Am vergangenen ersten Adventssonntag stand ich mit Andreas V. und Ingo („Der Blaue“) am Start des 23. Ratzeburger Adventslaufs. Ich hatte mich im Vorfeld sehr auf diesen letzten Lauf des Jahres gefreut und wurde nicht enttäuscht. Nur etwas wärmer, trockener und heller hätte es sein dürfen, denn wir liefen die 26 Kilometer um den Ratzeburger See bei trüben 1 Grad Höchsttemperatur…
Andreas V. und ich waren um 7 Uhr in Berlin gestartet und kamen endlich nach 3 Stunden Autobahnfahrt in Ratzeburg an. Das Wetter war bescheiden, „stark erhöhte Luftfeuchtigkeit“. Die Startnummern-Abholung in einer Schule wurde durch eine kleine Laufmesse im Vorraum etwas erschwert, aber wir kamen trotzdem durch.
Zurück am Auto trafen wir dann Ingo („Der Blaue“, heute in Rot), der, nachdem wir uns alle drei startklar gemacht hatten, ein kleines Sightseeing vorschlug. So nutzten wir das Einlaufen, um kurz den Ratzeburger Dom mit einem Duplikat des Braunschweiger Löwen zu sehen.
Der Marktplatz hatte sich schon etwas gefüllt, als wir zurückkamen. Alle sahen sehr entspannt aus. Beim Blick über den Markt mit dem 1729 erbauten, historischen Kreishaus und einem davor aufgestellten großen Weihnachtsbaum, entdeckte ich einen Läufer, der passend dazu auch einen Weihnachtsbaum-Hut trug.
Es war feuchtkalt, und so waren wir dann doch froh, als endlich der Startschuss gegeben wurde. Zu hören war allerdings nichts, der Moderator versicherte uns aber, dass hiermit der Startschuss gegeben sei ;-) Ingo und ich wollten zusammen laufen, klatschten daher Andreas V. noch ab – der sich ohne seinen kurzfristig ausgefallenen Laufpartner Klaus leider alleine durchschlagen musste – und stürzten uns ins Getümmel.
Anfangs war es sehr voll, und kurz nach dem Start kam das Läuferfeld an einer Baustelle sogar komplett zum Stehen. Nachdem wir durch die Engstelle durch waren, ging es kurz darauf gleich im dichten Pulk bergauf. Eigentlich hatte ich mit Ingo einen „lockeren“ Schnitt von 5:10 min/km verabredet, aber daran war aufgrund der dichtgedrängten Läufer um einen herum überhaupt nicht zu denken.
Fotos wollte ich bei diesem Event auf jeden Fall machen, aber mir war natürlich klar, dass das bei den trüben Lichtverhältnissen und aus dem Lauf heraus schwierig werden würde (am Ende des Laufs hatte ich etwa 50 Fotos auf der Strecke gemacht, von denen die meisten deutlich verwackelt waren).
Auf den ersten Kilometern ging es ständig hoch und runter, wir bekamen von seicht bis knackig alles an Steigungen geboten. Ein ständiges Bergaufkämpfen und Bergabrasen zeichnete die Anfangsphase aus – „flach laufen“ sollte erst ab Kilometer 12 wieder möglich sein.
Wir liefen fast die ganze Zeit auf Naturwegen. Sehr schön, aber die Wege waren meist matschig und ensprechend auch teilweise rutschig. Sofern Rasen vorhanden war, lief es sich auf der Grasnarbe am besten, am Rand drohte Ausrutschgefahr.
Trotz der vielen Steigungen hielten wir ein recht zügiges Tempo. Nach etwa 7 Kilometern spürte ich allerdings deutlich, wie meine Beine müde wurden. Wie sollte ich denn dann die restlichen 19 Kilometer schaffen? Der erste Verpflegungsstand beruhigte dann erst einmal das zweifelnde Läufergemüt: Ich steuerte zielstrebig auf den warmen Tee zu, genau das Richtige bei dem Wetter!
Nur hin und wieder standen vereinzelte Zuschauer am Streckenrand, aber alle waren herzlich und fröhlich, trotz des Wetters. Ich musste zwischendurch immer mal wieder die Brille am Shirt trocken reiben. Nicht aus Rührung über die Anfeuerungsversuche, sondern weil mir der stetige Nieselregen mal wieder die Sicht raubte.
Inzwischen hatte sich das Feld etwas gelichtet, Ingo und ich liefen gleichmäßig im Einklang mit den Läuferinnen und Läufern um uns herum. Man hörte nur das „Patsch, Patsch, Patsch“ der langen Schritte auf dem matschigen Weg.
