Irgendwann vor 15 bis 20 Jahren sind Klaus und ich mal „Die Generalprobe“ im Grunewald gelaufen – den Halbmarathon des SCC wenige Wochen vor dem Berlin-Marathon, damals mit Event-Sponsor Campina und Zieleinlauf im Mommsenstadion. Those were the days.
Seit 2009 findet der Halbmarathon nicht mehr im Grünen sondern mitten in der Stadt in Berlin-Steglitz statt und wir hatten den Halbmarathon im beschaulicheren Reinickendorf zu unserer persönlichen Generalprobe gemacht (2009 mein erster Bericht davon und 2023 der bisher letzte).
Aus Termingründen war in diesem Jahr ein Start in Reinickendorf nicht möglich, so dass uns der längst vergessene Halbmarathon in Steglitz wieder einfiel. So standen wir dann am vergangenen Sonntag gemeinsam mit Lisa und Jakob am Start und waren sehr gespannt, wie sich dieser „neue“ Halbmarathon nun anfühlen würde…
Startschwierigkeiten
Nach einer etwas schwierigen Anreise (der Berliner ÖPNV!), die uns am Ende noch einmal 2 km Fußmarsch abverlangte, weil der Bus nicht weiterfuhr (und bei dem wir zufällig Lukas kennenlernten, der ebenfalls zur „Generalprobe“ für seinen ersten Marathon wollte), kamen wir etwas knapp nur 20 Minuten vor Startschuss im Start- und Zielbereich an. Bei den wie üblich langen Toiletten-Schlangen…
… führte das dazu, dass wir uns nur wenige Minuten vor dem Startschuss – und auch nur am Rande – einreihen konnten.
In den eigentlichen Startblock-Bereich kamen wir nämlich gar nicht mehr hinein und mussten uns an der „Zufahrt“ anstellen. Immerhin hatten wir perfektes Laufwetter bei 12-13 Grad, Sonnenschein und etwas Wind.
Lisa wollte unter 2 Stunden laufen, Klaus und ich waren trotz unseres guten Trainings vorsichtig und wollten „ruhig“ und eher ein wenig nach der 2-Stunden-Marke ins Ziel kommen. Da haben sich die Zeitziele schon sehr verändert im Vergleich zu unseren ersten „Reinickendorf-Jahren“.
Der Startschuss fiel und wir rückten langsam auf der Schlossstraße voran in Richtung Startbogen.
Mit guter Laune kamen wir schließlich vom Gehen ins Laufen und überquerten irgendwann die Startlinie.
Mit unerwartetem Schwung auf die Strecke
Zu meinem Erstaunen lief Klaus gleich los als wollte er sich an die Spitze setzen! Das war nie und nimmer der angekündigte 6er-Schnitt… Ich also hinterher, am Bierpinsel vorbei, immer weiter geradeaus, bis es vor dem Steglitzer Kreisel (einem Bauprojekt mit Affäre am Anfang und Stagnation ohne Ende) um die Ecke ging. Dann kam gleich, noch auf dem ersten Kilometer, eine lange und stetige Steigung auf der Grunewaldstraße.
Die bewältigten wir aber ganz gut, zumal uns die Strecke nun immer besser gefiel: Breite schattige Alleen, die einen vergessen ließen, dass man gerade durch eine Großstadt lief. Bei all der Kritik an der Stadt ein großes Plus!
Dazu kamen Helferinnen und Helfer, die für einen reibungslosen Ablauf sorgten und dabei auch noch gute Stimmung verbreiteten.
Da muss es wirklich keine „Bayerische Gaudi“ sein, ein freundliches Gesicht am Streckenrand reicht mir auch.
Links kam jetzt der U-Bahnhof Dahlem-Dorf in Sicht. Auf besonderen Wunsch von Kaiser Wilhelm II. in den Jahren 1912/1913 im Stil eines norddeutschen Gutshauses gebaut.
In der Domäne Dahlem wird seit 800 Jahren Landwirtschaft betrieben. Heute ist sie vor allem ein Freilandmuseum für Agrar- und Ernährungskultur.
Zu den Klängen von „Anita“ („Ich fand sie irgendwo, allein in Mexiko, A-niii-taa.“) bogen wir ab in die Pacelliallee.
Farbenraten
Ich war der Meinung, im Vorbeilaufen eine (gewohnt) rote Schweizer Kuhglocke gesehen zu haben, die die Frau am Streckenposten schwenkte. „Nee, die war blau!“, meinte Klaus und hatte am Ende Recht damit.
Wir kamen nun Am wilden Eber vorbei, dem Platz, an dem beim Berlin-Marathon irgendwo nach Kilometer 28 so richtig was los ist. Für uns war es hier gerade mal Kilometer 4,5, und der Streckenposten wirkte souverän, aber keinesfalls euphorisiert.
Lauf mal schon voraus!
