontraining einmal anders

Andreas V. fielen ein paar merkwürdige Dinge auf, als er sich spaßeshalber auf der Website von Asics einen Marathon-Trainingsplan erstellen ließ. Als er mir den auf seine Vorgaben zugeschnittenen Plan zeigte, konnte ich ihm nur zustimmen.

Ich habe mir darauf hin auch einmal für mich einen Plan erstellen lassen, den ich  mitsamt seiner Kuriositäten im Folgenden vorstellen möchte.

Nach Eingabe von Alter, Geschlecht, bisheriger Halbmarathon-Zeit (ich habe mal defensiv nicht meine Bestzeit, sondern die 1:43h von diesem Herbst angegeben) und einem Marathon-Zeitziel von 3:45h bekam ich meinen Trainingsplan gezeigt.

Ich hatte kein Datum für den Marathon angegeben, daher nahm Asics 20 Wochen bis zum 01.03.2015 an. Eigentlich waren es sogar 22 Wochen, aber in den ersten beiden Wochen stand bei jedem Wochentag „Trainingspause“.

Alles eine Frage der Einstellung

Das erste Staunen dann bei den weiteren Einstellungen: Es standen für meine angegebene Marathon-Zielzeit von 3:45h nur 2, 3 oder 4 Läufe pro Woche zur Wahl! Bei dieser Zielzeit gehen die meisten mir bekannten Pläne von 3-5 Laufeinheiten pro Woche aus.

Es war mir nicht ganz klar, was man bei „Tempo“ einstellen kann, aber ich staunte nicht schlecht: Ich hatte eingegeben, dass ich 3:45h laufen möchte und schon einen Halbmarathon in 1:43h gelaufen bin – und anfangs standen die Vorgaben auf 2 Läufe pro Woche, das Tempo auf „einfach“ und Asics sagte mir voraus, dass ich unter diesen Voraussetzungen 3:42:28 laufen werde! Na, das nenne ich mal optimistisch!

Stellte ich die Anzahl der Läufe auf realistischere 4 und das Tempo auf „Durchschnitt“, so versprach mir die Vorhersage gar eine Marathon-Zeit von 3:38:52. Na, da war ich natürlich gespannt auf den Trainingsplan, der solche Leistungen möglich machen sollte…

Der Asics-Marathon-Trainingsplan im Detail

Asics teilt das Marathontraining in 5 Phasen auf (plus eine Erholungsphase nach dem Marathon).

Vorbereitungsphase

In der Kurzbeschreibung zu dieser Phase steht „In dieser Phase wirst du viel joggen…“, aber aufgelistet wurden drei Wochen, von denen die ersten beiden komplett ohne Läufe waren und die dritte Woche vier Läufe mit insgesamt 28 Kilometer enthielt. Ein sehr sanfter Einstieg.

Ausschnitt Vorbereitungsphase - Asics-Marathon-Trainingsplan

Phase schnellerer Läufe

Anschließend ging es mit einer 7-wöchigen „Phase schnellerer Läufe“ weiter. Die längsten Wochen-Kilometerumfänge lagen bei 41 Kilometern. Sehr moderate Umfänge, allerdings auch teilweise schnell gelaufen. Nicht ganz verstanden habe ich die Tempo-Angaben, die oft „von-bis“-Angaben waren. 15 Sekunden Differenz pro Kilometer sind aber schon ein spürbar anderes Tempo – welches Tempo ist also angemessen? Und im Marathontraining fast die Hälfte der Wochenkilometer im Halbmarathon-Renntempo zu laufen ist eher ungewöhnlich.

Ausschnitt Phase schnellerer Läufe - Asics-Marathon-Trainingsplan

Phase längerer Läufe

Bei der „Phase längerer Läufe“ gab es meiner Meinung nach mehrere Ungereimtheiten:

  • Warum werden die langen Läufe so schnell gelaufen?
  • Was soll die feine Unterscheidung von 1 Sekunde pro Kilometer „Steigerung“ gegenüber der Vorwoche?
  • Und – auffällig über alle Wochen – warum gibt es fast durchgängig zwei Läufe pro Woche, die im langsamsten Tempo über nur 5 Kilometer gehen?

