Lauf-Blog für Läuferinnen und Läufer der F-Klasse

Marathon-Verpflegung: Wie viel sollte man als Läufer essen und trinken?

Veröffentlicht am 17.09.2011 | 6 Kommentare

3 Becher mit Wasser, wie sie beim Marathon ausgegeben werden

Jeder Marathon-Läufer fragt sich im Vorfeld, was und vor allem wie viel er auf den langen 42 Kilometern essen und trinken soll, um möglichst gesund und ohne Leistungseinbruch im Ziel anzukommen. Ich habe einmal recherchiert und den Stand der Dinge zum Thema Verpflegung beim Marathon zusammengetragen…

Wie viel sollte ein Läufer beim Marathon trinken?

Zum Thema „Trinken beim Marathon“ gibt es durchaus verwirrende Statements von Lauf-Experten und Wissenschaftlern. Klar ist auf jeden Fall, dass man den großen Flüssigkeitsverlust durch Trinken beim Marathon ausgleichen sollte.

Kann man auch zu viel trinken?

Etwas Verwirrung hat es gegeben, als es zu Todesfällen durch übermäßiges Wassertrinken gekommen war. Hier war es bei den Läufern zu einer Verdünnungshyponatriämie gekommen, der Natriumspiegel im Blut war durch sehr große Wassermengen lebensbedrohlich abgesunken. Es ist also wichtig, neben dem Wasser gleichzeitig auch Natrium (Salz) zu sich zu nehmen.

Empfohlen wird eine Prise (etwa 1,5 g) Kochsalz pro Liter. Dies kann entweder durch ein selbstgemischtes Wettkampfgetränk geschehen oder durch Sportgetränke, Gels oder Riegel mit entsprechendem Natriumgehalt (Tabelle siehe unten). Zu wenig Natrium bei gleichzeitiger Aufnahme von großen Mengen Wasser führt zu Leistungseinbußen, Bewusstseinsstörungen und im Extremfall sogar zum Tod.

Wird man durch Trinken schneller?

Unbestritten ist, dass man keinesfalls dehydriert an den Start gehen sollte – ein altbekannter Test: der Urin sollte hell bis farblos sein – und dass regelmäßiges Trinken im Wettkampf entscheidend für eine konstante Ausdauerleistungsfähigkeit ist.

Erstaunlich ist allerdings, dass britische Forscher 2007 keinen Zusammenhang zwischen der Flüssigkeitsmenge, die die Läufer tranken, ihrer Körpertemperatur und ihrer Leistung feststellen konnten. „Unsere Forschung, für die wir erstmals die innere Körpertemperatur kontinuierlich gemessen haben, bietet keine Hinweise darauf, dass Flüssigkeitsaufnahme die Läufer abkühlt oder ihre Leistung verbessert“, wird Chris Byrne von der University of Exeter auf sueddeutsche.de zitiert.

Ich würde das so interpretieren, dass das Trinken einen Marathon-Läufer zwar vor einem Leistungseinbruch und gesundheitlichen Schäden bewahrt, da es die Verluste durch das Schwitzen ausgleicht, ihn aber nicht schneller macht.

Was ist die ideale Menge, die ein Marathonläufer an Wasser zu sich nehmen sollte?

Laut Herbert Steffny ist die Wasseraufnahme im Rennen ein Kompromiss. Einerseits solle das Blut in der Muskulatur sein, andererseits sei der Darm mit Wasser-, Elektrolyt- und Kohlenhydrataufnahme beschäftigt und brauche dafür ebenfalls Durchblutung. Es muss also eine bestmögliche Balance gefunden werden, die Flüssigkeitsverluste auszugleichen, ohne den Darm durch übermäßige Mengen allzu sehr zu belasten.

Die Empfehlungen der Experten gehen in Richtung 600 bis 800 ml Flüssigkeit pro Stunde, bei Hitze bis zu 1 Liter. Mehr verträgt der Magen ohnehin nicht. Steffny empfiehlt daher zusätzlich lapidar: „Kippen Sie sich bei Hitze einfach reichlich Wasser über den Kopf. Sie sparen die ganze Trinkerei und den Umweg über die Darmpassage…“

Einige erhellende Fakten habe ich bei Ernährungsexperte Dr. Wolfgang Feil gefunden: Demnach liegt der Flüssigkeitsverlust über den Schweiß je nach Körpergewicht, Außentemperatur und Anstrengung bei 1,2 bis 1,8 Liter pro Stunde, während die durchschnittliche Magen-Transportkapazität bei ca. 600 ml Flüssigkeit in der Stunde liegt. Seine Empfehlung an alle Ausdauersportler lautet, diese 600 ml pro Belastungsstunde zu sich nehmen, am besten aufgeteilt in vier Mal 150 ml.

Diese Menge wird auch durch ein Zitat von Martin Grüning von der Runner’s World bestätigt, der empfiehlt, alle fünf Kilometer ein bis zwei Becher zu trinken am besten sowohl ein Elektrolytgetränk als auch Wasser.