Etwa beim Getränkestand bei Kilometer 5 schickte ich dann Klaus voraus. Ich hatte Zweifel, ob ich das aktuelle Tempo – deutlich schneller als das geplante – bis zum Ende würde durchhalten können. Gleichzeitig wirkte Klaus so frisch und tatendurstig, dass ich ihm eine wesentlich bessere Zielzeit nicht vermiesen wollte.
So lief er dann voraus und ich mit etwas reduziertem Tempo hinterher. Er blieb aber noch einige Zeit in Sicht.
Bei diesem Event gibt es, trotz bester Innenstadtlage, nicht so viele Zuschauer:innen. Aber die, die man hin und wieder sieht, waren nett und voll dabei.
Die Sonne warf lange Schatten, und hin und wieder wehte uns ein Wind von irgendeiner Seite an.
Die Kiezbewohner ließen es sich gut gehen und betrachteten entspannt, was da an ihnen vorbeizog.
Das Läuferfeld passierte nun den Kleingartenverein Kissingen…
… wo uns nur vereinzelte Zuschauerinnen erwarteten.
Ein bereits häufig beobachtetes Phänomen: Seit ich alleine lief, war ich eigentlich kaum langsamer geworden. Ich versuchte, in einem Wohlfühltempo zu laufen, zumal ich ja immer noch von einer Zielzeit von etwas über 2 Stunden ausging.
Mit Musik läuft es sich leichter
Bei Kilometer 7 standen wieder mal mehr Zuschauerinnen und Zuschauer…
… und es gab sogar eine Trommelgruppe! Ich winkte und fühlte mich gut.
Beim nächsten Getränkestand lief ich vorbei, ohne zu trinken. Aber den Kopf habe ich geschüttelt, als ich zusah, wie ein Läufer vor mir an bestimmt zehn bereitgestellten Mülltonnen vorbeilief, um dann seinen Plastikbecher zehn Meter weiter an den Straßenrand zu werfen.
Wir erreichten den Rüdesheimer Platz, an dem alljährlich ein großes Weinfest stattfindet…
… und liefen ruhig (es war ziemlich still im Läuferfeld) durch eine Wohngegend…
… bis wir am Südwestkorso an eine Pendelstrecke kamen.
Wiedersehen im Pendelverkehr
Und da sah ich Klaus, Lisa und Jakob, die mir von der Gegengeraden zuwinkten! Das war wirklich nur ein Vorsprung von knapp 150 Metern – ich war besser in der Zeit als ich dachte.
Und erstaunlicherweise lief ich das Tempo immer noch recht gelassen.
© AndreasV
Während ich noch mit der 180-Grad-Wende beschäftigt war, liefen die anderen drei auf Andreas V. zu, der kurz vor Kilometer 9 stand.
Aber kurz darauf sah ich ihn auch!
© AndreasV
Ich blieb ein paar Sekunden stehen, um ein einige Worte zu wechseln, und zog dann weiter.
Diese Straßenecke kannte ich genau: Hier, an der Wiesbadener Straße, standen Monika und ich schon mehrfach, um beim Marathon auf Klaus (und letztes Jahr Lisa, Jakob und Pia) zu warten, die dann aber aus der Gegenrichtung gekommen waren.
Alles Marathonis hier
Es fiel mir auf (und Klaus bestätigte nachher den Eindruck), dass wir in einem sehr „stimmigen“ Läuferfeld unterwegs waren: Jeder und jede schien sein bzw. ihr Tempo zu kennen, es wurde wenig überholt.
Ich hatte den Eindruck, dass wirklich viele Marathon-Teilnehmer dabei waren, die sich hier konzentriert vorbereiteten und wussten, was sie laufen können.
Es ging nun auf das Ende der 1. Runde zu. An der nächsten Ecke würden wir wieder auf der Schlossstraße sein.
Erwartungsgemäß standen hier am meisten Zuschauerinnen und Zuschauer. Wie ein Held (wie ein Plakat suggerierte) fühlte ich mich zwar nicht, aber mein Tempo war nach wie vor gut, die Laufuhr hatte immer Werte zwischen 5:30 min/km und 5:40 min/km angezeigt.
Die Viertelmarathon-Läuferinnen und -läufer bogen hier Richtung Zielgerade ab, während wir Halbmarathonis durch Streckenposten und ein Schild auf die zweite Runde geschickt wurden.
Streckenrekord (und ich war ganz nah dran)
Wir befanden uns nun parallel zum Zieleinlauf und ich hörte, dass der Sprecher etwas hektischer wurde: In diesem Moment lief der Sieger mit neuem Streckenrekord von 1:04:02 ein! Und ich dachte aus irgendeinem Grund spontan, das wäre der 10-km-Sieger. Nee, er hatte tatsächlich schon die zweite Runde beendet, während ich noch dabei war, die erste abzuhaken…
Eine Läuferin neben mir schwärmte begeistert, dass diese tolle Siegerzeit sie motiviere. Es gelingt mir leider meist nicht – aber so muss man das sehen!
