Vor kurzem wurde ich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, das neue Webportal inner-athlete.de zu testen. Hatte ich, und machte mich auf, meinen „inneren Athleten“ zu entdecken…
Sportpsychologie für Freizeitsportler
InnerAthlete ist ein Produkt der Sportsdrive GmbH aus Stuttgart, die psychologische Tests hauptsächlich für Profisportler anbieten. Es geht um die Messung und Förderung mentaler Stärke. Diese Tests sind normalerweise nur über Fitnessstudios, Sportpsychologen oder Sportverbände erhältlich. Mit InnerAthlete wendet sich das Unternehmen erstmals direkt an den einzelnen (Freizeit-)Sportler. Dieser erhält nach dem Test per E-Mail eine Auswertung geschickt, die individuelle Empfehlungen enthält, welche Sportarten am ehesten zu ihm passen und wie er sein Sportprogramm so gestalten kann, dass es ihn dauerhaft motiviert und somit voranbringt.
Wie funktioniert der Test?
Der Test umfasst 116 Fragen, deren Beantwortung ungefähr 20 Minuten dauert. Da man jeweils nur auf einer Skala von 1-7 sagen soll, ob eine bestimmte Aussage eher zutrifft oder eher nicht, geht das tatsächlich recht flott. Das Ergebnis des Tests – ein 19-seitiges PDF – hatte ich einen Tag später im Maileingang (von Sonntag auf Montag).
Wie war’s?
Durchwachsen. Dass man mir empfiehlt, mit anderen gemeinsam Sport zu machen, nachdem ich gleich bei mehreren Fragen geantwortet habe, dass ich gerne mit anderen Sport mache – klar. Dann ein paar Sachen aus der Kategorie „Muss ich mir nochmal genauer durch den Kopf gehen lassen…“. Es gibt im Testergebnis nämlich nicht nur Aussagen über die festgestellten Eigenschaften sondern auch Denkanstöße und Vorschläge. Kann nie schaden, und gucke ich mir gerne noch mal in Ruhe an. Was mich aber in ungläubiges Staunen versetzt hat, waren folgende Sätze:
Probiere Sportarten aus, die bewusst auf einen Leistungsfokus verzichten, wie z. B. Yoga, Pilates, usw. […] Sportarten, wie z.B. Marathon, die langfristiges Training und intensive Vorbereitung brauchen, sind weniger Dein Ding.
Nee, das trifft mich und meine Einstellung zum Sport überhaupt nicht! Jeder, der mehr als fünf Artikel auf startblog-f gelesen hat, wird mich da besser einschätzen können…
Wie konnte es dazu kommen?
Natürlich habe ich mich gefragt, wie es zu solchen Einschätzungen kommen konnte. Ich habe die Fragen ernsthaft und wahrheitsgemäß beantwortet und glaube auch, dass hinter dem Test Leute stecken, die Profis sind und wissen, was sie tun. Wie kann dann ausgerechnet mir – „Mr. Marathon-Trainingsplan“ – Yoga empfohlen und von Marathontraining abgeraten werden?
Der „Fehler“ liegt meiner Meinung nach in der sogenannten Vergleichsgruppe. Alle meine Antworten wurden nämlich jeweils in Relation zu einer Vergleichsgruppe gesetzt und entsprechend gewertet, ob ich beim jeweiligen Aspekt überdurchschnittlich oder unterdurchschnittlich veranlagt bin. Läufer kennen das von den Wettkämpfen: Wenn ich mich mit älteren Altersklassen vergleiche, ist meine Zielzeit meist ganz passabel, wenn ich mich mit jüngeren Altersklassen vergleiche, sehe ich im wahrsten Sinne des Wortes alt aus!
