Gestern war es mal wieder soweit: Ich stand zum fünften Mal am Start des Mercedes-Halbmarathon in Tegel und war entspannt wie nie zuvor vor einem Wettkampf. Die Bedingungen waren einfach grandios, denn es war kühl (etwa 11-12 Grad) und dabei herrlich sonnig. Ein wunderbarer Tag zum Laufen! Und mit Monika, Klaus, Andreas V., Hartmut, Jürgen und „Neuling“ Sabine reiste ich auch mit einer tollen Läufer-Truppe an…
Andreas V. hatte uns alle in der Frühe nacheinander abgeholt. Von außen sieht sein Auto zwar eher klein aus, von innen fällt es aber nahezu in die Kategorie Mannschaftsbus. Die Stimmung war gut, alle redeten durcheinander und es wurde mal wieder viel gelacht.
In Tegel angekommen zeigte sich gleich, dass sich das frühe Aufstehen gelohnt hatte. Wir konnten noch problemlos in direkter Nähe des Startbereichs parken, hatten in Windeseile unsere Startunterlagen abgeholt und auch bei den Toiletten gab es so gut wie keine Wartezeiten.
Sich in einer Auto-Niederlassung umzuziehen, hat schon ein besonderes Flair und bietet viele Annehmlichkeiten gegenüber der herkömmlichen „Auf-der-Wiese-Vorbereitung“. Es ist warm, trocken, windgeschützt und man kann seine sieben Sachen bequem überall verteilen ;-) Und die Frotzelei über meine Kompressionsstrümpfe – Andreas V. war ebenfalls in den „langen Schwarzen“ unterwegs – wurde auch schnell wieder von Diskussionen über die neue Auto-Modefarbe Braun abgelöst…
Selbstverständlich durfte auch das traditionelle Luxus-Auto-Luxus-Läufer-Bild nicht fehlen! Aber dann waren wir auch endlich soweit und gingen raus, um unsere Sachen wegzubringen und uns warm zu laufen. Dabei löste sich plötzlich der Klettverschluss meiner Handy-Arm-Tasche und ich entschied spontan, dass es dieses Mal ohne Fotos von der Laufstrecke gehen musste.
Der Unterschied zwischen schnell und zu schnell
Kurz vor neun standen wir alle gut gelaunt am Start und ich war immer noch so gut wie gar nicht aufgeregt. Sehr ungewöhnlich für meine Verhältnisse, aber es lag wohl daran, dass ich in letzter Sekunde noch meine Ziele leicht korrigiert hatte. Am Tag zuvor hatte ich nämlich aufgrund meines sehr guten Trainingszustandes und der erhofften guten Wetterbedingungen damit geliebäugelt, meine persönliche Bestzeit zu verbessern, die knapp unter 1:40 h liegt. Da mich aber meine Familie aus gutem Grund immer mit leicht besorgtem Blick zu einem Wettkampf verabschiedet, beschloss ich, dass ich auch mit „defensiveren“ 1:42-1:44 h zufrieden sein könnte.
Ein schneller Start
Wir klatschten uns ab und wünschten uns Glück und dann fiel auch schon der Startschuss! Für mich ging es gut und zügig los, und wie immer in Tegel übersah ich das Schild für den ersten Kilometer. Auch der Kilometer 2 verging ohne dass ich das Schild gesehen hätte, so dass ich erst bei Kilometer 3 bestätigt bekam, was ich ohnehin geahnt hatte: Ich war etwas zu schnell, eher 4:45 min/km als die geplanten 4:50-4:55 min/km.
Immerhin, ich war flott unterwegs und fühlte mich gut. Auf der Pendelstrecke zurück vom Rathaus Reinickendorf winkten mir fröhlich entgegenkommend erst Klaus und Andreas V. zu, und etwas später sah ich auch Monika und Jürgen. Sabine entdeckte ich leider nicht.
Läufer aus der Laufschuh-Werbung
So langsam hatte ich zu meinem Tempo gefunden und lief zügig und ruhig in wechselnden Läufer-Grüppchen. Vor mir lief sogar einige Zeit „Schweinsteiger“, den ich aber irgendwann hinter mir ließ. Während sich das Läuferfeld durch das Wohngebiet bei Kilometer 4-5 bewegte, fielen mir einige Läuferinnen und Läufer auf, die so jung und dynamisch aussahen, als wären sie gerade einer Laufschuh-Werbung entstiegen. Beneidenswert, die liefen das Tempo ganz lässig. Bloß nicht leichtsinnig werden und diese Gazellen überholen, dachte ich mir, die kassieren dich locker auf den letzten Kilometern wieder ein.
