Lauf-Blog für Läuferinnen und Läufer der F-Klasse

18. Berliner Marathon-Staffel am 21.11.2010

Veröffentlicht am 23.11.2010 | 3 Kommentare

Läufer im Hangar vor dem Start

Am vergangenen Sonntag habe ich nach einem Jahr Pause mal wieder als „Aushilfsläufer“ für das Team der Marienfelder Schleicher an der Marathon-Staffel 2010 auf dem Flughafen Tempelhof teilgenommen. Ein tolles Lauf-Event mit tausenden von Läuferinnen und Läufern – es waren 1342 Staffeln gemeldet – auf einem Gelände mit sehr speziellem Lauf-Ambiente…

Läufer im Hangar des Flughafens

Wie schon bei der Marathon-Staffel 2008 (damals noch im Grunewald) waren wieder Hartmut und ich in der Frühe als erste Läufer angereist. Mit dabei war auch „Schinderhannes“ Oliver, der für ein anderes Team startete.

Wechselzone im Hangar 5 mit Leinwand

Im Hangar 6 des Flughafens stand noch alles auf Anfang als wir ankamen. Die Wechselzone einsam und leer, die Großbildleinwand mit ereignislosem Kamerablick auf die läuferlose Zeltgasse. Oliver hatte sich zu seinem Team verabschiedet und wir beiden anderen gesellten uns zum Team der DEKRA, das Hartmut kannte.

Blick aus dem Hangar

Es war recht kalt an diesem November-Sonntagmorgen, aber nach all den Regentagen der vergangenen Woche immerhin trocken. Allerdings war die Aussicht auf das Rollfeld – die spätere Rennstrecke – nicht gerade verlockend: Ein dichter weißer Nebel hüllte das Gelände ein, die Zeltreihe entlang der Zielgeraden verschwand im Nichts.

Mädchen auf Decke im Hangar

Im stetig anschwellenden Trubel der ankommenden, sich anziehenden, plaudernden Läuferinnen und Läufer, bei lauter Musik und Lautsprecherdurchsagen, lag ein kleines Mädchen seelenruhig auf einer Decke und malte. Diese Ruhe hatten von den Anfangsläufern zu diesem Zeitpunkt so kurz vor dem Start wahrscheinlich nur wenige.

Läufer im Hangar 6 vor dem Start

Inzwischen war es nämlich kurz vor halb elf, der Zeitpunkt des Startschusses nahte und Hartmut war bereits im Startläufergetümmel untergetaucht. Die Startmusik (mit gewohntem Gänsehaut-Effekt: „Sirius“ von Alan Parson’s Project) ertönte, der Startschuss fiel, und los ging es, aus der Halle hinaus und in den Nebel hinein. Was ich erst nachher von Hartmut erfuhr: Durch das Gedränge der Läufer kam es gleich zu Beginn zu einem Massensturz von 10-15 Teilnehmern, in dem auch Hartmut erst einmal zu Boden ging!

Läufer nach der Runde 1

Nun hieß es also für mich warten und Daumen drücken. Hartmut hatte zwei Runden mit insgesamt 12,195 km zu laufen und war bis in die Haarspitzen motiviert, was bedeutete, dass ich nur noch kurz die Atmosphäre im Hangar genießen konnte, bevor er nach seiner ersten Runde durchlaufen würde. Ich machte mich also schon bald wieder auf nach einem guten Zuschauerplatz an der Bande. Und da kam auch schon – nach nur etwas mehr als 23 Minuten! – Oliver aus dem Nebel in die Halle gerauscht.

Läufer in der Wechselzone

Er war offensichtlich mit einer Superzeit unterwegs, mal sehen, wie dicht Hartmut dahinter kommen würde. Oha, eher als gedacht zischte er plötzlich an mir vorbei. Hochkonzentriert bei der Sache; meinen lauten Anfeuerungsschrei hörte er offensichtlich nicht.

Läuferinnen-Schlange vor dem WC

Schnell noch einmal Nervosität und Wasser ablassen – die bedauernswerten Frauen standen dutzende Meter an, während das männliche „kleine Geschäft“ in Sekundenschnelle vonstatten ging – und dann raus aus den warmen Klamotten. Das Thermometer zeigte zwar kühle 5 Grad an, aber bei einem Wettkampf ist bei mir so gut wie immer „kurz“ angesagt (plus langärmeligem, dünnen Laufpullover).