Wichtig ist auf jeden Fall, dass man bereits am Vortag ausreichend (nicht übermäßig!) trinkt und nicht bereits dehydriert zum Marathon-Start erscheint. New-York-Marathon-Rennarzt Dr. Lewis Maharam empfiehlt Marathonläufern außerdem, dem Natriummangel durch eine etwas salzreichere Mahlzeit vor dem Rennen vorzubeugen.

Wie viel ist eigentlich in einem Marathon-Plastikbecher und in einer Trinkgurt-Flasche drin?

Trinkflasche eines Läufer-TrinkgurtsSo, jetzt haben wir also die Empfehlung etwa 600 bis 800 ml pro Stunde während des Marathons zu trinken; aber was bedeutet das, wie oft sollten wir denn nun am Getränkestand zugreifen? In den bei den meisten Wettkämpfen verwendeten Plastik- oder Pappbechern haben maximal 200 ml Platz, allerdings nur, wenn der Becher wirklich randvoll gefüllt ist. Das ist so gut wie nie der Fall, es würde ohnehin beim Zugreifen gleich ein Teil wieder verschüttet werden. Im Foto zu Anfang des Artikels sieht man von links nach rechts 100 ml (Hälfte des Bechers), 150 ml (realistische Marathon-Menge) und 200 ml (randvoller Becher). Gehen wir also realistischerweise von 150 ml pro Becher aus, so sollten pro Wettkampfstunde etwa 4 Becher (600 ml) bis maximal 6 Becher (900 ml) getrunken werden. Ein Läufer im 6:00-min/km-Tempo (Marathon-Zielzeit von etwa 4:13 h) hätte demnach die Empfehlung alle 5 km an den Getränkeständen 2 Becher Wasser zu trinken. Wer seine Getränkeaufnahme durch Eigenverpflegung ergänzt, sollte wissen, dass die „normalen“ (etwas größeren) Trinkflaschen für den Trinkgurt (siehe Abbildung) etwa 200 ml fassen.

Wie sieht es mit der Ernährung aus: Was und wie viel sollte ein Läufer beim Marathon essen?

Nährwertangaben auf der Rückseite eines Läufer-Gels

Dr. Matthias Marquardt (u.a. Autor der „Laufbibel“) wundert sich in seinem Buch „77 Dinge, die ein Läufer wissen muss“ über Läufer, die sich bestens auf den Marathon vorbereiten, aber keinen Gedanken an die Ernährung während des Wettkampfes verschwenden. Selbstverständlich gehöre das dazu, denn ohne Nahrung keine Leistung. Laut Dr. Marquardt benötigt ein Läufer während eines längeren Rennens etwa 60 g Kohlenhydrate pro Stunde.

Nach gängiger Expertenmeinung fallen Bananen aus verschiedenen Gründen als Hauptverpflegung im Wettkampf aus:

  • die Kohlenhydrate benötigen etwa 2 Stunden, bis sie im Blut ankommen
  • es sind recht viele Bananen nötig, um auf die erforderlichen Kohlenhydrate zu kommen
  • sie sind natriumarm
  • die Ballaststoffe und organischen Fruchtsäuren belasten den Magen im Wettkampf unnötig

Bleiben als einzig effiziente Nahrungszufuhr Energieriegel und -gels und natürlich Sportgetränke mit entsprechendem Kohlenhydratanteil. Eine kurze Recherche im Web ergibt folgendes Bild:

Nährwertangaben von Energieriegel, Energie Gel, Sportgetränk und Banane im Vergleich

100 g Portion
Kohlenhydr. Natrium Größe Kohlenhydr. Natrium
PowerBar

Riegel

54

-129 g

0,38

-0,69 g

55 g 30

-71 g

0,21

-0,38 g

PowerBar

Gel

66 g 0,51 g 41 g 27 g 0,21 g
Squeezy

Energy Gel

64 g 0,04 g 25 g 16 g 0,01 g
Basica Sport

Getränk

82 g

(= 1,67 l)

1,25 g 60 g

(=1 l)

49 g 0,75 g
Banane 25 g 0,001 g 100 g 25 g 0,001 g

Alle Angaben ohne Gewähr.

Legt man die oben genannte Menge von 60 g Kohlenhydraten pro Stunde zugrunde, so kommt man z.B. auf etwa zwei PowerBar Gels pro Stunde oder einen PowerBar Riegel. Als Alternative bieten sich mehr als 1 Liter Basica Sport oder zwei Bananen an. Wer das jetzt für einen 4-Stunden-Läufer hochrechnet, kommt ganz schön ins Grübeln. So viel werden sicherlich die wenigsten beim Marathon zu sich nehmen.

Von Lauftrainer Jens Karraß habe ich das folgende Zitat gefunden: „Für Zeiten über 3:30 Stunden und die höheren Gewichtsklassen empfehle ich die Krafttuben diverser Firmen – zwei am Mann beziehungsweise der Frau. Den ersten Klebebeutel nach 90 Minuten, den zweiten nach zweieinhalb Stunden. Wer Angst hat, nimmt drei mit!“ Ich glaube, wie so oft, liegt hier die realistische Lösung zwischen den beiden Extremen. Es bleibt also jedem selber überlassen, in welche Richtung er tendiert.