Der innere Athlet und die Vergleichsgruppe
Bei der in diesem Test herangezogenen Vergleichsgruppe handelt es sich um Fitnessstudiobesucher und Personal Trainer. Ich liege sicherlich nicht allzu falsch, wenn ich behaupte, dass die Schnittmenge zwischen einem durchschnittlichen Fitnessstudiobesucher und einem 50-jährigen Langläufer doch verhältnismäßig klein ist.
Während es für mich vollkommen normal und richtig ist, nach vielen Lauf- und Wettkampfjahren zu sagen, so, jetzt muss es nicht mehr unbedingt eine neue Bestzeit sein, würde man doch geradezu davon ausgehen, dass ein Zwanzigjähriger noch was vom Leben will und Ehrgeiz zeigt. Beides ist richtig und völlig in Ordnung, aber eben schlecht vergleichbar.
Wenn ein Marathon-Profi nach dem Karriereende sagt, „So, jetzt laufe ich nur noch zum Spaß!“ (was bei ihm vielleicht 2:30 h heißt), dann käme für ihn bei solch einem Test wahrscheinlich heraus, dass er sich doch bitte ein wenig mehr motivieren könnte und ein Wettkampf wäre ja so gar nichts für ihn!
Mein Fazit
Je näher ihr an dieser jungen Fitnessstudio-/Personal-Trainer-Vergleichsgruppe dran seid – und je näher ihr am Anfang eurer sportlichen „Karriere“ steht –, desto interessanter kann solch ein Test für euch sein. Seid ihr so weit entfernt davon wie ich, dann hat der Test, abgesehen von ein paar interessanten Denkanstößen, nur eine sehr eingeschränkte Aussagekraft.
PS: Wenn ich es richtig sehe, ist der Test derzeit noch kostenlos. Der zukünftige reguläre Preis wird 12,90 € sein.
Also Psychofan hab ich das jetzt natürlich gleich ausprobieren müssen :-)
Mal schaun was raus kommt dabei …
@Hans
Na, da bin ich aber auch gespannt, Hans! Vielleicht kannst du ja kurz rückmelden, wie das Ergebnis bei dir ausgefallen ist.
So Andreas – ich kennen nun meinen inneren Athleten :-)
So wie ich das verstehe geht es darum, neue Möglichkeiten zu finden, seine Motivation für Sport zu steigern. Darum ist es notwendig seine momentane “Motivationslandkarte” zu kennen.
Der Test und die Dokumentation des Testergebnisses ist wirklich schön aufgebaut und das Dokument kommt “wertig” daher. Da hat sich wirklich einer Gedanken gemacht.
In einigen Punkten finde ich mich wirklich wieder. In anderen Punkten geht es mir wie Dir mit Deiner Yoga Empfehlung. Da kann ich mir zwar vorstellen, wie das Ergebnis zustande kommt aber … naja.
Es ist halt wie in vielen solcher Tests – sie sind abhängig von der Tagesform, die Punkte sind interpretierbar und eben KEIN psychologisches Gutachten sondern eine Abbildung von Mustern.
-> Bei mir sehe ich eine Trefferquote von immerhin 80% und besser kann so ein Test wahrscheinlich auch gar nicht werden.
Zum Ziel … meine Motivation zu steigern … hm.
Ich glaube bei Vereinssportlern und, wie soll ich sagen, solchen, die Einwirkung von außen brauchen ist so ein Test UND eine BETREUTE Umsetzung der Ergebnisse sicher ein Weg.
Ich als Läufer, der die meiste Zeit alleine im Dunkeln unterwegs bin, muss eh motiviert sein. Sonst ginge das gar nicht. Da ist die Motivation einfach Gewohnheit und wird sicher mit Yoga nicht besser :-)
Somit danke für den Tipp den Test zu machen. Ich sehe viele Anwendungsfelder und für mich war es interessant.
Viele Grüße,
Hans
@Hans
Vielen, vielen Dank, Hans! Ich finde, du hast meinen Artikel durch dein ausführliches Feedback sehr gut ergänzt, so dass sich die Leute ein noch differenzierteres Bild machen können.