Dann ein kleines Dejá-vu: Hier waren wir doch schon mal? Und dann waren wir auf der zweiten Runde!
Der Halbmarathon geht in die 2. Runde
Bereits vor dem Start hatte ich mir vorgenommen, auf der zweiten Runde keine Fotos mehr zu machen und mich einfach auf das Laufen zu konzentrieren. Es gab eigentlich auch keine weiteren besonderen Vorkommnisse. Nur der Rücken machte sich irgendwann zu meiner Verwunderung bemerkbar (Wo kam das jetzt plötzlich her? Ich hatte doch fleißig meine Rumpf-Gymnastik gemacht!).
Auf dem letzten Viertel war klar, dass ich die 2-Stunden-Marke doch unterbieten würde. Bei Kilometer 18 zeigte meine Uhr noch einen Vorsprung von drei Minuten auf den erforderlichen 5:40-Schnitt. Da konnte nun wirklich nichts mehr schiefgehen, oder? Aber dann zog es vor dem letzten Kilometer plötzlich die linke Wade hoch und ein Krampf kündigte sich immer stärker an. Jetzt hieß es, durchzuhalten und kontrolliert (was heißt das schon?) weiter zu laufen.
Als wir schließlich zum zweiten Mal an diesem Tag wieder aufs Ziel zusteuerten, wusste ich, dass nun nichts mehr anbrennen würde. Die Wade zog, blieb aber unter Kontrolle.
Um mich herum zogen junge Leute das Tempo an, und der ein und die andere lief noch an mir vorbei, aber das war völlig in Ordnung.
Mir reichte es, trotz zickender Wade noch locker unter zwei Stunden durch den Bogen zu laufen. Zu meiner Überraschung war die Zeit mit 1:58:41 allerdings knapper als ich aufgrund meiner Laufuhr angenommen hatte. Da stimmten anscheinend die angezeigten Kilometerzeiten nicht so 100%-ig.
Im Zielbereich empfingen mich Lisa, Klaus und Jakob, die alle drei gemeinsam etwa dreieinhalb Minuten vor mir eingelaufen waren.
Wir waren alle sehr zufrieden mit unseren Rennverläufen und erzählten uns – nach einem letzten Selfie und der Entgegennahme unserer Medaillen – was wir so erlebt hatten.
Alle vier waren wir der Meinung, dass sich dieser „neue“ Lauf gelohnt hatte. Die Strecke war schöner als gedacht, und die befürchtete Steigung an der Grunewaldstraße wurde durch so einige leicht abschüssige Straßen wieder ausgeglichen (ist ja auch ein Rundkurs ;-).
Der kleinste negative Split aller Zeiten
Eigentlich bin ich sehr konstant durchgelaufen, was in der Grafik auf den ersten Blick nicht so aussieht. Aber zum einen bewegen sich diese Kilometerunterschiede in einem Differenzbereich von maximal 10-15 Sekunden, und zum anderen gab es ja Steigungen, Gefälle und Getränkepausen, die anscheinend immer gut ausgeglichen wurden. Nach meiner Uhr, die ja wie gerade erwähnt nicht ganz korrekt war, bin ich auf der ersten Hälfte ø 5:31 min/km gelaufen und auf der zweiten Hälfte ø 5:30 min/km. Real hatte ich aufgrund der offiziellen Zielzeit einen Schnitt von 5:37 min/km, aber die Tendenz – gleichbleibendes Tempo – dürfte trotzdem stimmen.
Mein Fazit
Am Ende ein sehr schöner, empfehlenswerter Lauf, der von mir nur durch den hohen Preis (45,- € zzgl. 5,- € für die Taschenabgabe) und die kundenunfreundlichen Tausch- und Rückgabemöglichkeiten (Erstattungen bei Verhinderung sind nicht möglich, Übertragungen auf andere Personen oder das Folgejahr ebenfalls ausgeschlossen) Abzüge in der Gesamtbewertung bekommt.
PS: Danke an Andreas V. für den Streckensupport und die Fotos von uns bei Kilometer 9.
PPS: Das war doch wieder typisch: Da hat man vor dem Lauf Bedenken, ob das Knie ohne Probleme durchhalten würde und hat zudem vom intensiven Mittwochslauf noch schwere Oberschenkel – und was passiert beim Lauf? Der Rücken und die Wade melden sich! Versteh’ einer den Läuferkörper…
Hallo Andreas,
ein super schöner Bericht! Und auch ein wenig witzig, dass der Marathon jetzt schon stattgefunden hat.
Bitte richte Klaus und Lisa meine Glückwünsche zum Finishen des Marathons aus!
Das war wohl eine, im wahrsten Sinne des Wortes “heiße Schlacht”. Die beiden können maximal stolz sein!
Bis zum Oktoberlauf – Andreas IV
Hallo Andreas,
danke, war auch ein schöner Lauf – und das nächste schöne Laufevent wird unser gemeinsamer Oktoberlauf mit dir!