Am Sonntag, den 4. Oktober haben Eyyüp und ich wahr gemacht, was wir schon lange geplant hatten: Einen Ultra-Lauf über 50 Kilometer. Am Ende sind es sogar 51,5 Kilometer geworden! Dadurch, dass Andreas V. uns die gesamte Strecke auf dem Rad begleitet hat und Monika und Klaus für das letzte Drittel zu uns gestoßen sind, wurde es ein tolles Laufevent für uns alle…
Das Abenteuer Ultra beginnt
Treffpunkt war an der B101 an der Berliner Stadtgrenze. Da sahen wir beide noch sehr entspannt aus (Andreas V. auf dem Rad sowieso). Trotz der frühmorgendlichen 10 Grad war angesichts der später steigenden Temperaturen natürlich „kurz-kurz“ Pflicht.
Über den südlichen Berliner Mauerweg liefen wir anfangs Richtung Westen, kreuzten die Bahntrasse am S-Bahnhof Lichterfelde Süd (Andreas V. musste sein Rad die Treppe hochschleppen, da der Fahrstuhl kaputt war) und erreichten bald darauf den Teltowkanal.
Nach etwas über 7 km überquerten wir den Kanal…
… und kamen wenig später zum großen – immerhin über einen Kilometer langen – Heinrich-Laehr-Park.
Wir mussten uns hin und wieder kurz orientieren, um den von mir geplanten Weg zu finden. Aber auf das Schild „Heimat“ fielen wir nicht hinein.
Irgendwie hatten Eyyüp und ich an diesem Sonntagmorgen nervöse Blasen – als wir nach über 12 Kilometern am Museumsdorf Düppel ankamen…
… hatte jeder von uns sich schon mindestens vier Mal in die Büsche geschlagen.
Der Königsweg
Nun begann der schönere Teil der Strecke…
… wir bogen ab in den Königsweg.
Hier ging es schnurgerade 6 Kilometer geradeaus durch den Wald…
… nur einmal unterbrochen von der Brücke…
… über die Autobahn am ehemaligen West-Berliner Kontrollpunkt Dreilinden („Checkpoint Bravo“) an der damaligen Transitautobahn durch die DDR.
Immer weiter führte uns der Königsweg durch den Düppeler Forst Richtung Südwesten. Phasenweise wurde es sogar leicht hügelig.
Das Wetter war wunderbar zum Laufen – trocken, kühl und sonnig. Glücklicherweise hatten das die Ausflügler noch nicht bemerkt oder schliefen noch, denn wir hatten den idyllischen Weg (fast) für uns alleine.
Wir passierten nun einen weiteren historischen Ort der deutsch-deutschen Teilung. Eine orange Stele erinnerte an Christian Buttkus, der hier am 4. März 1965, getroffen von 25 Projektilen, bei einem Fluchtversuch aus der DDR starb.
Nach einer kurzen Trinkpause ging es weiter. Jetzt mussten wir nur den richtigen Abzweig finden.
Dort, das musste er sein! Der Teerofenweg kreuzte den Königsweg, wir bogen rechts ab und kamen kurz darauf zu einer kleinen Bahn-Unterführung…
… hinter der es – sind wir hier richtig? – nach links ging – hey, war das nicht eben eine bekannte TV-Moderatorin, die uns walkend entgegen kam? – bis wir an ein Schild kamen. Und wenn da „St. Hubertusbaude“ draufsteht…
… dann konnte die Hubertusbrücke nicht weit sein! Ein wunderschöner Blick auf den Griebnitzkanal mit bereits herbstlich gefärbten Bäumen am Ufer…
… und einem einsamen Ruderer.
Die Griebnitzseepromenade
Nun ging es auf die Griebnitzseepromenade, wo uns schon gleich mal ein privater Stand mit selbstgemachten Marmeladen empfing.
Immer wieder gab es schöne Ausblicke durch die Ufervegetation auf den See.