Nebel über dem Rollfeld

Ich machte kurz einen kleinen Rundgang und lief mich ein paar Schritte warm. Noch immer lag Nebel über der Laufstrecke, wenn auch etwas weniger als zu Beginn.

Läufer im Nebel

Ein letzter Blick auf die ständig in die Halle strömenden Läufer, und dann ging es, zusammen mit Jörg von der DEKRA, in die Wechselzone. Dank der Großbildleinwand, auf der nicht nur die hereinkommenden Läufer zu sehen waren sondern auch noch luxuriöserweise ihre Startnummern groß eingeblendet wurden, war der Wechsel ein Kinderspiel. Ein kurzes Abklatschen und ich war auf dem Weg!

„Dieser Weg wird kein leichter sein, dieser Weg wird steinig und schwer“

Von Hangar 6 ging die Strecke gleich in Hangar 5 über und wir Läufer kamen an vielen klatschenden Zuschauern vorbei. Ein „warmer“ Start, der den Rest der Strecke allerdings umso kälter erscheinen ließ… Doch dazu später. Erst einmal war ich kurz genervt, denn ich stellte nach 100 Metern fest, dass ich mal wieder vergessen hatte meine Laufuhr zu starten! In der Anfangsphase, wenn man noch bemüht ist, das richtige Tempo zu finden – und der plötzliche Start in die 10-km-Laufgeschwindigkeit einen ohnehin besonders fordert – an der Uhr herumzunesteln ist nicht gerade das, was man einen Traumstart nennt. Nun war ich also mit „falscher“ Zeit unterwegs, schöner Mist.

Wir hatten die Hangars jetzt hinter uns gelassen und liefen am Gebäude entlang. „US AVIATION“ entzifferte ich im Vorbeilaufen. Leider gab es nicht mehr zu lesen, denn das Flughafengebäude schien unendlich lang (tatsächlich eines der längsten Gebäude Europas) und ein wenig Zeitvertreib hätte mir gut getan. Um mich herum waren nur wenige Läufer, es gab kein dichtes Läuferfeld, alles zog sich sehr weit auseinander. Wir bogen nun auf das Flugfeld ab. Endloser Beton, nur vereinzelt ein paar Spaziergänger auf oder neben der Strecke.

Ich war immer noch dabei mein Tempo zu finden. Zuerst hatte ich noch versucht, die anfangs nicht mitgestoppte Zeit zu schätzen und zu addieren, aber das erschien mir schnell sinnlos und so beschloss ich, die Uhr heute mal aus dem Spiel zu lassen und einfach nach Gefühl zu laufen. Nicht so einfach, zumal auch die Mitläufer aufgrund der leistungsmäßig sehr unterschiedlich besetzten Staffelteams kaum Orientierung boten. Auf der einen Seite überholte ich verhältnismäßig mühelos einige recht langsame Läufer, auf der anderen Seite wurde ich hin und wieder von Läufern überholt, bei denen ich das Gefühl hatte, sie würden an mir vorbeifliegen. Eigentlich nicht verwunderlich auf einem Flughafen ;-) Aber etwas schockierend, wenn man der Meinung ist, man würde gerade sein Bestes geben.

Die Einsamkeit des Startbahnläufers

Läufer auf StartbahnEtwa 2,5 Kilometer bei leichtem Gegenwind waren jetzt geschafft und die Strecke machte eine Wende. Jetzt lagen ca. 1,5 Kilometer über die ehemalige Startbahn vor uns. Beton so weit das Auge reichte, verziert mit alten Markierungen als einziger Ablenkung für das Läuferauge. Das „Watch“-Cover von Manfred Mann’s Earth Band kam mir in den Sinn. Hier gab es wirklich nichts, an dem man sich mental aufrichten konnte, selbst das Flughafengebäude auf das wir laut Streckenplan zuliefen war noch nicht zu sehen. Das war wirklich „pures Laufen“. Ich tat das einzige, was man unter diesen Umständen noch tun konnte und orientierte mich an meinen Vorläufern. Die Strecke war egal, das einzige was zählte, war, dass ich näher an den nächsten Vordermann oder die Vorderfrau rückte. Immer wieder konnte ich so, Zentimeter für Zentimeter, überholen und überstand so, konzentriert auf einen Läuferrücken, die „Einsamkeit des Startbahnläufers“.

