Es ist nun schon lange her, dass ich Teil 1 und Teil 2 meiner Reihe „Das erste Mal – Wie haben andere Läufer angefangen?“ hier veröffentlicht habe. Nun gibt es zwei weitere Berichte, mit Erfahrungen, wie sie unterschiedlicher eigentlich nicht sein können. Aber gerade das zeigt die gewaltige Bandbreite an Läufertypen, die alle eines eint: der Spaß am Laufen!
16,5 Jahre. Pupertät. Schlimm. Wegbleiben, rauchen und Bier trinken, alles andere interessiert nicht.
Irgendwann habe ich mitbekommen, dass sich mein Vater ein neues Hobby gesucht hat. Er geht nun in den örtlichen Lauftreff joggen. Es muss mich zwangsweise interessieren, da ich es, wenn ich zu Hause bin, ja ständig zu hören bekomme, wie lange und wie weit er denn schon laufen kann.
Super, gegen das Laufen habe ich ja nichts, immerhin bin ich schon immer gerne die 1000 Meter im Sportunterricht gelaufen, aber die Dauerberichte gingen mir doch gewaltig auf die Nerven. Wir trafen eine Vereinbarung: Ich gehe ab 1. Januar auch in diesen Lauftreff und laufe (trainiere?) so lange mit, bis ich schneller bin als er. Dann höre ich aber sofort wieder mit dem Herumgerenne auf und er lässt mich damit in Ruhe.
So bin ich also ab 1.1. schön brav Mittwochs und Samstags in den Lauftreff. Mit den Adidas Hallenfussball-Schlappen machte das dann wenig Sinn, auch wenn ich mit diesen aus dem Stand 8 km nonstop laufen konnte. So durfte ich mir ein paar Brooks Laufschuhe aussuchen und war sogar stolz darauf. Obgleich ich die ganze Sache zeitlich lediglich begrenzt sah.
Es kam im Februar der erste Volkslauf – ohne Plan. Ich lief 43 irgendwas, war einer von vielen und danach richtig platt. Aber irgendwie motivierte es mich weiter zu machen. Mein Vater war bei diesem Lauf nicht dabei und ich musste daher automatisch weiter trainieren, da ich ihn ja bei einem Wettkampf schlagen musste. Es kamen die Kreiswaldlaufmeisterschaften (mit 4 Teilnehmern bei der Jugend – ich wurde 3.) und ein weiterer Volkslauf (durchwachsen, 2. Platz Jugend).
Es muss Ende April gewesen sein (nach 4 Monaten Training!) und ich wurde von zwei Vereinskameraden morgens ins Auto geladen und es ging zum 10 Kilometer Lauf nach Maximiliansau mit flacher Strecke. Beide liefen den Marathon und ich war als B-Jugendlicher auf mich alleine gestellt. Ich versuchte mir trotz allem mein Rennen einzuteilen und fand nach ein paar Kilometern einen Läufer, an den ich mich hängen konnte. Ich weiss noch genau, dass ich ihn ca. 2 Kilometer vor dem Ziel noch fragte, ob „es noch unter 40 Minuten reicht“. Er antwortete mir: „Das hoffe ich mal“. Im Ziel zeigte die Uhr 38:09 Minuten – Sieger in der B-Jugend und Beifall bei der Siegerehrung. Ein tolles Gefühl und im Gegensatz zum Fussball hatte ich das nun alleine in der Hand.
Ich bin bis zu diesem Zeitpunkt nie gegen meinen Vater angetreten, aber an ein Aufhören konnte und wollte ich jetzt selbst nicht mehr denken. Das Gefühl war einfach zu gut. Es folgten viele Siege in der Jugend und die Vorschusslorbeeren in der Szene waren immens. Im Dezember des gleichen Jahres – und nicht einmal ein Jahr des Trainings – konnte ich noch in der B-Jugend die 10 Kilometer in 36:14 Minuten laufen, die 15 Kilometer in 54:50 Minuten. Die Steigung war dann doch einfach zu rasant. Statt zumindest auf süddeutscher Ebene die kommenden zwei Jahre vorne mitlaufen zu können, waren die kommenden Jahre immer wieder mit langen Verletzungspausen versetzt. Es folgte noch ein Baden-Württembergischer Meistertitel bei den Junioren ein paar Jahre später (1997).
Immerhin: Auch 17 Jahre später bin ich noch am Trainieren, sicherlich nicht mehr mit dieser Motivation und der Härte von damals, aber ich habe mich durch die unzähligen Verletzungen und Überlastungsprobleme nicht unterkriegen lassen und bin noch dabei. Als der „örtliche Lauftreff“ am Boden lag, habe ich dort den Vorsitz übernommen und konnte den Chefposten im vergangenen Jahr nach 6 Jahren übergeben: Aus nur noch knapp 30 Mitgliedern wurden bis heute knapp 80. Mit im Boot sind nun grandiose Sportler, die das Deutschlandtrikot tragen (2x) und im Ultralaufbereich Weltklasse sind. Unsere Region haben wir im 10-km-Bereich mindestens 3 Jahre dominiert.