Ein wirklich wunderschöner Pfad, der uns da am Ufer um den Griebnitzsee herumführte, wir waren alle drei begeistert.
Für das eine oder andere Foto blieb ich kurz stehen und musste dann wie immer erst wieder den Anschluss suchen.
Leise zogen kleine Schiffe auf dem See an uns vorüber.
Klein Glienicke
Schließlich hatten wir den Potsdamer Stadtteil Klein Glienicke erreicht, durch den wir…
… an prächtigen Villen und interessanten alten Häusern vorbei…
… auf den vom Potsdamer Drittelmarathon bekannten Weg zur Glienicker Brücke kamen – entlang der alten efeuberankten Mauer…
… mit den graffitiverzierten historischen Portalen.
Auf Höhe der Löwenfontäne vor dem Schloss Glienicke machten wir eine Ess- und Trinkpause.
Glienicker Brücke und Potsdam
Im Anschluss ging es über die Glienicker Brücke. Hier bin ich schon etliche Male ins Ziel des Potsdamer Drittelmarathons gelaufen. Aber an diesem Sonntag waren wir deutlich gemütlicher unterwegs. Und bis zu unserem Zieleinlauf waren es von hier noch satte 27 Kilometer!
Am Vortag wurde ja der 30. Tag der Deutschen Einheit begangen und wir bewegten uns passenderweise auf unserer Strecke häufig auf der Nahtstelle zwischen Ex-West und Ex-Ost, woran uns nun auch das Schild auf der Berliner Straße in Potsdam erinnerte.
Von der Berliner Straße bogen wir ab auf die Humboldtbrücke, von der wir einen Blick auf die „Marina am Tiefen See“ hatten.
Andreas V. war vorausgefahren und machte Fotos von mir…
… und Eyyüp, nachdem wir die Steigung zur Brücke geschafft hatten.
Danach ging es auch gleich wieder abwärts zum Park Babelsberg.
Erst entdeckte ich aber noch ein nettes Graffiti auf dem Fußboden.
Park Babelsberg
Wir liefen immer am Wasser entlang durch den Park und hatten dabei wunderbare Ausblicke auf moderne Gebäude (hier das Hans-Otto-Theater)…
… und alte Gemäuer.
Ein lustiger Moment, den ich spontan im Foto festhielt: Eine Minnie Maus im rosa Herz an einem Holzschuppen, vor dem Eyyüp gerade nach rechts abbog.
An der Seite standen Strandkörbe, sauber aufgereiht – der Sommer ist vorbei.
Das „Kleine Schloss“ – 1842 als „einfaches Gartenhaus“ für Kronprinz Friedrich Wilhelm erbaut – ist heutzutage ein Café… vor dem an diesem Morgen ein Kellner hoffnungsvoll auf Gäste wartete.
Zwei Spaziergängerinnen genossen auf einer Bank die Ruhe und die Sicht auf vorbeifahrende Ausflugsschiffe.
Als wir um das 1843-1845 entstandene Dampfmaschinenhaus liefen, hatten wir den Park Babelsberg schon fast hinter uns.
Karl-Marx-Straße
Nach diesen beschaulichen Park-Impressionen ging es für uns durch das Potsdamer Stadtgebiet weiter…
… wo uns zahlreiche beeindruckende Villen staunen ließen („Guck’ mal, mit begrüntem Balkon!“).
Besonders natürlich die „kleine Burg“ mit dem überdimensionalen roten Google-Pin im Vorgarten!
S-Bahnhof Griebnitzsee
Ich hatte auf den letzten Kilometern etwas geschwächelt und freute mich schon darauf, endlich Monika und Klaus zu treffen, die uns gutgelaunt am S-Bahnhof Griebnitzsee erwarteten.
Über den Universitätscampus Griebnitzsee, der eine sehr wechselvolle Geschichte hat und nun das Hasso-Plattner-Institut beherbergt, liefen wir nun zu viert (plus Andreas V. auf dem Rad) vorbei an der Skulptur „Rotkäppchen und…“ (die heißt tatsächlich exakt so, weil der Wolf fehlt).