Die vier mentalen Herausforderungen
Wir liefen nun die Schnecke hinauf, eine der „vier mentalen Herausforderungen“ der Tegeler Halbmarathon-Strecke. Dieser gewundene Aufstieg zur Brücke über die Autobahn ist nicht jedermanns Sache, besonders wenn er auf der zweiten Runde erneut – aber mit wesentlich müderen Beinen – bewältigt werden muss. Soweit zu Herausforderung 1 und 2. Die beiden anderen mentalen Herausforderungen lagen noch weit vor mir, nämlich die Pendelstrecke gegen Ende des Wettkampfs und der letzte Kilometer auf der Berliner Straße, die – so kurz vor dem Ziel – einfach kein Ende nehmen will. Schnecke Nummer eins war gerade geschafft, als ein unerwartetes Hindernis meine volle Aufmerksamkeit verlangte. Auf dem schmalen Fußweg musste ich an einem Läufer vorbei, der wirklich extrem mit den Armen zur Seite wedelte. An einer günstigen Stelle entkam ich den Luftschlägen und bog nun mit allen anderen in die Berliner Straße ein.
Die Promenade am See ist ein Selbstläufer
Hier lief man auf frisch erneuertem Asphalt fast wie von selbst. Immer noch waren die beneidenswert Jungdynamischen vor mir, allerdings rückte ich stetig weiter ran, und irgendwann traute ich mich dann doch an ihnen vorbei. Ich kam mir ziemlich verwegen vor und hoffte inbrünstig, es nicht erleben zu müssen, dass ich auf den letzten Kilometern nachließ, während sie fröhlich plaudernd an mir vorbeizogen. Ich lief jetzt auf dem schönsten Kilometer-Abschnitt der Strecke, die dörfliche kleine Straße Alt-Tegel entlang, vorbei an der Dorfkirche zum Tegeler See, an dem es auf der Greenwich-Promenade mit Blick auf Enten, Schwäne und Schiffe direkt am Wasser entlang geht. Ein „Selbstläufer“ im wahrsten Sinne des Wortes.
Keine 10-Kilometer-Läufer in Sicht
Nachdem ich auf den darauf folgenden Kilometern auch das Borsigtor passiert hatte, kam ich jetzt auf dem südlichen Teil der Berliner Straße wieder auf den Start-/Zielbereich und somit Kilometer 10 zu. Zufrieden nahm ich zur Kenntnis, dass mich bis hierhin keiner der 10-Kilometer-Läufer – der Wettkampf lief parallel und wurde 20 Minuten nach dem Halbmarathon gestartet – überholt hatte. Hätte Hartmut, der dieses Jahr bei den 10-nern gestartet war, vermutlich eine große Freude bereitet, mich hier kurz vor der 10-Kilometer-Marke zu überholen ;-)
Wie geht Windschatten-Laufen?
Wie bereits häufiger erwähnt, liegen mir die Zwei-Runden-Läufe. Ich mag es, wenn ich mittels „Déjà vu“ einen Punkt der Strecke nach dem anderen innerlich abhaken kann und mich so dem Ziel nähere. Auf der Holzhauser Straße wehte uns Läufern ein Wind entgegen und ich versuchte, ein wenig im Windschatten meiner Vordermänner zu laufen. Aber irgendwie gab es keine Position hinter ihnen, an dem der Gegenwind für mich spürbar nachließ. In der Theorie ist immer alles so einfach…
Mitläufer gesucht
Vor mir liefen nun zwei Männer in etwa meinem Alter, die offensichtlich zusammen gehörten und mir ziemlich genau zu wissen schienen, was sie wollten. Das Tempo war zügig und nach meiner Einschätzung absolut konstant. Ich beschloss, dieses Tempo so gut und so lang es ging mitzulaufen und blieb hinter ihnen. An der Getränkestelle am Rathaus Reinickendorf verlor ich sie kurz und sah sie dann ein Stückchen weiter vor mir wieder. Schnelltrinker offensichtlich. Keine Ahnung, ob ich schneller lief, aber nach einigen Minuten war ich wieder direkt hinter ihnen. Im Konvoi überholten wir den einen oder anderen Läufer. Ab und zu drehte sich auf den folgenden Kilometern einer der beiden halb um, um zu sehen, ob ich immer noch da bin. Ja, bin noch dran!
Die Tempomacher sind weg
Zum zweiten Mal an diesem Tag ging es nun über die Schnecke. Die Beine waren nicht mehr so federleicht wie beim ersten Mal, aber ein Problem war es auch nicht. Zufrieden stellte ich fest, dass ich wieder eine „gefürchtete“ Passage locker bewältigt hatte. Beim zweiten Durchlaufen der langen Berliner Straße Richtung Alt-Tegel beschlich mich allerdings das Gefühl, dass ich das gegenwärtige Tempo eventuell nicht bis zum Schluss durchhalten konnte. Ich überlegte schon, ob ich mich nett von meinen beiden „Tempomachern“ verabschieden und etwas zurückbleiben sollte, aber irgendwie blieb ich noch dabei. Beim letzten Getränkestand am Anfang der Straße Alt-Tegel nahm ich mein erstes und einziges Gel und spülte es mit einem Becher Wasser runter. Als ich wieder auf der Strecke war, waren die beiden vor mir verschwunden. Ich lief weiter, es ging auf den See zu. Ich dachte daran, dass es nur noch wenige Kilometer bis zum Ziel waren.