Braucht man eine Extraportion Magnesium gegen die Muskelkrämpfe?

Endlich mal eine einstimmige Antwort im Expertenrund: Nein! Einem im Vorfeld evtl. vorhandenen Magnesiummangel (nächtliche Wadenkrämpfe!) kann nur mit magnesiumreicher Ernährung oder Magnesiumergänzung über mehrere Wochen begegnet werden. Eine erhöhte Magnesiumdosis am Wettkampftag bringt überhaupt nichts. Im Gegenteil, es drohen Magenprobleme und Durchfall! Der beste Schutz vor Wadenkrämpfen ist nach einhelliger Expertenmeinung eine ausreichende Natriumaufnahme während des Rennens (s.o.).

Quellen

Ich habe alle Informationen in diesem Artikel gewissenhaft zusammengetragen, bitte aber zu bedenken, dass ich kein Arzt oder Wissenschaftler bin. Es ist daher jeder aufgefordert, sich an den hier genannten Quellen selber zu informieren und sich eine Meinung zu bilden.

Achim Achilles: Die Marathon-Geheimrezepte der Profis
Herbert Steffny: Ratgeber – Wasser trinken beim Marathon gefährlich?
Wolfgang Feil: Gesunde Verpflegung beim Marathon – Die größten Ernährungs-Irrtümer
Wikipedia-Artikel zur Hyponatriämie
Runner’s World: Zu viel trinken?
Netdoktor: Zielschlappe bei 42,195 km
Marathon – Viel Trinken überflüssig
Dr. med. Matthias Marquardt: 77 Dinge, die ein Läufer wissen muss (Südwest Verlag)

Kategorien

F-Klasse-Laufen

6 Kommentare zu “Marathon-Verpflegung: Wie viel sollte man als Läufer essen und trinken?”

  1. SilberLäufer sagt:

    Der Artikel ist ein Hammer! Danke daher für die Aufbereitung der tollen Informationen. Damit dürften meine bisherigen Probleme der Vergangenheit angehören!

  2. Gerd sagt:

    Wow, da hast Du aber mal viel Wissen zusammengetragen!
    Ich hatte ja vor ein paar Wochen die gleichen Überlegungen hinsichtlich eines Marathontests mit Eigenverpflegung!
    Im Großen und Ganzen stimme ich deinen Erläuterungen zu, wobei persönliche Vorlieben und Eigenarten mit einfließen. Als Grundlage dienen deine Angaben auf jeden Fall. Hier kann man sich dann gut orientieren und muss für dich die beste Möglichkeit herausfinden.
    Nicht immer werden die angebotenen Verpflegungen vertragen. Zu mal wenn durch Strecken im Ultrabereich der Magen sowieso schwer belastet wird. Ich kenne einige Läufer die schaffen es sich fast komplett nur flüssig zu ernähren.
    Da muss jeder mit der Zeit seinen Weg finden.
    Danke für die toll zusammen getragenen Informationen. Ich bin sicher sie werden einigen sehr, sehr weiterhelfen!

  3. webmaster@startblog-f.de sagt:

    @Silberläufer
    Danke, freut mich, dass dir der Artikel gefällt. War auch ein bisschen Arbeit… ;-)

    @Gerd
    Ich vermute mal, dass es für den Ultrabereich aus den von dir besagten Gründen noch besondere Tipps gibt. Und ja, jeder sollte sich da seinen eigenen Reim drauf machen, was er von den Empfehlungen berücksichtigt und was ihm aus eigener Erfahrung bisher geholfen hat.

  4. Supermario72 sagt:

    Hallo! Sehr schöner Blogpost! Ergänzend dazu mal noch dieser Artikel von Peter Greif:

    Trinke im Rennen nicht zu viel II
    Benötigte Trinkmengen für verschiedene Marathonzeiten (Peter Greif, PDF)

  5. webmaster@startblog-f.de sagt:

    @Supermario72
    Danke für deine wirklich lesenswerte Ergänzung. Dein Zitat war ja länger als mein Artikel ;-) Ich habe mir erlaubt, es durch den direkten Link zum Greif-Artikel und zu der dort erwähnten Trinkmengen-Tabelle zu ersetzen.

    Wie man sieht gibt es auch in der Fachwelt durchaus unterschiedliche Meinungen. Deshalb noch einmal meine Aufforderung: alles lesen und eigene Meinung bilden!

  6. Supermario72 sagt:

    Hallo Andreas,

    ja logo – der Text war natürlich irre lang. So sieht es auch viel besser aus. Hatte den Artikel nur als Text in einer E-Mail. Auf die Idee mit der Verlinkung zu greif.de selbst bin ich gestern irgendwie gar nicht gekommen. ;-)

    Grüße aus Köln!
    Mario

Comments are closed.