Meine eigenen Bestzeiten stehen mittlerweile bei 34:42 über 10 km und 16:25 über 5000 Meter. Rückblickend kann ich aber nicht sagen, warum ich immer noch laufe. Es ist anstrengend und verdammt langweilig.
Sven
Ich habe sozusagen aus „beruflichen Gründen“ mit dem Laufen begonnen. Im Mai 2006 war ich im Nebenjob als „persönliche Assistentin“ eines jungen Menschen tätig, der nach einem Schlaganfall weder sprechen noch schreiben konnte. Er war früher Radkurier in Berlin gewesen und suchte neue Herausforderungen. Also haben wir uns dazu entschlossen, mit ihm gemeinsam beim „Run & Bike“ in Neuzelle zu starten.
Beim „Run & Bike“ besteht ein Team aus zwei Menschen und einem Fahrrad. Beide müssen im Ziel ankommen und dürfen sich auf der Strecke beliebig oft abwechseln. Die kürzere der beiden angebotenen Strecken war 42 km lang! Weder Heiko, unser „Pflegling“, noch wir Assistenten waren irgendwie auf so etwas vorbereitet.
Immerhin hatten wir einen Gelegenheitsjogger aufzubieten und ich selbst konnte mir vorstellen, innerhalb von vier Wochen ein paar Mal zu laufen, um nicht gleich nach 500 m schlapp zu machen. Wir hatten keine Hoffnung, dass Heiko jemals von seinem Rad absteigen würde und unser Plan sah eigentlich so aus, dass wir nach spätestens 5-10 km die nächste Kneipe aufsuchen würden. Gesagt, getan – wir meldeten zwei „Kopfsalat-Teams“ und wollten eigentlich nur einen netten Betriebsausflug machen.
Einer der Assistenten, ein übergewichtiger Mensch vom „Rockertyp“, brach schon bei Kilometer zwei beinahe ein… da gab es eine Anhöhe und er war zu schnell gestartet. Heiko stieg aus Solidarität vom Rad ab, lief selbst, um seinen Assistenten ein Weilchen zu schonen.
Nach 2,5 km hatten wir das gesamte Starterfeld aus den Augen verloren und liefen fortan vor dem Besenwagen her. Regelmäßig befragten wir Heiko nach seinem Befinden und drei Assistenten hofften heimlich, er würde das Unternehmen abblasen. Jedes Mal machte er eine Gewinnergeste und bedeutete, dass es ihm prima gehe. Dazu muss man wissen, dass er der Einzige war, der Radlerschuhe für Klickpedalen an den Füßen hatte. Damit kann eigentlich kein Mensch eine längere Strecke laufen.
Eine Zigarette, die er am Verpflegungspunkt bei Kilometer 20 in aller Ruhe geraucht hat, die gefühlten 380 km Oderdeich zwischen den Kilometern 22 und 32 und den Versuch des Besenwagenfahrers, uns bei km 40 eine Abkürzung vorzuschlagen, erwähne ich hier nur kurz. Der Tag war lang und das ganze Unternehmen ohnehin völlig verrückt. Viel wichtiger war, dass wir das irgendwann wirklich gemeinsam schaffen wollten und jeder, der hätte aufgeben wollen, sich den anderen gegenüber wie ein Schuft vorgekommen wäre.
Nach sechs Stunden, sechzehn Minuten und sieben Sekunden sind wir alle vier unter namentlicher Nennung im Ziel eingelaufen!
Beim anschließenden Festmahl hat unser „Rocker“ es nicht mal mehr geschafft, sein Bier auszutrinken. Unsere Muskeln waren so bretthart, dass wir nach dem Essen kaum aufstehen konnten. Heiko ging es zwei Tage lang richtig schlecht, aber wenn wir den Lauf auch nur erwähnten, musste er herzlich lachen.
Tja, seitdem laufe ich eigentlich regelmäßig. Nicht, weil ich befürchten müsste, so etwas nochmal mitmachen zu müssen, sondern weil ich nach dem Tag dachte, es wäre schade, wieder aus „der Kondition“ kommen. Sie ist viel besser geworden mit der Zeit. Jetzt hab ich sogar ein paar Laufschuhe im Büro und wenn ich nen langen Tag habe, bin ich schon mal zwischendurch auf ein Stündchen im Friedrichshain. Laufen entspannt mich und ich fühle mich prima, seit ich es regelmäßig tue.
Annett
na endlich… :-) Schön, dass dieses Thema weitergeführt wird!!
@Hanna
Ja, würde ich auch gerne noch mehr davon bringen. Aber leider zieren sich alle sehr, etwas zu schreiben. Wie wär es mit deinen ersten Laufschritten…?
Oder hat noch jemand anderes Lust?
Starke Geschichten! Schön, dass die Serie noch nicht zu Ende ist.