Statt abzuheben bogen wir am Ende der Startbahn nach rechts in Richtung der Zeltgasse ab. Endlich ein markanter Punkt, etwas, das das pumpende Läuferherz jubeln ließ: zurück in der Zivilisation! Durch einen blauen, aufblasbaren Torbogen ging es nun nach links in die Zeltgasse. Klatschende, rufende Zuschauer ließen mich kurzzeitig die Anstrengung vergessen. Ich hielt im Vorbeilaufen Ausschau nach Zelt 8, in dem unsere Marienfelder Läuferfreunde der Teams Mauerläufer 1 und Mauerläufer 2 campierten. Zelt 28, Zelt 27, Zelt 26, mann, zog sich das hin! Da, Silke und die anderen winken mir zu! Ich winke zurück, bin schon vorbei und kurz darauf im Hangar. Hier ist natürlich mächtig was los, und ich sauge schnell die lebendige Atmosphäre, die laute Musik in mich auf, denn ich weiß, gleich geht es wieder in die einsame Pampa.

Überholen und überholt werden

Inzwischen bin ich mit mir und dem aktuellen Lauftempo im Reinen. Der leichte Anfangsstress ist verschwunden und ich laufe schwer atmend, aber innerlich ruhig, auf meiner zweiten Runde. Schräg links von mir läuft ein junger Mann ganz in Schwarz, knapp rechts vor mir eine junge Frau mit weißem Shirt, beide in konstantem, zügigem Tempo. Ich hänge mich an die beiden an und laufe auf diese Weise bestimmt 2-3 Kilometer beständig im Dreierteam. Wir überholen so manche Läuferinnen und Läufer, was sich immer exakt so lange saugut anfühlt bis der nächste „Berliner Kenianer“ an einem vorbeirauscht. Einziger Trost: die da rauschen stehen später auch auf dem Siegertreppchen (die Shirts der LG Buchsbaum, LCC Fides, Lang und Laufladen habe ich auf meinen zwei Runden allesamt von hinten sehen müssen).

Der Läuferflüsterer

Zwei Kilometer vor dem Ziel zieht mein männlicher Vorläufer langsam davon, ich laufe ebenso in gefühlter Zeitlupe an meiner Vorläuferin vorbei, kann den Anschluss nach vorne aber trotz leicht forcierten Tempos nicht halten. „Nur noch zwei Kilometer! Du bist fast da! Ein bisschen geht noch!“ flüstere ich mir ein und mein Körper scheint mir zu glauben. Jetzt geht es wieder auf den blauen Torbogen zu und ab in die Zeltgasse. Ich lege noch einmal etwas drauf, zähle wieder die Zelte ab, warte auf die vertrauten Gesichter. Ja, da sind sie, jetzt nur noch über die Matte. Geschafft! Aber meine innere Stimme warnt: „Bloß nicht stehen bleiben, der Lauf ist erst in der Wechselzone zu Ende!“

Da, endlich, ein kurzes Abklatschen und ich bin fertig für heute. Wieder verspätet stoppe ich meine Laufzeit. Keine Ahnung, wie schnell ich gelaufen bin, wahrscheinlich irgendwo zwischen 45 und 46 Minuten. Ist eigentlich auch egal, ich bin sehr zufrieden mit meinem Lauf. Ich gehe noch etwas in der Wechselzone auf und ab um wieder auf Normal-Level zu kommen und mache mich dann auf, um zu sehen, ob inzwischen der Rest des Teams eingetroffen ist.

Eingangstor Hangar 5Läufer im Gespräch

Ein richtig gutes Gefühl, nach getaner Arbeit zu den Freunden zurückzukehren! Klaus war gerade dabei sich fertig zu machen, er war schließlich als Läufer Nummer 4 dran. Monika, die nicht mitlaufen konnte, aber natürlich mitgekommen war, versorgte mich mit Nussschokolade, und so langsam machte sich Ruhe und Zufriedenheit in mir breit. Als sich Klaus in die Wechselzone aufmachte, beschlossen Monika und ich einen Besuch bei den Mauerläufern 1 und 2 zu machen und unsere Läufer von dort aus gemeinsam anzufeuern.