Und wieder ging es bergauf! Damit musste doch so langsam mal Schluss sein? Mein karges Frühstück war schon Ewigkeiten her, und die Gels, die ich mir als „zweites Frühstück“ hatte mitnehmen wollen, lagen vergessen im Auto… Aber was soll’s, ich versuchte den Lauf trotzdem zu genießen, vor allem die Bergab-Passagen machten natürlich Spaß! Ingo wunderte sich über mein Abwärts-Tempo, aber die simple Wahrheit war: Ich war manchmal so schnell, dass ich auf dem schwierigen Boden einfach nicht abstoppen konnte ;-)
Wir beide liefen recht harmonisch zusammen, wechselten immer wieder mal kurze Sätze und konzentrierten uns ansonsten auf das Tempo.
Bei Kilometer 12 markierte eine Brücke den Wendepunkt im Norden des Sees. Nun ging es an der Westseite des Sees wieder Richtung Ratzeburg. Ingo erzählte, dass diese Brücke bei einem Adventslauf in den vergangenen Jahren mal gesperrt gewesen war und die 26-km-Läufer noch einen 6 km Umweg bis zur nächsten Brücke laufen mussten… Da war ich doch richtig froh, dass wir jetzt auf dem hoffentlich kürzesten Weg in Richtung Ziel unterwegs waren!
Ab jetzt kam das läuferisch einfachste Stück: Zwischen Kilometer 12 und Kilometer 20 liefen wir ohne nennenswerte Steigungen und hielten trotz der durch das heftige Anfangsdrittel bereits müden Beine unseren geplanten Schnitt von 5:10 min/km. Ab und zu gab es sogar mal einen Blick auf den See.
Auf dem schmalen Weg am Ufer konnte man höchstens zu zweit nebeneinander laufen, manchmal sogar nur einzeln hintereinander, aber das Läuferfeld hatte sich so weit entzerrt, dass es nicht viele Überholmanöver gab. Ab und zu zogen wir an einem Läufer vorbei, ab und zu wurden wir auch überholt.
Irgendwann spürte ich, dass Ingo etwas Schwierigkeiten hatte, dran zu bleiben. Ich dagegen fühlte mich gut – ein Zustand, den ich im letzten Drittel eines Wettkampfs eher selten erlebe – hielt mich aber zurück, denn die letzte Steigung, vor der alle erfahrenen Adventslauf-Läufer gewarnt hatten, sollte ja noch kommen.
Wir hatten nun den vorletzten Getränkestand bei Kilometer 20 hinter uns. Jetzt müsste bald die berüchtigte allerletzte Steigung kommen. Ingo hatte mal was von Kilometer 24 gesagt, ich dagegen hatte mir von der Höhenprofil-Grafik etwa Kilometer 21 gemerkt. Na, wir würden sehen.
Nun ging es bereits stetig deutlich bergauf, links konnte man zwischen den Bäumen hindurch hinunter auf den See schauen. Bei Kilometer 22,5 war es dann soweit: In einer S-Kurve standen ein paar Zuschauer und feuerten die Läufer an, und gleich danach ging es ziemlich steil hinauf.
Wir liefen, aber man hatte das Gefühl, überhaupt nicht von der Stelle zu kommen bei dieser Steigung. Es ging immer weiter hinauf, die Beine bewegten sich immer schwerfälliger, immer langsamer. Wir waren kurz vor dem Stehen, aber dann wurde der Anstieg sanfter, ging allmählich in die Horizontale und schließlich in einen Abstieg über!
Nun geht es glücklicherweise bergab. Ich bin mir nicht sicher: War es das jetzt oder erwartet uns da noch was bei Kilometer 24? Nein, wir kommen nun auf Parkwege, da kann die Stadt nicht mehr weit sein. Meine Beine laufen jetzt von alleine.
Meine Uhr zeigt den letzten Kilometer an. Wir laufen unter einer kleinen Brücke hindurch und dann an der Straße entlang auf eine große Wiese zu. Der Weg wird nun durch Absperrungen und klatschende Zuschauer verengt, der Zielbogen ist zu sehen…
Das letzte Stück laufen wir durch ein Spalier von kleinen Tannenbäumen, ich voraus, Ingo kurz hinter mir. Ich krame noch einmal im Lauf das Handy aus der Armtasche und laufe mit gezücktem Apparat auf das Ziel zu. Das wird natürlich vom Moderator bemerkt und verschafft mir neben einem Kommentar auch eine namentliche Nennung beim Zieleinlauf. In 2:13:43 bin ich im Ziel, Ingo läuft direkt hinter mir ein!