Die schnelle Einheit in der Wochenmitte wiederum entspricht wohl dem klassischen Tempodauerlauf, wobei mir auffällt, das sie über fünf Wochen immer bei 13,5 km bleibt und nicht im Umfang gesteigert wird. So etwas Wichtiges wie ruhiges Ein- und Auslaufen, um Verletzungen zu vermeiden, kennt der Plan übrigens nicht.

Ausschnitt Phase längerer Läufe - Asics-Marathon-Trainingsplan

Die langen Läufe – in dieser 6-wöchigen Phase zwei über 22,5 km und zwei über 27 km – werden ausnahmslos schnell gelaufen. Der klassische lange, langsame Dauerlauf wird eigentlich (na, wie? klar:) langsam gelaufen. Für erfahrenere Läufer kommt in den ambitionierteren Trainingsplänen meist noch eine Endbeschleunigung im Marathon-Renntempo hinzu.

Bei Asics dagegen werden diese Läufe auf dem ersten Drittel sehr schnell begonnen (nahezu im Halbmarathon-Renntempo!) und auf den letzten beiden Dritteln immerhin immer noch flott (wenn man die erste Zeitangabe berücksichtigt) bis fast im Marathon-Renntempo (wenn man die zweite Zeitangabe ernst nimmt) gelaufen. Unglaublich!

Phase Wettkampfsimulation

Vollends absurd wird es in der Phase „Wettkampfsimulation“: Beide lange Läufe – einer über 30 km und einer über 35 km – sollen mit 5:16 min/km gelaufen werden. Das ist schneller als das von mir vorgegebene Wettkampftempo! Das beträgt für einen Marathon in 3:45h nämlich 5:20 min/km. Selbst beim „harten“ Greif umfasst die härteste lange Einheit 35 km, davon die letzten 15 km Endbeschleunigung „15 Sek. langsamer als Marathon-Renntempo bis maximal Marathon-Renntempo“. Und Asics setzt einen 35-km-Lauf auf den Plan, der komplett in einem Tempo gelaufen werden soll, das 4 Sekunden schneller ist als das angestrebte Marathon-Renntempo!

Phase Wettkampfsimulation - Asics-Marathon-Trainingsplan

Nebenbei sei angemerkt, dass in der Marathonvorbereitung ein Spitzen-Wochenkilometerumfang von 54 Kilometern für ein Marathon-Zeitziel von 3:45h sehr wenig ist.

Tapering-Phase

Da kann dann auch nicht mehr überraschen, dass die Tapering-Phase außer den durchgängigen, langsamen 5-km-Einheiten lauter schnelle Einheiten im Wettkampftempo umfasst, was auch eher unorthodox ist, um es mal so zu sagen.

Phase Tapering & Wettkampftag - Asics-Marathon-Trainingsplan

Fazit

Im Asics-Marathon-Trainingsplan wird nahezu ständig in Geschwindigkeiten gelaufen, die zwischen Halbmarathon- und Marathon-Renntempo liegen. Lange Läufe gibt es verhältnismäßig wenig, und wenn, dann ebenfalls in einem sehr hohen Tempo. Im Gegensatz dazu leistet man sich zwei Wocheneinheiten über jeweils 5 km im sehr langsamen Tempo und läuft insgesamt recht wenige Wochenkilometer. Die Verletzungsgefahr ist meiner Meinung nach bei diesem Plan extrem hoch, zumal es keine Hinweise auf das eigentlich obligatorische Ein- und Auslaufen gibt und die langen Läufe auch noch sehr schnell gestartet werden.

Ich würde gerne mal mit dem Ersteller dieses Plans diskutieren. Hier werden gleich so viele Prinzipien der Trainingslehre ad adsurdum geführt, dass es mich schon interessiert, auf welchen (neuen?) Erkenntnissen dieses Marathontraining aufbaut.

Übrigens: Beim Frankfurt-Marathon in 2 Wochen nehme ich am Asics-Programm „Better your best“ teil, weil ich hoffe, meine bisherige Bestzeit zu verbessern. Allerdings vertraue ich dafür dann doch lieber auf meinen eigenen Trainingsplan… ;-)

PS: Meinen kompletten Asics-Plan könnt ihr zur genaueren Betrachtung hier herunterladen.