Läuferin in der Zeltgasse

Es war richtig nett, unsere kleine Marienfelder „Laufgemeinde“ beisammen zu haben. Silke, Kathrin, Thomas, Andreas IV., Sven, Angela und wie sie alle heißen. Gemeinsam genossen wir, die wir fast alle unsere Runden schon gelaufen waren, die Stimmung um uns herum und begrüßten frenetisch die vorbeilaufenden Team-Mitglieder.

Läufer der Marienfelder Schleicher

Da sich das Feld recht weit auseinandergezogen hatte, war es keine Schwierigkeit, die Läufer rechtzeitig zu erkennen. Und auch die Läufer hatten ausreichend Zeit, sich trotz der Anstrengung noch ein Lächeln abzuringen. Wobei ich sagen muss, dass Klaus eigentlich immer entspannt aussieht ;-)

Flughafengebäude mit klarem Himmel

Inzwischen hatten wir auch Christiane und Joachim begrüßt, der unser Schlussläufer war und sich nun auf seinen Einsatz vorbereitete. Wir waren als Staffel-Team sehr gut in der Zeit, und so konnte sich Joachim, wie immer die Ruhe selbst, gelassen auf die letzte Runde begeben.

Zuschauer in der Zeltgasse

Gerade wollten Monika und ich uns aufmachen, um nach Klaus zu sehen, da stand er schon zwischen den Zelten vor uns. Etwas erschöpft, aber glücklich und zufrieden, all die bekannten Gesichter zu sehen.

Marathon-Staffel-Teams

Nach einem kurzen Zwischenstopp im Hangar beim „Rastplatz“ der Marienfelder Schleicher und der DEKRA waren wir dann erneut wieder draußen bei den Zelten, um unserem Schlussläufer Joachim beim Zieleinlauf zuzujubeln. Er war so schnell, dass ich ihn mit dem reaktionsschwachen Handy nicht mehr auf ein Foto bekam!

Marathon-Staffel-Team

Mit neuer Marienfelder Schleicher Bestzeit von 3:07:13 und Platz 92 von über 900 Männer-Staffeln konnten wir nach diesem tollen Lauf-Event getrost und zufrieden nach Hause fahren…

PS: Meine offizielle Zeit waren 45:50 Min. Zwar etwas von meiner Bestzeit entfernt, aber ich war trotzdem rundum zufrieden mit dem Rennverlauf, da ich konstant und ohne „Hänger“ – und ohne Uhr – gelaufen war!

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F-Klasse-Laufen, Laufevents

3 Kommentare zu “18. Berliner Marathon-Staffel am 21.11.2010”

  1. M a r e k sagt:

    Schöner Bericht Andreas! In den Start war ich genialerweise auch verwickelt. War mir nicht bewußt, dass es doch so viele erwischt hatte. Da muss ziemlich weit vorne jemand gestolpert sein, die meisten haben das von außen gar nicht wahrgenommen. Auf einem unserer Fotos sieht man aber die Frau, über die ich auch geflogen bin. Glücklicherweise nur mit einer Schürfwunde davongekommen. Und bei dem Adrenalin als Startläufer natürlich nix gemerkt und weitergelaufen :-) 03:07 ist aber auch eine klasse Zeit! Glückwunsch euch allen. Sehr cooles Event in einer sehr coolen Location.

  2. Schinderhannes sagt:

    Hallo Andreas,

    wie immer ein stimmungsvoller Bericht. Ich hatte allerdings am Sonntag eher das Gefühl, das nur mein Puls in den Ohren rauschte. Kleine Anekdote: Bei der Geraden auf der Startbahn hatte ich einen Läufer neben mir mit folgendem Kommentar: Am Ende der Piste fallen wir alle runter…

    Grüße
    Oliver

  3. webmaster@startblog-f.de sagt:

    @Marek
    Wenn man gleich zu Beginn stürzt, bringt einen das natürlich sprichwörtlich noch mehr aus dem Gleichgewicht als eine ungestoppte Uhr… Nochmal Glückwunsch zum trotzdem superschnellen Lauf!

    @Schinderhannes
    Die Erde ist bekanntlich eine Scheibe, aber Läufer haben ja nur Angst, dass ihnen der Himmel auf den Kopf fällt ;-)

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