Klasse! Wir sind beide zufrieden, verpflegen uns erst einmal und holen uns unsere Finisher-Mütze (nette Idee, statt x-tem Laufshirt).
Mitten im Getümmel zwischen Verpflegungszelten und Läuferbeinen liegt tatsächlich ein Gedenkstein „Berlin Eiche“ wie zum Gruß an die von weither Angereisten. Immerhin: Die Stadt Ratzeburg ist anscheinend deutlich älter als Berlin, Altersklasse W950 gewissermaßen.
Ingo empfiehlt die Nudelsuppe, die wirklich nach 26 feucht-kalten Kilometern sehr wohltuend wirkt.
Wir halten noch etwas Ausschau nach Andreas V. und Ingo trifft einige Bekannte. Er ist ja ein alter Hase bei diesem Laufevent, lief das 6. oder 7. Mal in Ratzeburg (übrigens mit einer Bestzeit von etwas über 2 Stunden!).
Verkleidete Läufer gibt es anscheinend nicht nur bei den großen Stadt-Marathons: In diesem knallroten Kostüm (ein Weihnachts-Muppet?) steckt ein Triathlet, der immerhin 4 Minuten vor uns im Ziel war!
Da wir anfangen zu frieren, gehen wir zurück zu den Autos, wo wir endlich auch Andreas V. wieder treffen. Er ist in guten 2:27:13 ins Ziel gekommen, hat aber wohl gegen Ende ziemlich gefroren. Wie schön, dass man sich nach dem Adventslauf im nahe gelegenen Hallenbad duschen und aufwärmen kann!
Die Schuhe mussten dort aber ausgezogen werden, was eine im ganzen Eingangsbereich verteilte Menge an Laufschuhen gab, die die Regale eines kompletten kleinen Laufladens gefüllt hätte.
Frisch geduscht zurück am Auto gab es dann noch den startblog-f-Geburtstagskuchen, der leider etwas misslungen und keksig war, aber man kann an solch einem Tag eben nicht alles haben.
Zum Schluss gab es noch ein Gruppenbild von uns dreien, bevor wir wieder ins Auto stiegen. Ingo Richtung Nordwesten und Andreas V. und ich Richtung Südosten, wieder drei Stunden über die Autobahn nach Berlin. Dort warteten immerhin unsere Familien und Monika & Klaus zu einem gemeinsamen startblog-f-Abendessen, so dass der Tag auch noch einen schönen, geselligen Abschluss fand.
Die Strecke mit einigen Höhenangaben.
Unsere Pace mit Höhenprofil – man sieht, dass die Steigungen maßgeblich das immer wieder wechselnde Tempo diktierten.
In der noch feineren Viertelkilometer-Abstufung unserer Pace sieht man deutlich, wo es bergauf ging (oder es sich anfangs staute) und wo wir rasant bergab laufen konnten.
PS: Danke an Andreas V., der mit mir den weiten Weg in den Norden nicht gescheut hat, um mal wieder etwas Neues zu entdecken, und an Ingo, der uns diesen Lauf nicht nur empfohlen hatte, sondern ihn auch noch konstant und verlässlich gemeinsam mit mir gelaufen ist!
Danke für die schönen Eindrücke, auch wenn es bei süddeutschem Wetter sicherlich noch schöner gewesen wäre.
… und für den Appetit auf Lebkuchen.
Eigentlich eine schöne Tour. Ich hätte euch allerdings auch Sonne gewünscht!
Toller Bericht zu einem sehr schönem Lauferlebnis. Das Lesen hat fast so viel Spaß gebracht wie das Laufen (oder umgekehrt). Danke fürs “ziehen” – Du wärst ohne mich ja deutlich schneller gewesen. Alles Gute für 2013 und bis bald mal wieder auf der Laufstrecke.
@Hannes
Ich hab dort nicht mal einen Lebkuchen gegessen ;-) Dabei esse ich den eigentlich gerne…
@Hanna
Ja, im Frühling bis Sommer muss die Strecke herrlich sein. Leider fällt der erste Advent selten in diese Jahreszeiten ;-)
@„Der Blaue“ (Ingo)
Vielleicht laufen wir ja 2013 den Deich- und Salzwiesenlauf zusammen. Und dann bist höchstwahrscheinlich du es, der mich zieht!