Exklave Steinstücken
Selbst auf die Gefahr hin, unsere ohnehin lange Strecke noch ein wenig mehr zu verlängern, schlug ich vor, einen kleinen Seitenabstecher zu machen. Wir kamen nämlich gerade an der Exklave Steinstücken vorbei, die zu Berlin gehört, aber fast vollständig von Potsdamer Gebiet umschlossen ist.
In der Zeit von 1961 bis 1972 war hier ein ständiger US-Militärposten zum Schutz der Bewohner von Steinstücken eingerichtet, und die Soldaten wurden regelmäßig per Hubschrauber eingeflogen (und manchmal wohl auch Flüchtlinge ausgeflogen). Ein Denkmal mit zwei Hubschrauber-Rotorblättern auf einem Spielplatz erinnert heute an den ehemaligen Landeplatz.
Nach diesem kleinen Exkurs zur Exklave liefen wir weiter Richtung Stahnsdorf.
Parforceheide
Auf einem schmalen Waldpfad ging es immer weiter Richtung Osten durch die Parforceheide.
Die Sonne schien herrlich durch die Baumkronen, aber bei mir machte sich zunehmende Ermüdung bemerkbar.
Was insofern merkwürdig war, da wir uns „erst“ bei Kilometer 35 befanden – und solch einen Anfall von Schlappheit hatte ich in der Vorbereitung nur einmal in unseren sehr langen Trainingsläufen erlebt.
Südwestkirchhof Stahnsdorf
Ironie am Rande: Ausgerechnet der Anblick der alten Grabstellen eines Friedhofs belebte mich wieder! Wir liefen nämlich auf einem sehr engen Pfad zwischen dem Wilmersdorfer Waldfriedhof Stahnsdorf und der Rückseite des Südwestkirchhofs Stahnsdorf entlang. Und ich entdeckte durch die Bäume die Rückseite des Mausoleums von Sprachlehrer und Verleger Gustav Langenscheidt, welches ich im August bei einem Ausflug zu diesem berühmtem Friedhof von vorne gesehen hatte (nicht auf dem Foto zu sehen).
Trotz dieser aufflammenden Begeisterung waren meine Schritte anscheinend noch träge. Denn kurz darauf stürzte ich über Ziegelsteine, die nur ein Stückchen aus dem Waldboden herausguckten, und landete unsanft auf dem Bauch und der Seite! Großer Schreck bei Monika und Klaus (Eyyüp und Andreas V. waren ein ganzes Stück voraus), aber mir ging es relativ gut. Knie und Ellenbogen auf der rechten Seite waren ein wenig aufgeschrammt und ich sah reichlich dreckig aus. Aber nachdem ich mich etwas berappelt hatte, konnte es weiter gehen.
Vorbei an weiteren Grabstätten vom Ende des 19. Jahrhunderts hatten wir bald das Ende des Areals erreicht und schlossen zu den beiden anderen auf.
Andreas V. hatte doch tatsächlich ein Erste-Hilfe-Set dabei und konnte daher mein Knie gleich fachgerecht desinfizieren!
Was ich bisher nicht erwähnt habe: Der wirklich sehr schmale Pfad zwischen den beiden alten Friedhöfen wird auf der Karte als „Alte Potsdamer Landstraße“ bezeichnet. Und auf dieser – allerdings jetzt deutlich besser ausgebaut und besiedelt – liefen wir nun weiter.
Stahnsdorf
„Tank’s dir einfach: Die süße Prämie für sofort!“ forderte ein Banner an der Tankstelle am Bäkedamm. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und gönnte mir eine kleine Cola, die Andreas V. als Proviant dabei hatte.
Vorbei am Kunstverein Kleinmachnow liefen wir zur Brücke am Machnower See…
… und setzten unseren Weg am nördlichen Ufer des Teltowkanals fort.