Kategorien

F-Klasse-Laufen, Lauftraining

8 Kommentare zu “Ein merkwürdiger Marathon-Trainingsplan”

  1. Claudi sagt:

    Danke für die aufschlussreiche “Auseinandernahme” dieses Plans. Ich hatte ihn mir auch mal erstellen lassen und war über die Unterschiede zu den “üblichen” Plänen verwirrt. Aber so detailliert habe ich das nicht betrachtet damals.
    Viele Grüße, Claudi

  2. Andreas sagt:

    @Claudi
    Aber du hast nicht nach dem Plan trainiert, oder? Wenn man andere Pläne kennt, dann stutzt man wirklich sofort beim Anblick der Trainingseinheiten.

  3. Marek sagt:

    Dass du dir überhaupt die Zeit nimmst, sowas zu analysieren :-) Jeder halbwegs vernünftig denkende Marathoni wird einen Teufel tun, als nach solchen zusammengeklickten Plänen zu trainieren. Da ist man doch selber schuld, wenn man solchen Dingen vertraut. Aber ist halt kostenlos…

  4. Andreas sagt:

    @Marek
    Da bin ich ganz deiner Meinung, Marek, aber die Frage ist doch: Wie kommt es, dass ein angesehener Sportartikel-Hersteller solche Pläne veröffentlicht? Irgendwer muss sich die Grundregeln, nach denen diese Pläne dynamisch erstellt werden, doch ausgedacht haben. Und wie kommt man dann auf solche Laufeinheiten?

  5. Martin sagt:

    Ich habe mein Probleme mit diesen Plänen. Das Hauptproblem besteht darin, dass sie sich alle auf flache Strecken beziehen und die habe ich eben hier nicht so viele. Trotzdem lief ich mit Steffny bis auf 2 Minuten auf die vorgegebene Zeit. (Ist aber schon eien Weile her)
    Aber diese Wochenumfänge bei o.g. Plan sind für mich definitiv viel zu wenig! Das kann doch nicht gut gehen. Und warum soll ich in der Vorbereitung einen 35iger noch schneller laufen als später den Marathon???? Also verstehe ich auch nicht, wie sie auf diese Werte kommen.

  6. Andreas sagt:

    @Martin
    Klar, die meisten Marathonpläne gehen nur von Tempo- und Distanzvorgaben aus und beziehen ein profiliertes Gelände gar nicht mit ein. Da bleibt es jedem überlassen, selber zu überlegen, ob 25 km bergauf bergab in etwa 30 km in flachem Terrain entsprechen.

    Aber mit den Wochenumfängen ist es natürlich tatsächlich Unsinn: Egal ob flach oder profiliert, wer den Marathon halbwegs flott laufen will, braucht im Schnitt 50-80 Wochenkilometer.

  7. Din sagt:

    Was ich mich als erstes gefragt habe ist, ob sie vielleicht von einer Grundlangenphase, die man ja langsam (meist im Winter) zurücklegt, ausgegangen sind. Aber das würde dann ja nicht die geringen KM erklären. Die Geschwindigkeit ist aber auch ein wirkliches interessantes Thema. Ob das jemand schafft? Vielleicht eben nur mit diesen geringen Umfängen. Ich habe aufgrund meiner Zeiteinteilung auch nicht mehr die Zeit, regelmäßig vier oder mehr Laufeinheiten einzulegen. Aber dennoch habe ich einen recht hohen Umfang. Ohne diesen würde ich mich nie an einen Marathon trauen.

    Dir auf jeden Fall mit deinem Plan gutes Gelingen in Frankfurt!

  8. Andreas sagt:

    Die Geschwindigkeit würde man vielleicht schaffen, hätte damit aber schon seinen Marathon-Wettkampf hinter sich ;-)

    Ohne die entsprechenden Umfänge ist auf jeden Fall nicht viel zu holen beim Marathon. Zumindest die haben in meiner Vorbereitung gestimmt, der Rest wird sich dann in Frankfurt zeigen.

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