Aufregung auf der Pendelstrecke
Auf der Pendelstrecke sah ich plötzlich meine beiden Vorläufer wieder. Und erneut passierte es einfach, dass ich wieder zu ihnen aufschloss. Es wäre mir im Traum nicht eingefallen, mein Tempo zu forcieren, nur um wieder ranzukommen. Aber wahrscheinlich war ich unbewusst schneller gelaufen. Ich war also wieder da und hatte dabei fast die „Schrecken“ der Pendelstrecke darüber vergessen. Wie oft hatte ich an dieser Stelle des Halbmarathons gehofft, dass es nun endlich, endlich zum Wendepunkt kommen möge? Wie oft hatte ich ab hier so langsam die Lust verloren? Nicht so heute, an diesem strahlenden Spätsommertag. Ich war gut drauf, es lief trotz der Anstrengung noch recht locker. An Zweifel oder gar Verzweiflung nicht zu denken.
Auf der Gegengeraden kamen mir zuerst Klaus und dann Andreas V. winkend und rufend entgegen. Auch das pushte mich zusätzlich noch. Meine beiden unbekannten „Laufpartner“ und ich näherten uns gerade der Brücke, als plötzlich eine Läuferin von der Gegengeraden auf unsere Strecke abbog und somit um etliche hundert Meter abkürzte. Lautes Megafon-Gerufe „Stehen bleiben! Sofort stehen bleiben!“ der Ordner, die diese Aktion gesehen hatten. Die Frau lief direkt vor uns, Kopfhörer in den Ohren, alles um sie herum einfach bewusst ignorierend. Was sollten wir machen? Wir überholten, sahen sie und uns kurz verwundert an, und waren dann auf den letzten beiden Kilometern wieder jeder mit sich selbst beschäftigt.
Im Ziel
Spätestens als wir wieder das Borsigtor passierten und zum letzten Kilometer auf die breite Berliner Straße abbogen, wusste ich, dass ich diesen Halbmarathon ohne Probleme geschafft hatte. Das Tempo war immer noch flott, die beiden Läufer, die ich nun schon fast 10 Kilometer begleitet hatte, waren immer noch nur eine Armlänge vor mir und ich wusste, das Ziel ist nah. Mir kam der Gedanke, ob ich in einem Schlussspurt versuchen sollte, an den beiden vorbeizuziehen, aber das verwarf ich gleich als zu albern. Wenn man so gut zusammen gelaufen ist, hat man das nicht nötig. Merkwürdigerweise passierte es aber kurz darauf, dass ich nach einem unserer gemeinsamen Überholmanöver anderer Läufer vor den beiden lief. Auf den letzten zweihundert bis dreihundert Metern war plötzlich ich der Tempomacher, und da ich mit herannahendem Ziel wieder ungeahnte Rest-Kräfte verspürte, zog ich etwas an. Die letzte Kurve, ich sah und hörte den Trubel im Zielbereich, lief noch mal etwas schneller und hatte es geschafft!
Meine Uhr zeigte 1:42:12, die offizielle Zeit war 1:42:33, da hier in Tegel leider die Bruttozeit ab Startschuss gemessen wurde. Glücklich nahm ich meine Medaille entgegen und erkannte plötzlich neben mir meine beiden „Weggefährten“. Wir klatschten uns ab und beglückwünschten uns gegenseitig. Das war wirklich ein gelungener, gemeinsamer Lauf bei nahezu exakt gleichbleibendem Tempo!
Dann sah ich Hartmut wartend in der Menge stehen. Gemeinsam hielten wir nach unseren anderen Läufern Ausschau, die hoffentlich auch bald ins Ziel kommen mussten.
Zuerst kam Klaus, wenig später dann Andreas V. und nach einigen Minuten Wartezeit auch Jürgen, Monika und Sabine an.
Jetzt folgte der eigentlich schönste Teil eines gemeinsamen Wettkampfs: Das gemeinsame Beisammenstehen und Erzählen im Zielbereich…
Hartmut hatte auf der 10-Kilometer-Strecke sogar den ersten Platz in seiner Altersklasse gemacht (war aber trotzdem gewohnt selbstkritisch, da er sich eine etwas bessere Zeit erhofft hatte)!
Sabine dagegen war überglücklich, ihren ersten Halbmarathon überstanden zu haben. Und das, obwohl sie bereits nach 10 Kilometern der Fuß geplagt hatte. Tapfer, tapfer. Und willkommen im Club!
Zufrieden tranken wir noch gemeinsam den Kaffee, den Monika und Klaus extra für uns gekocht hatten und genossen die Sonne und die Halbmarathon-Atmosphäre um uns herum.
Sabine konnten wir im Läufer-Gewirr dank des Ballons nun auch nicht mehr verlieren und so machten wir uns langsam auf den Rückweg.
Wir ließen den Trubel des Events hinter uns…
… und trotteten gemächlich und zufrieden zurück zum Auto!
Ein echtes Deamteam und ein toller Bericht. Und du, Sabine, siehst richtig glücklich aus!