Eyyüp lief fit wie ein Turnschuh, begleitet von Andreas V., voraus und ich, begleitet von Monika und Klaus, die mich mit allerhand Geschichten von meiner Müdigkeit ablenkten, hinterher. Es gab zwischendurch sogar eine mehrminütige „Marathon-Zieleinlauf-Simulation“ der beiden mit Sprecher-Kommentar und jubelnden Zuschauermassen. Klasse!
Durch das Sportforum Kleinmachnow mit anschließendem Bogen um das Augustinum…
… kamen wir wieder auf den Weg am Kanal zurück.
Nun war es nicht mehr weit bis zur ersten, besten, tollsten Verpflegungsstation unseres Ultralaufs!
Teltow
Eyyüps Frau und Sohn hatten alles vorbereitet, was man sich als Läufer nach 46 Kilometern nur wünschen kann: Bananen, Nüsse, Datteln, Cola – es war fantastisch!
Dummerweise fühlte mein Magen sich nicht so gut an und ich konnte nur vorsichtig zugreifen. Aber ein halbes Glas Cola musste dann zumindest doch sein!
Gestärkt ging es weiter, Eyyüp immer fröhlich voraus, wir anderen hinterher. Meine Schwächephase war zwar nicht überwunden, aber ich fühlte mich wieder besser.
Parks Range und Mauerweg
Auf dem einsamen Pfad um die„Parks Range“ liefen wir radbegleitet weiter…
… bis wir auf den Mauerweg stießen. Unsere Zielgerade!
Geschafft!
Nach 51,5 Kilometern hatten wir es geschafft und waren wieder am Ausgangspunkt angekommen. Insgesamt – inklusive aller Pausen – waren wir 6:20 h unterwegs gewesen und meine Laufuhr zeigte eine Netto-Lauf-Durchschnittsgeschwindigkeit von 6:26 min/km an.
Die Strecke
Und so sieht das alles auf der Karte aus. Wer es im Detail nachvollziehen möchte, kann sich unter dem folgenden Link eine hochauflösende Version herunterladen.
» Strecke in höherer Auflösung zum Download
PS: Ein großer Dank geht an Eyyüp – es hat viel Spaß gemacht, gemeinsam auf dieses große Abenteuer zu trainieren und schließlich diese schöne Strecke zusammen zu laufen! Danke auch an Andreas V. für die so wichtige Radbegleitung inkl. Sanitätseinsatz und Cola, an Monika und Klaus für den mentalen Support und an Eyyüps Familie für die beste aller Verpflegungsstationen!
Mein besonderer Dank an Dich, es war einfach klasse.
Deine Organisation und Planung war die halbe Miete.
Auch mein Dank, an Andreas V, Monika, Klaus und nicht zu vergessen, mein Dank an meine Frau & Sohn.
P.s. Andreas, Ich würde jederzeit wieder einen Ultra-Lauf mit Dir laufen – es wäre für mich fast wie eine Ehre
Eine bessere Lauftruppe kann ich mir nicht vorstellen! Vielen Dank!
@Eyyüp
Es war eine tolle Aktion – und du bist gelaufen wie ein Uhrwerk! Jetzt haben wir uns eine kleine Erholungszeit verdient;-)
Tolle Leistung und superschöne Bilder!!
@Martin
Danke, die Strecke war auch wirklich wunderschön!
Alle Achtung, ihr zwei! Ohne Startnummer und dann noch Strecken, für die ich definitv das Rad nehme! Albrechts Teerofen und am Glienicker See habe ich deswegen auch nur mit dem Rad gemacht. Weiter so, ihr Genuss-Ultras….:-)
@Schinderhannes
Danke, aber ein „weiter so“ wird es ziemlich sicher nicht geben – so viel Genuss ist da dann doch nicht dabei ;-) Ich denke schon, dass wir in Zukunft noch das eine oder andere Mal recht lange Strecken laufen werden, aber so lang dann wahrscheinlich nicht.